Wechselbäder am Schwarzen MeerGEORGIEN – ADSCHARIEN

Wechselbäder am Schwarzen Meer

Nach dem Besuch des georgischen Präsidenten Saakaschwili in der abtrunnigen Provinz Adscharien hatte sich die Kriegsangst zunächst gelegt. Doch nun ist der Ton zwischen Tiflis und Batumi so rauh wie nie zuvor.

Von Ulrich Heyden

EM – Der Besuch von Michail Saakaschwili in Batumi, der Hauptstadt der abtrünnigen georgischen Provinz Adscharien, am 18. März übertraf alle Erwartungen. Der 36jährige Sieger der georgischen „Revolution der Rosen“ hob die gegen das abtrünnige Gebiet verhängten Wirtschaftssanktionen auf. Im Gegenzug versprach der adscharische Provinzchef, der 65jährige Aslan Abaschidse, die ordnungsgemäße Durchführung der georgischen Parlamentswahlen am 28. März und die Entwaffnung der Bürgerwehr. Die Zentralverwaltung in Tiflis sollte die Kontrolle des Zolls an der adscharisch-türkischen Grenze und im Hafen von Batumi übernehmen, ein persönlicher Vertreter Saakaschwilis, in Batumi alle strittige Fragen mit der Provinzregierung klären.

In der Endphase der Gespräche zwischen Saakaschwili und Abaschidse hatte auch der Sonderbeauftragte des Europarates, Plamen Nikolow, teilgenommen. Nach den erfolgreichen Verhandlungen um einen Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien im Jahre 1996 ist es das zweite Mal, daß ein europäischer Politiker auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zur Lösung eines militärischen Konflikts beiträgt.

Unmittelbar vor der Einigung vom 18. März roch es in Adscharien noch nach Pulverdampf. Als der georgische Präsident auf dem Landwege nach Adscharien einreisen wollte, um dort die Opposition im Parlamentswahlkampf zu unterstützen, gab Provinzfürst Abaschidse, der sich in Moskau aufhielt, Order, die Einreise zu verhindern. Zwei der vier adscharischen Schützenpanzerwagen fuhren an der Provinzgrenze auf, Polizisten gaben Warnschüsse ab. Der georgische Präsident mußte umkehren.

Rosenrevolutionär Saakaschwili ließ sich in Batumi feiern

Der zweite Versuch, die abtrünnige Provinz zu bereisen, wurde für Saakaschwili zu einem Triumphzug. Den 60 Kilometer langen Weg von der adscharisch-georgischen Grenze bis nach Batumi fuhr der georgische Präsident in seinem schwarzen Mercedes mit heruntergekurbelter Scheibe. Freundlich winkte er den Menschen zu, die sich zu Tausenden am Straßenrand versammelt hatten. Vor dem Palast von Abaschidse in Batumi nahm der Rosenrevolutionär ein Bad in der Menge. Die schwerbewaffneten Sicherheitsbeamten hatten Mühe ihn abzuschirmen.

Nur vier Tage nach der Einigung vom 18. März wurde das Kriegsbeil wieder ausgegraben. Der georgische Präsident beschuldigte Provinzchef Abaschidse, der bislang die Unterstützung Moskaus genoß, die getroffenen Vereinbarungen nicht einzuhalten, und nicht nur das. Angeblich werbe Batumi Freischärler aus Tschetschenien und der Ukraine für den Kampf gegen die Zentralverwaltung an. In Weißrußland und Rußland habe Batumi zudem versucht, Waffen zu kaufen. Moskau sei auf das Ansinnen jedoch nicht eingegangen.

Der georgische Präsident, der in den USA studierte und sein von Korruption, Armut und Separatismus gebeuteltes Land wieder auf die Beine bringen will, wies das Außenministerium an die Diplomatenpässe von Abaschidse und dessen Sohn zu annullieren. Die georgische Nationalbank begann mit der Auflösung der adscharischen Bank, über welche die Einnahmen des Hafens von Batumi fließen.

Die Beziehungen zwischen Tiflis und Batumi waren schon unter Schewardnadse gespannt. Dem neuen georgischen Präsidenten Saakaschwili wollte sich der adscharische Provinzchef erst recht nicht fügen. Als Abaschidse Oppositionelle einsperren und eine Bürgerwehr aufstellen ließ, reagierte der georgische Präsident mit der Verhängung einer Wirtschaftsblockade, die sich vor allem gegen den Hafen von Batumi richtete, über den Öl aus Aserbaidschan und Mittelasien exportiert wird.

Saakaschwili will die nationale Einheit Georgiens

Die Bewohner der autonomen Schwarzmeer-Provinz – in Adscharien leben 390.000 Menschen, überwiegend sunnitische Muslime – waren begeistert, als der georgische Präsident die Wirtschaftsblokade aufhob. Immer wieder riefen sie Mischa, Mischa (der Name des georgischen Präsidenten) und Babu, Babu (Vater, so nennt man den adscharischen Provinzfürsten). Die Menschen hatten Angst vor einem Krieg. Die Straßen von Batumi waren voll maskierter und bewaffneter Männer der adscharischen Bürgerwehr. In Hamsterkäufen versorgten sich die Einwohner mit Grundnahrungsmitteln. Nach der Einigung mit Abaschidse erklärte der georgische Präsident voller Euphorie, mit Adscharien beginne die „Wiederherstellung der nationalen Einheit Georgiens“.

Georgien ringt schon lange um staatliche Einheit. Anfang der 90er Jahre waren die von Rußland unterstützten Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien von der Zentralmacht in Tiflis abgefallen. Nach dem Machtantritt von Saakaschwili hatte auch die am Schwarzen Meer gelegene Provinz Adscharien ein zunehmendes Eigenleben geführt. Dem „weißen Fuchs“ Schewardnadse hatte Abaschidse bis zuletzt die Treue gehalten. Doch der Provinzfürst fürchtete zu Recht, daß sein kleines Reich am Schwarzen Meer – dem man nachsagt, es lebe nicht nur vom Handel mit Öl, sondern auch vom Rauschgiftschmuggel – unter Saakaschwili wieder der georgischen Regierung unterstellt würde.

Adscharien ohne Verbündete

In letzter Zeit blieben Abaschidse nur noch symbolische Hilfs-Gesten aus Moskau. Mehrmals wurde der Provinzchef, zum Teil mit den Führern der anderen abgefallenen georgischen Provinzen vom russischen Außenminister Iwanow empfangen. Der Moskauer Bürgermeister Luschkow leistete Abaschidse Anfang März im Rahmen eines Freundschaftsbesuchs seelischen Beistand. Doch der Arm des Kreml ist schwach. Einen Einsatz der in Adscharien stationierten russischen Truppen, deren Abzug schon 1999 auf dem OSZE-Gipfel vereinbart worden war, kann sich Moskau nicht erlauben.

In Adscharien befürchtet man nun, Tiflis werde eine Sondereinheit nach Batumi schicken und die adscharische Führung verhaften lassen. Saakaschwili hat bereits gedroht, wenn man in Adscharien nur einen einzigen tschetschenischen Freischärler finde, werde das für die Macht in Batumi mit einer Tragödie enden. Ob Saakaschwili den eigenwilligen Abaschidse, der immer noch Unterstützung in seinem Volk geniest, im Hauruck-Verfahren verjagen kann, ist aber zweifelhaft.

Mehr von Ulrich Heyden finden Sie hier: www.ulrich-heyden.de.

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