09.08.2023 13:11:56
LEBENSERWARTUNG IN OSTEUROPA
Von Tatjana Balzer
Über viele Jahrhunderte wurden Frauen nicht so alt wie Männer. Hauptgrund dafür war die hohe Sterblichkeit bei Geburten und Schwangerschaften. Erst mit dem medizinischen Fortschritt verbesserte sich die Situation für die Frauen deutlich. Heute werden sie weltweit im Durchschnitt rund 69 Jahre alt, während die Männer etwa 65 Jahre leben.
Westeuropäerinnen werden im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre älter als Westeuropäer und genießen einen um rund sieben Prozent längeren Lebensabend. In osteuropäischen Transformationsländern ist die Kluft noch größer. EU-Osteuropäerinnen überleben ihre männlichen Pendants im Durchschnitt um gut neun Jahre. Dies bedeutet wiederum zwölf Prozent mehr Lebenszeit für die Frauen.
Besonders groß ist der Abstand zwischen den Geschlechtern in Russland. Russische Frauen hatten im Jahr 2006 eine um 21 Prozent höhere Lebenserwartung als russische Männer – eine Differenz von fast 13 Jahren. Mit knapp 60 Jahren hatten die Männer des Riesenreiches die kürzeste Lebenserwartung in ganz Europa.
Wissenschaftler machen für diesen Unterschied vor allem das risikoreiche und aggressivere Verhalten der Männer verantwortlich. Sie sterben häufiger als Frauen infolge von Unfällen oder durch Gewaltverbrechen. Außerdem ernähren sich Männer – gleich in welchem Land sie leben – durchweg ungesünder. Sie trinken mehr Alkohol, rauchen öfter und erliegen als Folge häufiger stressbedingten Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems.
Noch schlechter wird die Situation vor dem Hintergrund tief greifender sozioökonomischer Umwälzungen. Dies war in den 90er Jahren insbesondere in den osteuropäischen Transformationsländern der Fall. Folgen waren Krisen und Stress sowie der Verlust des gewohnten Lebensstandards. Im Jahr 1995, mitten im Umbruch, betrug die Lebenserwartung der männlichen Bevölkerung in Russland lediglich 58 Jahre. In Städten sank sie zwischen 1990 und 1995 um sechs Jahre, in ländlichen Gegenden um knapp 4,5 Jahre (bei Frauen um 2,7 bzw. 2,6 Jahre). Die Mehrzahl der Todesfälle war damals auf äußere Ursachen (Vergiftung durch Alkohol, Unfälle, Selbsttötung und Tötung) zurückzuführen und betraf insbesondere Männer zwischen 15 und 49 Jahren.
Seit 2006 steigt die Lebenserwartung der russischen Männer langsam wieder. Sie liegt aber immer noch um mehr als drei Jahre niedriger als vor dem Zusammenbruch des Sowjetsystems. Auch heute sind Todesfälle der etwa sechs von zehn Männern mittleren Alters durch äußere Umstände verursacht.
Nur im Irak ist die Kluft bei der Lebensdauer von Männern und Frauen noch größer als zwischen Sankt Petersburg und Wladiwostok. Im Jahr 2006 betrug sie für die Frauen in dem vom Krieg und Terror erschütterten Staat 67 Jahre, für die Männer 48 Jahre. Noch im Jahr 2000 machte diese Differenz lediglich fünf Jahre aus.
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