Vom Imam zum GeschäftsmannBULGARIEN

Vom Imam zum Geschäftsmann

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Seit der Wende erlebt der Islam eine Renaissance in Bulgarien. Teil des Aufbruchs ist auch „Merkez“, ein Unternehmen, das Fleisch- und Wurstwaren nach muslimischen Prinzipien herstellt. Dabei darf kein Schweinefleisch verwendet werden. Das Fleisch stammt zudem aus zertifizierten Schlachthöfen, in denen Tiere durch Ausbluten und ohne vorherige Betäubung getötet werden. Weil die Firma in Bulgarien erfolgreich ist, möchte man nun auch in die EU liefern.

Von Jutta Sommerbauer

Die Produktionshalle der Firma Merkez des ehemaligen Imams Shaban Hadzhioliev in der südwestbulgarischen Kleinstadt Goce Delchev.  
Die Produktionshalle der Firma Merkez des ehemaligen Imams Shaban Hadzhioliev in der südwestbulgarischen Kleinstadt Goce Delchev.
Foto: Sommerbauer.
 

D ass Shaban Hadzhioliev einmal ein Imam war, würde man nicht annehmen. Er ist gerade mal 32 Jahre alt, fährt einen schnellen Geländewagen und trägt – natürlich - Schwarz. In Bulgarien ist das eine Art Erkennungszeichen für einen Geschäftsmann.
 
Hadzhioliev ist Geschäftsführer und Miteigentümer von „Merkez“ – Bulgariens erstem Betrieb für Wurstwaren ohne Schweinefleisch. Alle Frankfurter, Salamis und Knackwürste entsprechen dem muslimischen „Halal“-Prinzip: Das Fleisch stammt aus zertifizierten Schlachthöfen, in denen Tiere durch Ausbluten und ohne vorherige Betäubung getötet werden.

Was 1998 in Hadzhiolievs Heimatdorf Breznica begonnen hat, ist heute ein erfolgreiches mittelgroßes Unternehmen. Im September 2006 hat „Merkez“ eine 2000 Quadratmeter große Halle in der südwestbulgarischen Kleinstadt Goce Delchev bezogen und beschäftigt derzeit insgesamt 40 Personen in Produktion und Vertrieb.

Noch vor 20 Jahren wäre ein solcher Betrieb in Bulgarien undenkbar gewesen – nicht nur der sozialistischen Planwirtschaft wegen. Die Volksrepublik betrieb insbesondere seit Mitte der 80er Jahre eine aggressive Assimilierungspolitik gegenüber der muslimischen Bevölkerung: türkische Namen wurden bulgarisiert, der Besuch von Moscheen und muslimische Begräbnisrituale waren verboten. Rund der 13 Prozent der Bulgaren sind Muslime – etwa eine Million Menschen.

Religionsgemeinschaft mit eigener Wurstproduktion

Knacker, die nach dem muslimischen „Halal“-Prinzip hergestellt sind.  
Knacker, die nach dem muslimischen „Halal“-Prinzip hergestellt sind.
Foto Sommerbauer.
 

Seit der Wende erlebt ein moderater Islam eine Renaissance. „Merkez“ ist ein Teil davon. „Es brauchte ein, zwei Jahre, um die Leute zu überzeugen, dass in unseren Produkten wirklich kein Schweinefleisch enthalten ist. Heute sind wir ein Markenname“, erzählt der zweite Geschäftsführer Mehmed Kapanak. „Anfangs glaubten die Leute nicht, dass es Wurstwaren ohne Schweinefleisch geben könnte“, so Hadzhioliev, „Wir haben bewiesen, dass unsere Gemeinschaft eine eigene Nahrungsmittelindustrie haben kann.“

Hadzhioliev gehört zu jener Generation junger Geschäftsleute, deren Erfolg auf unkonventionellen Ideen beruht. Unmittelbar nach der Wende schrieb er sich in eine religiöse Schule in der nordbulgarischen Stadt Shumen ein. Ein paar Jahre später machten Kapanak und er eine Reise in die Türkei. Sie waren beeindruckt von den dortigen Halal-Waren und beschlossen, es damit in Bulgarien zu versuchen. Mit „Merkez“ habe man den hiesigen Muslimen ihre Tradition wiedergegeben, ist Hadzhioliev überzeugt. „Sogar die weniger Religiösen wissen nun: Dies sind die richtigen Produkte für sie.“

Im Umkreis von Goce Delchev sind die Halal-Waren gut vertreten. In den Dörfern leben Pomaken – bulgarisch-stämmige Muslime, „Merkez“ ist ihnen ein Begriff. Landesweit seien die Produkte in über 1000 Läden erhältlich, so Kapanak.

Die vielen Muslime in der EU sollen bald beliefert werden

Exportieren in die EU – das steht auf der Wunschliste der Geschäftsführer ganz weit oben, schließlich leben in Europa viele Muslime. Zwar entspricht der neue Betrieb EU-Standards, der Firma stehen allerdings noch veterinärmedizinische Überprüfungen bevor. In Bulgarien dürfen derzeit nur 26 Fleisch verarbeitende Betriebe ihre Waren in EU-Länder ausführen. Eventuell müssen die Würstchen von „Merkez“ auch einem geschmacklichen „Re-Design“ unterzogen werden. „Jede Gemeinschaft hat einen anderen Geschmack. Man muss die Produkte anpassen“, erklärt Kapanak.

Auch für die nur Gesundheitsbewussten haben die beiden Geschäftsmänner eine neue Geschäftsidee: diätetische Würstchen mit niedrigem Cholesteringehalt. In Europa, sagt Hadzhioliev überzeugt, gelte Rindfleisch schließlich als Delikatesse. - Das klingt schon fast wie ein perfekter Werbespruch.

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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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