Truppenabzug soll im Herbst beginnenIRAK

Truppenabzug soll im Herbst beginnen

Ungeachtet aller Durchhalteparolen von US-Präsident George W. Bush werden bei den Amerikanern und ihren Helfern im Irak konkrete Pläne für den Rückzug geschmiedet. Durch die Heimkehr der amerikanischen Soldaten solle vor allem die Selbständigkeit der irakischen Sicherheitskräfte gefördert werden, sagen ranghohe US-Militärs.

Von Eberhart Wagenknecht

In den USA nimmt die Diskussion um einen Truppenabzug aus dem Irak an Schärfe zu. Auch Parteifreunde des Präsidenten fordern konkrete Pläne dafür, wann die US-Soldaten nach Hause kommen sollen. Jetzt hat einem Bericht der Financial Times Deutschland (FTD) zufolge ein ranghoher General Überlegungen zum Rückzug innerhalb der nächsten zwölf Monate bekanntgegeben. Es handle sich um General John Abizaid, den Chef des für den gesamten Nahen Osten zuständigen U.S. Central Command (CENTCOM) in Tampa im US-Bundesstaat Florida. Abizaid möchte demnach den irakischen Truppen zunehmend die Aufgabe übertragen, ihr Land zu verteidigen. Die Fähigkeiten der irakischen Soldaten verbessere sich nach seiner Einschätzung stetig.

Generalmajor Douglas Lute von Centcom, der für die Truppen-Pläne in den kommenden 12 bis 18 Monaten verantwortlich ist, ergänzte laut FTD: „Um die Abhängigkei der irakischen Truppen von der Koalition zu brechen, muß man irgendwann einmal loslassen und die Iraker vortreten lassen.“ Lute habe klargemacht, daß man „die Wahrnehmung untergraben“ müsse, „daß der Irak besetzt ist.“ Dies sei aber nur sehr schwer erreichbar, „wenn über 150.000 ausländische Soldaten, vor allem aus dem Westen, das Land besetzt halten“. Der US-General rechne mit einem deutlichen Truppenabbau innerhalb der kommenden zwölf Monate, heißt es in dem Blatt. Vorgezogene Stützpunkte und Standorte von Bataillonsgröße würden bereits an die irakischen Streitkräfte übergeben. „Im Süden des Landes wird jetzt damit angefangen“, habe Lute erklärt.

George Casey, Kommandeur der alliierten Streitkräfte im Irak, hatte vergangenen Monat bereits ähnliche Aussagen über einen Truppenabbau gemacht. Anfang des kommenden Jahres könne mit dem Rückzug begonnen werden. Das Weiße Haus spielte diese Aussagen jedoch schnell herunter. Bush erklärte, daß über die Truppenstärke für 2006 noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden sei. „Ich denke, das sind Gerüchte. Ich denke, das ist Spekulation“, sagte Bush vor zwei Wochen nach einem Treffen mit seinen Sicherheitsberatern. Er verteidigte die Präsenz seiner Soldaten. Ein sofortiger Abzug würde die demokratische Entwicklung im Irak und die USA gefährden.

Großbritannien will schon im Oktober Soldaten abziehen

Geheime Pläne zum Truppenabzug aus dem Irak sind kürzlich in London bekanntgeworden. Die britische Presseagentur PA berichtete, ein entsprechendes Papier sei der Sonntagszeitung „Mail On Sunday“ durch Verteidigungsminister John Reid zugespielt worden. Danach sollen von den bislang etwa 8.000 im Irak stationierten britischen Soldaten in absehbarer Zeit nur noch 3.000 Mann übrig bleiben.

Bereits im Oktober dieses Jahres, so geht aus den Plänen hervor, will Großbritannien zwei Provinzen den Irakern überantworten, zwei weitere von den Briten kontrollierte Regionen sollen im April 2006 dem irakischen Militär übergeben werden.. Dies würde zu Einsparungen in Höhe von umgerechnet knapp 1,5 Milliarden Euro jährlich führen. Reid sagte zu den Informationen, bei dem von der Zeitung veröffentlichten Papier handele es sich nur um eines von vielen mit möglichen Optionen. Bislang sei keine Entscheidung getroffen worden.

Auch über die amerikanischen Rückzugspläne berichtet „Mail On Sundy“ unter Berufung auf das Papier des britischen Verteidigungsministeriums. Nach diesem Dokument wollen die USA den irakischen Sicherheitskräften in der ersten Hälfte des kommenden Jahres 14 von 18 Provinzen übergeben. Die USA planten eine Reduzierung ihrer Truppen von 176.000 auf 66.000 Mann. Allerdings herrsche zwischen dem Pentagon und den US- Kommandeuren im Irak noch keine Einigkeit.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat gegenüber der Nachrichtenagentur Ansa ebenfalls einen Abzug von Truppen bestätigt. Es gebe einen festgelegten Zeitplan, der mit den Vereinten Nationen und US-Präsident Bush abgesprochen sei. Demnach würden im September die ersten 300 der insgesamt 3.000 italienischen Soldaten in die Heimat zurückkehren.

Auch in Japan und Australien gibt es Forderungen nach einem Truppenabzug

Die größte japanische Oppositionspartei DPJ will im Falle eines Sieges bei der Parlamentswahl im September die japanischen Truppen aus dem Irak abziehen. Das kündigte der Chef der DPJ, Katsuya Okada, Mitte August vor Journalisten an. Dies entspreche der Meinung der Mehrheit der Japaner.

Japan hat seit Anfang 2004 rund 600 Heeressoldaten in der südirakischen Stadt Samawa im Einsatz. Sie sollen dort beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu helfen. Das Mandat läuft noch bis zum 14. Dezember.

Auch in Australien, das neben Großbritannien und Italien zu den uneingeschränkten Befürwortern des Irakkriegs gehört, gibt es inzwischen kritische Stimmen. Der frühere australische General Peter Cosgrove, der im Juni in den Ruhestand gegangen war, erklärte im Fernsehen, bis Ende 2006 sollten die australischen Truppen aus dem Irak abgezogen werden. Die weitere Anwesenheit fremder Truppen sei einer der Hauptgründe für die dort herrschende Gewalt. Cosgrove: „Ich glaube, daß wir die Iraker so schnell ausbilden müssen, wie wir nur können, damit wir einen der wichtigsten Beweggründe der Terroristen abschaffen können, nämlich die Anwesenheit ausländischer Truppen“.

Wegen der geplanten Wahlen verstärken die USA kurzfristig noch einmal ihre Präsenz

Vor dem geplanten Referendum am 15. Oktober sollen zusätzliche Truppen aus den USA in den Irak verlegt werden. Das amerikanische Verteidigungsministerium ordnete die Entsendung von 1.500 weiteren Soldaten an. Auch vor den ersten Parlamentswahlen im Januar waren die US-Streitkräfte vorübergehend aufgestockt worden. Diesmal sollen nach Angaben des Pentagon zwei Infanterie-Bataillone die im Land befindlichen US-Truppen verstärken. Die zusätzlichen Soldaten seien vom Befehlshaber im Irak, General George Casey, angefordert worden.. Ihr Einsatz solle etwa vier Monate dauern. Washington rechnet damit, daß der irakische Widerstand seine Angriffe in den nächsten Monaten weiter verstärkt.

Nach amerikanischen Angaben kommen derzeit monatlich etwa 75 bis 150 Kämpfer aus anderen arabischen Staaten in den Irak. Sie würden „Selbstmordanschläge und andere Operationen“ ausführen, „die Iraker nicht selbst durchführen möchten”. Der Zustrom sei ungebrochen. Häufig würden diese Kämpfer auch Einheimische anwerben, um gemeinsam gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten loszuschlagen.

Irak USA

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