Rechtsbruch für den SkitourismusBULGARIEN

Rechtsbruch für den Skitourismus

Skiurlaub in Bulgarien gilt als Geheimtipp. Doch der rücksichtslose Bau von Hotels und Liften zerstört die Natur. Während die Politik die Bauunternehmen gewähren lässt, kämpft nun eine Protestbewegung gegen die Zerstörung. Gegen die Investoren haben es die Umweltfreunde allerdings schwer. Denn Naturschutz heißt in Bulgarien, sich mit den Mächtigen anzulegen und gegen Korruption und Vetternwirtschaft anzugehen.

Von Simone Böcker

Früher war Bansko ein kleines Dorf mit jahrhundertealter Steinhausarchitektur am Fuße des bulgarischen Pirin-Gebirges im Südwesten Bulgariens. Heute ist es als größter bulgarischer Skiort der Stolz des Landes. Außerdem aber ist das einst malerische Pirin eine gigantische Baustelle mit Hotelkomplexen und Apartmenthäusern. Was die meisten Urlauber nicht wissen: Yulen, der Konzessionär der Skianlage, hatte beim Bau gegen zahlreiche Gesetze verstoßen. Die Pisten sind mehr als doppelt so breit wie vertraglich erlaubt. Ein Teil liegt außerdem im Unesco-geschützten Nationalpark Pirin. Unzählige uralte Bäume hat Yulen dafür gefällt – in einem Gebiet, das zu den artenreichsten Naturflächen in Bulgarien gehört.

Gesetzesverstoß nachträglich legalisiert

Umweltschützer protestierten und hatten bereits erste Erfolge erzielt: 2011 gab die Regierung schließlich eine Untersuchung in Auftrag. Durch sie wurde bewiesen, dass Yulen fast die doppelte Fläche nutzt als im Vertrag vereinbart – was die Firma bestreitet. Doch statt Yulen wegen Vertragsbruchs zu kündigen, will die Regierung die illegal errichteten Skianlagen nachträglich legalisieren. Yulen soll dadurch weiterhin als Betreiber fungieren, andernfalls fürchtet Umweltministerin Nona Karadzhova eine Schließung des Skiorts und damit schwere Einbußen für den Tourismus.

„Das ist absurd!“, ärgert sich Vera Petkantchin. „Mit den richtigen Verbindungen und viel Geld kann man in Bulgarien offenbar alles erreichen.“ 2007 hatte die Umwelt-Aktivistin die Initiative „Bürger für Rila“ mit gegründet. Damals sollte ein Lift zu einem idyllischen Bergseegebiet im Rila-Gebirge gebaut werden – ohne die gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung, und tei ls sogar in Naturschutzgebieten. Die Kampagne mobilisierte tausende, vor allem junge Menschen. Auch zugunsten anderer bedrohter Orte entstanden Aktionsbündnisse.

„Es geht in erster Linie um Geldwäsche“

Naturschutz heißt in Bulgarien, sich mit den Mächtigen anzulegen und gegen Korruption und Vetternwirtschaft anzugehen. Dieser Meinung ist auch Petko Tzvetkov, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation „Bulgarian Biodiversity Foundation“ in Sofia. Er sitzt an seinem Schreibtisch in einer zum Büro umfunktionierten Wohnetage in einem Plattenbaublock. „Diese Bauprojekte haben nichts mit Tourismus zu tun“, sagt er. „Es geht in erster Linie um Geldwäsche und um das Baubusiness.“ Die meisten Investoren hätten ihre Firmen an intransparenten Offshore-Finanzplätzen angemeldet, um unerkannt zu bleiben.

Eine Beteiligung von Regierungsmitgliedern an den Geschäften schließt der Aktivist nicht aus. „Wir haben keine Beweise dafür. Aber wir sehen, dass es keinen politischen Willen gibt, die Firmen zu stoppen, die Gesetze verletzen. Einige Firmen werden immer wieder von Politikern geschützt“, so Petko Tzvetkov.

Hoffnungen auf Hilfe aus Brüssel erfüllen sich nicht

Schutzlos sind hingegen oft diejenigen, die für die Einhaltung des Rechts eintreten. Umweltorganisationen erhalten Drohungen, Demonstrationen werden oft von Bodyguards gestört, die versuchen, die Menschen einzuschüchtern. Einige Aktivisten sind auch schon zusammengeschlagen worden. Die Polizei nimmt die Vorfälle auf, doch wird in den meisten Fällen gar nicht erst mit den Ermittlungen begonnen.

Die Naturschützer setzen stattdessen ihre Hoffnung auf die europäischen Institutionen. Mit zahlreichen Petitionen bei der Europäischen Kommission versuchen sie, die bulgarischen Behörden zur Einhaltung des Rechts zu zwingen. Doch die hohen Erwartungen kann oft auch Brüssel nicht erfüllen, meint Margrete Auken, dänische EU-Abgeordnete der Grünen bei einem Besuch in Bulgarien im vergangenen Sommer: „Die europäischen Institutionen können nur aktiv werden, wenn europäisches Recht verletzt wird. Sie schreiten nicht bei inneren bulgarischen Angelegenheiten ein.“

Dass Bulgarien aus eigener Kraft gegen die Umweltverstöße vorgehen wird, kann sich Vera Petkantchin nicht vorstellen. Vera zuckt mit den Schultern. Sie fordere nicht viel von ihrem Staat, meint sie, „nur, dass die Gesetze eingehalten werden“. Von allen. „Ansonsten würde das doch bedeuten, dass Bulgarien kein Rechtsstaat ist“, sagt sie.

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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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