13.01.2023 14:10:35
Von Hartmut Wagner
Moskau – Der Vorschlag, den der russische Präsident Wladimir Putin am 14. August seinem weißrussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko im Moskauer Kreml unterbreitete, hat allenthalben für große Überraschung gesorgt. Nach den Worten Putins sollte in den nächsten eineinhalb Jahren aus der Russischen Föderation und der Republik Weißrußland ein gemeinsamer Staat konstituiert werden. Zu diesem Zweck müßten bis März 2004 zunächst in beiden Ländern ein Referendum und später gemeinsame Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Die ohnehin für 2005 geplante Währungsunion zwischen Rußland und Weißrußland, die den Rubel zur einheitlichen Währung machen wird, könnte man in diesem Fall um ein Jahr vorziehen, so der russische Präsident.
Erwartungsgemäß lehnte Lukaschenko, der von westlichen Medien den Beinamen „Europas letzter Diktator“ verpaßt bekam, das Ansinnen Putins brüsk ab. Eine Wiedervereinigung nach den Konditionen des Kremls würde schließlich das Ende des weißrussischen Staates bedeuten und damit auch das Aus für Lukaschenko als weißrussischer Präsident.
Das Aufsehen, das Putins ungewöhnlich klar umrissener Vorschlag auslöste, ist auf das bisher eher stockende Voranschreiten der russisch-weißrussischen Integrationsbemühungen zurückzuführen. Seit der formalen Gründung der russisch-weißrussischen Union 1997 durch Jelzin und Lukaschenko hat sich nur wenig in dieser Richtung getan. Ein Blick in die Geschichte aber zeigt, daß Putins Vorstoß vom vergangenen Mittwoch ganz in der Tradition der russisch-weißrussischen Beziehungen steht.
Seit den sogenannten Polnischen Teilungen der Jahre 1772, 1793 und 1795 gehörte das Territorium des heutigen Weißrußlands zum Russischen Reich. Infolge des polnisch-sowjetischen Krieges (1919-21) fiel der Großteil der weißrussischen Gebiete für kurze Zeit an Polen. Stalin eroberte diese jedoch bereits 1939 zurück und schloß sie der weißrussischen Sowjetrepublik an, einer der insgesamt 15 Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Erst seit der Unabhänigkeitserklärung ihrer Republik und der Auflösung der UdSSR 1991 verfügen die Weißrussen über einen eigenen Staat. Zwar wurde damals Weißrussisch offiziell zur Staatssprache erhoben, die Muttersprache der meisten Weißrussen ist jedoch nach wie vor Russisch. In einem Referendum sprach sich 1995 folgerichtig eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent der Weißrussen dafür aus, Russisch als zweite Landessprache anzuerkennen.
Am 22. August wird in Rußland der Tag der Staatsflagge begangen. Man erinnert sich an den historischen Augenblick des Jahres 1991, an dem die weiß-blau-rote Trikolore des einstigen russischen Zarenreiches die offizielle Staatsflagge der Russischen Föderation wurde. Um die Bedeutung der drei Farben ranken sich viele Deutungsversuche. Eine weitverbreitete Version besagt, die fast drei Jahrhunderte alte Fahne symbolisiert die Einigkeit der drei ostslawischen Völker – weiß steht für Weißrußland, blau für die Ukraine und der rote Streifen für Rußland. Also bereits die russischen Zaren hatten sich die Vereinigung Rußlands und Weißrußlands auf ihre Fahne geschrieben. Hieran knüpft Putin mit der plötzlichen Wende in seiner Politik gegenüber dem westlichen Nachbarstaat mit großem politischen Fingerspitzengefühl an.
Weißrußland im Netz:
www.osteuropa-infoseite.de/belarus.htm
www.belarusnews.de
www.minsker.de/minsk/index.htm
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