Ramsan Kadyrow, der starke Mann Tschetscheniens, bekommt die Separatisten in den GriffTSCHETSCHENIEN

Ramsan Kadyrow, der starke Mann Tschetscheniens, bekommt die Separatisten in den Griff

Mit einer eigenen Sicherheitstruppe bekämpft der neu gewählte Ministerpräsident Tschetscheniens die Separatisten in der abtrünnigen Kaukasusrepublik. Immer öfter gelingt es der Truppe, die Untergrundkämpfer sogar zur Aufgabe zu überreden. Bei Kremlchef Wladimir Putin hat Kadyrow deshalb mehr als einen Stein im Brett.

Von Ulrich Heyden

R amsan Kadyrow ist fast am Ziel. Anfang März wurde der 29jährige Boxer, der nur eine abgebrochene Schulausbildung hat, vom tschetschenischen Parlament einstimmig zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Im Herbst wird Kadyrow 30. Dann möchte er Präsident Tschetscheniens werden. Kadyrow tritt an die Stelle des Russen Sergej Abramow, der im November bei einem Autounfall schwer verletzt wurde.

Seit Sowjetzeiten wurde das zweitwichtigste Amt in der Kaukasusrepublik mit einem ethnischen Russen besetzt. Doch der Kreml setzt auf „Tschetschenisierung“. Es sind heute vor allem tschetschenische Sicherheitskräfte, die gegen die Separatisten kämpfen oder sie - was immer häufiger vorkommt - zur Aufgabe überreden.

Russische Menschenrechtler waren über die Wahl entsetzt. Ramsan Kadyrow leitet einen mehrere tausend Mann starken „Sicherheitsdienst“. Doch der verbreitet nicht Sicherheit, sondern Angst und Schrecken. Allein im letzten Jahr wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ in Tschetschenien 316 Menschen entführt. Ein Großteil davon – so „Memorial“ – geht auf das Konto der „Kadyrowzi“, wie die gefürchtete Sicherheitstruppe im Volksmund heißt. Ihre Geiseln sind Menschen; die man des Separatismus verdächtigt oder einfach Personen, über die man Lösegeld erpresst. Die Ernennung von Kadyrow zum Ministerpräsidenten „bringt Tschetschenien nichts Gutes. Gesetzlosigkeit, mehr Gesetzlosigkeit, mehr Chaos“, erklärte Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina gegenüber der „Moscow Times“.

Vom Kreml aufgebaut

Wladimir Putin hat die Familie Kadyrow, die während des ersten Tschetschenienkrieges noch gegen die föderalen Truppen kämpfte, seit 2000 als Machtzentrum gegen die Separatisten aufgebaut. Der Kreml-Chef förderte die Wahl von Ahmed Kadyrow zum Präsidenten Tschetscheniens. Seit dem tödlichen Anschlag auf seinen Mann im Mai 2004 pflegt Putin ein enges Verhältnis mit dessen Sohn, Ramsan Kadyrow.

Es gibt wohl keinen regionalen Führer, den Putin so oft empfangen hat wie Kadyrow jr. Zur Geburt von Ramsans erstem Sohn kamen Glückwünsche vom russischen Präsidenten persönlich. Ramsan anerkennend über Putin: „Das ist ein echter Muschik“ (Mann).

Kadyrow jr. möchte, dass die russischen Soldaten abziehen und die Tschetschenen die Kontrolle über ihr Öl bekommen. Dass der Kreml-Chef dies akzeptiert, ist unwahrscheinlich. Aber Putin gewährt Kadyrow jr. große Freiheiten. Für den Kreml-Chef ist es vor allem wichtig, dass es in Tschetschenien keine Separatisten mehr gibt.

Noch macht der Kreml gute Miene zur Kadyrowschen Selbstherrlichkeit. Doch wie lange noch? Als geschäftsführender Ministerpräsident demonstrierte Ramsan eine starke Hand. Er verbot die Spielhöllen, ließ große Mengen Alkohol beschlagnahmen, befürwortete die Vielehe für Männer, forderte den Koran-Unterricht in den Schulen und forderte die Eltern auf, die Handys ihrer Töchter zu kontrollieren, um sie vor „schlechtem Einfluss“ zu schützen. Nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Dänemark verbot Kadyrow – ohne Rücksprache mit dem Kreml - die Tätigkeit des „Dänischen Flüchtlingsrates“ in Tschetschenien. Die Hilfsorganisation verfügt aus UNO-Mitteln über ein Jahresbudget von 30 Millionen Euro und trägt wesentlich zur Versorgung der tschetschenischen Bevölkerung mit Medikamenten und Lebensmitteln bei. Der Kreml war nicht erfreut über die Eigenmächtigkeit und ließ als Drohung ein juristisches Gutachten in Auftrag geben. Als EU-Menschrechtskommissar Alvaro Gil-Robles Grosny besuchte, zog Kadyrow jr. das Verbot wieder zurück. „Sie sind ein Freund meines Vaters“, erklärte er großzügig. „Wenn uns Freunde besuchen, ist es bei uns üblich etwas zu schenken.“

Kokette Spiele eines Allmächtigen

Kadyrow hat nur wenig Bildung genossen. Sein Russisch ist schwer verständlich. Doch an Phantasie mangelt es ihm nicht. Bei seinen Aufritten demonstriert er gerne, dass Tschetschenen richtige Männer sind und nicht Leute aus den Bergen. Er lotste Box-Champion Mike Tyson nach Tschetschenien und zeigte sich mit ihm unter dem Johlen der Jugend in einem Sportstadion. Zur Grundsteinlegung eines Freizeitbades in seiner Heimatstadt Gudermes lud Kadyrow den russischen TV-Star Ksenija Sobtschak ein. Die junge Dame, die sich auf Moskauer Glamour-Parties meist tief dekolletiert zeigt, trug in Tschetschenien geschlossene Kleidung.

Auch Ramsan Kadyrow zeigt sich gerne in unterschiedlichen Verkleidungen. Mal trägt er das traditionelle tschetschenische Samt-Käppchen, mal zeigt er sich im Wüsten-Dress amerikanischer Soldaten, mal im superteuren dunklen Anzug. Nur eins bleibt immer: Der Vollbart, eigentlich das Markenzeichen wahabitischer Untergrundkämpfer. Doch vielleicht ist gerade das Ramsans Erfolgsrezept. Hunderte von ehemaligen Separatisten hat er in seiner Leibgarde untergebracht. Dort tun sie jetzt gewissermaßen Buße für antirussisches Aufbegehren.

Kaukasus Russland

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