13.01.2023 14:10:35
KAUKASUS
Von Ulrich Heyden
ie wurde in Grosny entführt und am gleichen Tag erschossen in einem Wald gefunden: die russische Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa. Nach dem Mord hatte der Leiter der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow, den Präsidenten Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, persönlich für das Verbrechen verantwortlich gemacht. Nun schlägt Moskaus Statthalter in Tschetschenien zurück. Der 32jährige Präsident hat angekündigt, er werde seine Ehre vor Gericht verteidigen. Die ermordete Menschenrechtlerin, Natalja Estemirowa, hatte sich in Tschetschenien um die steigende Zahl von Verschwundenen gekümmert und die Praxis der Sicherheitskräfte dokumentiert, die Häuser der Angehörigen von Untergrundkämpfern abzubrennen.
Die Chancen für eine erfolgreiche Klage gegen den Memorial-Leiter Orlow schätzen Menschenrechtler als gering ein. Doch dem Präsidenten von Tschetschenien, der in den 1990er Jahren noch auf der Seite der Separatisten gegen die russischen Truppen kämpfte und nun mit Moskaus Segen ein autoritäres Regime in der Kaukasusrepublik errichtet hat, geht es vor allem darum, sich in der internationalen Öffentlichkeit als Saubermann darzustellen. Dabei wird er von Kreml-Chef Medwedew unterstützt, der auf einer Pressekonferenz in München die Frage eines deutschen Journalisten nach der Schuld von Kadyrow als „primitiv“ abtat.
Ramsan Kadyrow wurde 2005 von Wladimir Putin als Ministerpräsident von Tschetschenien und 2007 als Präsident der russischen Teilrepublik eingesetzt. Tschetschenien ist heute praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Die Sicherheitskräfte von Kadyrow in der Kaukasusrepublik verfolgen alle diejenigen gnadenlos, die im Verdacht stehen, dass sie im Kontakt mit Untergrundkämpfern stehen. Den Kreml stört das offenbar nicht. Und so war es auch kein Wunder, dass Kadyrow am Wochenende Gast des traditionellen Moskauer Galopp-Rennens war, zu dem Kreml-Chef Dmitri Medwedew die Präsidenten der zentralasiatischen GUS-Staaten und dieses Jahr auch die Präsidenten von Tschetschenien, Abchasien und Südossetien eingeladen hatte. Kadyrows Rennpferd, der vierjährige Vollblüter „Bronze Cannon“, den der Präsident Tschetscheniens vom ehemaligen De-Beers-Diamanten-König Anthony Oppenheimer gekauft hatte, brachte es allerdings nur auf den vierten Platz.
Da die Menschenrechtsorganisation Memorial keine Hoffnung hat, dass der Mord an Estemirowa schnell aufgeklärt wird, entschied sich die 1987 von ehemaligen Gulag-Häftlingen und Dissidenten gegründete Menschenrechtsorganisation ihr Büro in Grosny für die nächsten Wochen zu schließen. Das Leben der 40 Memorial-Mitarbeiter in Tschetschenien sei in Gefahr, „solange hohe Beamte Menschenrechtler mit Terroristen gleichstellen und sie bedrohen“, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung von Memorial. Mit der Schließung des Büros gibt es in Tschetschenien keine Organisation mehr, welche der Außenwelt über Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasusrepublik berichtet. Dass Kreml-Chef Medwedew die Arbeit der ermordeten Natalja Estemirowa in allgemeinen Worten würdigte, sahen die Mitarbeiter von Memorial offenbar nicht als ausreichenden Schutz für ihre weitere Arbeit in Tschetschenien.
Oleg Orlow, der Vorsitzende des Rechtsschutzzentrums von Memorial, hatte unmittelbar nach dem Tod der Menschenrechtlerin erklärt, Kadyrow habe Estemirowa wie einen persönlichen Feind behandelt. Man wisse nicht, ob Kadyrow für den Mord an der Menschenrechtlerin selbst den Befehl gegeben habe, oder einer seiner Berater, „der ihm gefallen wollte“, aber als Präsident von Tschetschenien trage Kadyrow die Verantwortung für das, was in der Kaukasusrepublik passiert.
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