Undurchsichtige Besitzverhältnisse bei der Privatisierung der petrochemischen Gesellschaft „Petkim“ wühlen das Land aufTÜRKEI

Undurchsichtige Besitzverhältnisse bei der Privatisierung der petrochemischen Gesellschaft „Petkim“ wühlen das Land auf

Keine Privatisierung beschäftigte die türkische Öffentlichkeit bisher so intensiv wie die der türkischen petrochemischen Gesellschaft „Petkim“ im Juli 2007. Die Übernahme des 51-prozentigen Anteiles der Petkim für über zwei Milliarden US-Dollar durch das russisch-kasachische Konsortium „TransCentralAsia Petrochemical“ löste sowohl großes Aufsehen als auch heftige Empörung aus. Es wurde viel um die Identität der am Konsortium beteiligten Firmen spekuliert, wobei die türkischen Politiker im Wahlkampf versuchten, ein an sich rein wirtschaftliches Verfahren zu politisieren.

Von Fahri Türk

K urz vor den Parlamentswahlen am 22. Juli 2007 privatisierte die von der islamistischen AKP geführte Regierung die staatliche Petrochemische Gesellschaft (Petkim). Sie gilt als eine der strategisch wichtigsten Unternehmen der Türkei. Die am 3. April 1965 gegründete Petkim besitzt 14 Fabriken und 8 Joint-Venture-Firmen. Ihre Produktpalette umfasst 50 verschiedene Güter, die für die türkische Industrie als Rohstoffe unentbehrlich sind.

Die Petkim ist der größte Rohstoffhersteller der türkischen Industrie. Die Nachfrage der Industrie für petrochemische Erzeugnisse ist im Jahr 2006 um 15 Prozent gestiegen. Außerdem wächst der petrochemische Markt der Türkei jährlich um rund zehn Prozent. Die türkische Regierung hat bereits im Jahre 1987 beschlossen, die Petkim zu privatisieren, was allerdings bis zum Jahre 2003 nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. Obwohl die türkische Privatisierungsverwaltung die Petkim bereits im Jahr 2003 für 605 Millionen US-Dollar an die Uzan Holding verkaufte, musste sie diesen Verkauf kurz danach annullieren. Der Grund: die Uzan Holding war wegen der Übernahme ihrer Bank „Imar Bankası“ durch einen Treuhänder nicht mehr zahlungsfähig.

Das Konsortium 

Das russisch-kasachische Konsortium „TransCentralAsia Petrochemical“, das aus den Unternehmern „Troika Dialog“ (54 Prozent), „Caspi Neft JSC“ (26 Prozent) und „Eurasia Group“ (20 Prozent) besteht, zahlte für den Kauf des 51-prozentigen Anteiles der Petkim über zwei Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag wird von der kasachischen Bank Turan Alem und von der schweizerischen Bank „Credit Suisse“ gemeinsam überwiesen.

Der erste Partner des Konsortiums ist die russische Investitionsbank „Troika Dialog“. Der armenisch-stämmige russische Staatsbürger Ruben Vardanyan, der 65 Prozent dieser Investitionsbank besitzt, finanziert die armenische Diaspora. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass Vardanyan das Projekt „Armenien 2020“ durchführen will, dessen Ziel es ist, alle armenischen Gelder bei den Banken von Armenien anzulegen. Aus diesen Gründen beharrt die türkische Opposition darauf, dass man die Zusammensetzung dieses Konsortiums revidieren soll. Die Investitionsbank „Troika Dialog“ ist eine der wichtigsten Investitionsbanken Russlands. Sie gehört zur Elite der russischen Wirtschaft. Diese Bank hat 70 Aktionäre, in deren Namen sie in diesem Konsortium investiert. Das bedeutet, dass die Bank im Namen der in ihrem Portfolio befindlichen Kunden investiert, die hauptsächlich aus Kasachstan und aus den GUS-Republiken kommen.

Der zweite Partner des Konsortiums ist die Firma „Caspi Neft“, deren größter Anteilseigner der Kasache Rifat Risoev ist. Die hauptsächlich im Erdölsektor tätige Firma besitzt außerdem die metallurgische Firma „Schalkiya Zinc“ und sie sucht nach Erdöl in der Kaspischen Region. Dank der Firma „Caspi Neft“ erteilte die türkische Privatisierungsverwaltung ohne Bedenken die Genehmigung. Nach Informationen der türkischen Tageszeitung „Yeni Çağ“ gehört die Firma „Caspi Neft“ der US-amerikanischen Gesellschaft „Transmedian Exploration“ an. Diese Firma investiert im Energiesektor in Kasachstan, wobei sie in den südlichen Alibek Feldern Erdgas und Erdöl fördert.

Zwei Gesellschaften mit dem Namen „Eurasia Group“

Der dritte Partner des Konsortiums „TransCentralAsia“ ist die Gesellschaft „Eurasia  Group“, deren Chef Mukhtar Ablyazov die Aktienmehrheit kontrolliert. Er ist gleichzeitig der Vorsitzende des Aufsichtsrates der kasachischen Bank „Turan Alem“ und hatte das Amt des kasachischen Energieministers im Jahre 1998 inne. Da Ablyazov nach einiger Zeit zur Opposition gegen den Präsidenten Nursultan Nasarbajew wechselte, setzte man seiner politischen Karriere ein Ende. Er wurde sogar wegen Korruptionsverdachtes im Jahre 2002 verhaftet.

Nach Informationen türkischer Zeitungen ist auch Alexander Maskevich an der Gesellschaft „Eurasia Group“ beteiligt. Das Konsortium „TransCentralAsia“ behauptet jedoch, dass es in Kasachstan zwei Firmen mit dem Namen „Eurasia Group“ gibt, was auch von Beidid  Isabaev, dem kasachischen Botschafter in Ankara, bestätigt wird. Demnach gäbe es keine Beziehung zwischen der Firma „Eurasia Group“, die im Konsortium „Transcetralasia“ mitmacht, und der gleichnamigen Firma „Eurasia Group“, an der Alexander Mashkevich als Partner beteiligt ist.

Während des Wahlkampfes wurden die Verbindungen der Akteure immer wieder ausgeleuchtet. Mashkevich zum Beispiel ist der Chromkönig Kasachstans. Kasachstan kontrolliert 20 Prozent der Chromreserven der Welt. Mashkevich ist gleichzeitig der Vorsitzende des jüdischen Kongresses für Europa und Asien. In Belgien wurden er und zwei seiner Partner im Jahr 2002 wegen des Verdachts der Geldwäsche verhört. Maskevich und Fettah Tamince, ein türkischer Investor in Kasachstan und Freund des Präsidenten, sollen freundschaftliche Beziehungen pflegen.

Der kasachische Staat unterstützt das Konsortium „TransCentralAsia“

Laut der türkischen Tageszeitung „Milliyet“ unterhält Ablyazov außerdem gute Beziehungen zum malaysischen Ex-Finanzminister Run Daim Zeynuddin. Er gilt als einer der fünf reichsten Männer Malaysias. Seine Nichte ist mit Tan Sri Halim Saad dem Chef der malaysischen Gesellschaft „Renong“ verheiratet. Die Zusammensetzung des Konsortiums „TransCentralAsia“, das nun die Mehrheit des strategisch so wichtigen Filetstücks der türkischen Rohstoffindustrie kontrolliert, ist auch für Fachleute kaum zu durchschauen.

Der kasachische Fond für die Nachhaltige Entwicklung „Kazyna“ gab kürzlich bekannt, dass er das Konsortium tatkräftig unterstützt. Dieser Fond will an dem Konsortium teilnehmen, was die Sache noch komplizierter macht. Denn der Chef dieses Fonds, Timur Kulibaev, ist der Schwager des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Die Gesellschaft „Kazyna“ wurde im April 2006 gegründet, um Investitionen kasachischer Herkunft zu fördern und zu diversifizieren. Das Kapital dieser Gesellschaft beziffert man auf 1,8 Milliarden US-Dollar.

Das Konsortium auf der Suche nach dem türkischen Partner

Das Konsortium „TransCentralAsia“ ist auf der Suche nach einem türkischen Partner, der 49 Prozent des Konsortiums besitzen soll. Die Gerüchteküche brodelt, die Auguren versuchen sich in Deutungen. Es wird spekuliert, dass Tamince zu den neuen türkischen Partnern des Konsortiums gehören wird, mit dem der kasachische Präsident Nasarbajew diesbezüglich bereits Konsultationen aufgenommen haben soll. Tamince baute den kasachischen Friedenspalast und das Rixos Hotel in Astana und führt große Bauprojekte mit seinen israelischen Partnern in Kasachstan durch. Der israelische Partner von Tamince ist passender Weise vor allem im Energiesektor sehr engagiert. Außerdem ist er an drei weiteren Projekten im Gesamtwert von 1,5 Milliarden US-Dollar in Kasachstan beteiligt. Bevor die Bank „Turan Alem“ selbst an diesem Geschäft teilnahm, versuchte sie ebenfalls einen türkischen Partner für dieses Geschäft zu engagieren. Zu diesem Zweck führte man Gespräche über eine eventuelle Teilnahme am Konsortium mit den wichtigsten kapitalkräftigen türkischen Unternehmern wie Ülker, Anadolu, Akkök und Çalık. Die Kontakte blieben jedoch erfolglos. Der kasachische Botschafter Isabaev spricht davon aus, dass man sich z. Z. in Kasachstan darum bemüht, dieses Konsortium 100-prozentig mit kasachischen Partnern zu besetzen. Isabaev sagte, dass die Russen ihre Anteile im Konsortium an andere eventuelle Partner abtreten würden.

Kasachen investieren in der Türkei

Nach der Unabhängigkeitserklärung Kasachstans im Jahre 1991 begegnete man der Türkei als Investor in Kasachstan. Seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts fing das kasachische Kapital an, sich intensiv für die Türkei zu interessieren. Aufgrund des zehnprozentigen jährlichen Wachstums der kasachischen Wirtschaft seit 2001, begannen die Kasachen in den letzten Jahren in der Türkei zu investieren. Außer der Beteiligung am Konsortium „TransCentralAsia Petrochemical“, haben Kasachen im türkischen Bankensektor investiert. Die kasachische Turan-Alem-Bank hat im Jahr 2006 bei der türkischen Şekerbank eine 34-prozentige Beteiligung für ca.760 Millionen Euro erworben.

Darüber hinaus führen die Kasachen ein Projekt in der Westtürkei durch, das den Bau eines Hafens, eines Tourismuskomplexes und vieler Wohnungen vorsieht. Dieses Projekt wird von der Gesellschaft „Capital Partners“ realisiert. Zehn Prozent der zu verkaufenden Komponenten dieses Projektes wird für kasachische Staatsbürger reserviert. Außerdem kontrolliert die kasachische staatliche Gasgesellschaft „KazMunaiGaz“ 75 Prozent des Kempinski Hotels in Bodrum/Muğla, deren Vorsitzender Timur Kulibaev ist.

Beidid Isabaev, der kasachische Botschafter in Ankara, weist darauf hin, dass das kasachische Kapital sich zum Ziel gesetzt hat, noch mehr in der Türkei zu investieren. Wenn die Türkei noch eine weitere staatliche Gesellschaft privatisiere, würden die kasachischen Firmen an der Auktion dieser Privatisierung teilnehmen, so Isabaev. Es ist offensichtlich, dass der kasachische Präsident der Türkei im Hinblick auf die Direktinvestitionen des kasachischen Kapitals eine besondere Bedeutung beimisst. Nasarbajew versuchte in der Vergangenheit die Probleme der Firmen mit kasachisch-türkischem Kapital in seinem Land zu beseitigen. Diese Indizien sprechen dafür, dass Nasarbajew die Geschäfte der kasachischen Firmen in der Türkei tatkräftig unterstützt.

Wird das gute Investitionsklima zwischen der Türkei und Kasachstan zerstört?

Tuncay Özilhan, der Vorsitzender des Aufsichtsrates der Gesellschaft „Group Anatolia“, hält die nationalistische Kritik an diesem Konsortium für falsch. Er habe mit der Investitionsbank „Troika Dialog“ gearbeitet, als er in einer Bierfabrik bei Ufa investierte. Seiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll zu diskutieren, ob die Besitzer dieser Gesellschaften armenischer oder jüdischer Herkunft sind. Tuncay Özilhan betont, dass das Konsortium „TransCentralAsia“ ebenfalls vom kasachischen Präsidenten Nasarbajew unterstützt wird Nasarbajew schaffe immer ein gutes Arbeitsklima für die türkischen Firmen in Kasachstan, um die türkischen Investitionen zu erleichtern. Die Türken müssten darauf achten, dass der kasachische Präsident nicht böse mit der Türkei werde. Es wird in diesem Zusammenhang erneut betont, dass die kasachische Investitionen in der Türkei nicht nur auf die Petkim zu begrenzen sind.  

Kritik an der Petkim-Privatisierung durch türkische Politiker im Wahlkampf

Da der türkischen Öffentlichkeit präzise und zuverlässige Informationen über die Identität der am Konsortium beteiligten Firmen fehlten, spekulierte man am Anfang viel über die unklare Verhältnisse in diesem Konsortium. Der türkische Außenminister Abdullah Gül äußerte sich über die Vorwürfe an die Adresse seiner Regierung wegen der Privatisierung des petro-chemischen Komplexes dahingehend, dass man die Feinde der Türkei nicht dulden werde. Dabei betrachtet er die Privatisierung als sehr wichtig. Obwohl die Petkim vor einiger Zeit nicht mal 600 Millionen US-Dollar wert war, zahlte man für die Hälfte dieses Unternehmens im Juli 2007 über zwei Milliarden US-Dollar. Der Verkauf der Petkim zeige die wirtschaftliche Stärke der Türkei, so Abdullah Gül.

Die Privatisierung der Petkim wird von den Oppositionsführern sehr heftig kritisiert. Deniz Baykal, der Vorsitzende der  sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP), warf der Regierungspartei (AKP) vor, 15 Tage vor den Parlamentswahlen ein solches strategisch wichtiges Unternehmen an Ausländer verkauft zu haben. Die Nationalistische Aktionspartei (MHP) bewertet den Verkauf der Petkim an einen Armenier so, dass als ob man Patronen für den Revolver seines Feindes liefere.

Oktay Vural, der stellvertretende Vorsitzender der MHP, weist darauf hin, dass man die Petkim mit Schwarzgeld gekauft habe. Er frage sich, ob die Türkei ein Paradies für Geldwäsche sei. Die AKP arbeite mit denjenigen Leuten, die die These über die Genozide an den Armeniern unterstützten, so Vuralhan. Es gäbe keinen Feind mehr außer der AKP, die die Banken an die Griechen und die Petkim an die Juden und Armenier verkauft habe.

Jetzt kommt die Petkim-Auktion vor die Schranken des Gerichts

Die Gewerkschaft der Petkim (Petrol İş Sendikası) brachte diese Auktion vor Gericht, um sie annullieren zu lassen. Die Gewerkschaft machte in ihrem Antrag darauf aufmerksam, dass am Konsortium der armenische Geschäftsmann Ruben Vardanyan beteiligt sei. Da man ihm eine wichtige Position für die Unterstützung der armenischen Diaspora einräume, könne die Türkei einen solchen Verkauf nicht in Angriff nehmen.
 
Osman Ilter, der stellvertretende Vorsitzende der Privatisierungsverwaltung, ist der Meinung, dass die die Veräußerung der Petkim eine große Chance für die Türkei sei, weil dadurch die Rohstoffsicherheit gewährleistet werde. Die Firmen des Konsortiums seien sehr groß und zuverlässig. Dieses Konsortium fördere Erdöl und Erdgas und die am Konsortium beteiligten Firmen seien begehrte Geschäftspartner. Ilter zufolge könne und werde das Konsortium „TransCenralAsia“ eventuell sogar in der Lage sein, Erdöl durch die BTC-Pipeline in die Türkei zu leiten.

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Der Autor Dr. rer. pol. Fahri Türk ist als Dozent im Fachbereich „Politikwissenschaften“ an der Universität Trakya in Edirne/Türkei tätig.

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