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HINTERGRUND
Von Andrej Janitzki | 25.01.2015
Auf der Krim leben 2,4 Millionen Menschen, und fast alle von ihnen besitzen mittlerweile zwei Pässe – einen ukrainischen und einen russischen. Einige Bewohner der Krim nahmen die russischen Pässe mit Freude. Andere nahmen die russische Staatsbürgerschaft schließlich an, weil es nicht anders ging. Viele von ihnen verstehen nicht, dass sie nicht zwei Pässe haben können, wenn der ukrainische Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Igor Kolomoiski, öffentlich erklärt, dass er sogar drei Pässe hat (Ukraine, Zypern und Israel).
Ohne russischen Pass kann man auf der Krim kaum arbeiten, Geschäfte machen, zum Arzt gehen oder lernen. Ohne russischen Pass gibt es keine Sozialleistungen und Renten. Beim Verkauf von Immobilien müsste man ohne russischen Pass gigantische Steuern bezahlen. Russland betrachtet alle Einwohner der Krim als russische Staatsbürger, egal ob sie den russischen Pass angenommen haben oder nicht.
Es ist also nicht verwunderlich, dass auch die im Grunde proukrainischen Bürger der Krim russische Pässe annehmen. Wer Schwierigkeiten nicht fürchtet, kann auch nur eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Diese Übergangslösung beseitigt nicht alle Probleme. Aber man kann sich mit einer Aufenthaltserlaubnis als ukrainischer Staatsbürger auf der Krim bewegen. Damit ist es auch möglich, legal zu arbeiten. Allerdings muss man mehr Steuern zahlen als mit einem russischen Pass.
Wie viele Anhänger der Ukraine und wie viele Anhänger Russlands es auf der Krim wirklich gibt, ist schwer zu sagen. Die letzten Umfragen vom Februar 2014 sprachen von 41 Prozent Anhängern Russlands auf der Krim.
Die offiziellen Ergebnisse des sogenannten Referendums im März 2014 kann man nicht ernst nehmen. Doch selbst aus diesen fantastischen Ergebnissen folgt, dass jeder Fünfte auf der Krim nicht für Russland gestimmt hat. Das sind etwa 480.000 Menschen – so viel wie in einer großen Stadt.
Scheinbar gibt es ohnehin nicht viele fanatische Anhänger Russlands oder der Ukraine. Die meisten Einwohner der Krim sind Konformisten, die sich mit jeder beliebigen Herrschaft abfinden können.
Die Krim-Bewohner mit unterschiedlichen Ansichten reden auch kaum miteinander. Häufig verläuft die Trennung zwischen Eltern und Kindern, manchmal auch zwischen Ehepartnern. In diesen Familien vermeidet man Gespräche über Politik.
Auf der Krim kann man auch jetzt frei ukrainisch sprechen. Formell ist Ukrainisch auch jetzt eine der Amtssprachen. Ukrainische Zeitungen gibt es auf der Krim aber nicht mehr. Sich offen für eine Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine auszusprechen oder die ukrainische Flagge zu schwenken ist auch unmöglich. Das fordert sofort Reaktionen der russischen Machthaber heraus. Fast alle proukrainischen Aktivisten haben die Krim verlassen oder wurden vertrieben.
In den sozialen Netzwerken sieht man häufig Fotos von Geschäften mit leeren Regalen auf der Krim. Ein echtes Defizit gibt es auf der Krim aber nicht. Manchmal streiten sich Lieferanten um die Aufteilung des Marktes und Geschäfte bleiben leer. Im Nachbargeschäft gibt es dann meist alles zu kaufen. Halbleere Regale sieht man übrigens auch in Kiewer Geschäften gegen Abend, vor allem bei starkem Schneefall, wenn die Lieferungen nicht rechtzeitig kommen. Das ist kein echtes Problem.
Das Warensortiment hat sich auf der Krim seit der Annexion verkleinert. Ukrainische Lebensmittel sind jetzt 20-30 Prozent teurer. Russische Waren kosten etwa zweimal so viel wie ukrainische Äquivalente. Deshalb kaufen die Krim-Einwohner weiter ukrainische Lebensmittel. Sollte es diese einmal nicht mehr geben, wechseln sie einfach zu den russischen Waren und bezahlen etwas mehr.
In Sewastopol sind die Immobilienpreise stark angestiegen und liegen jetzt fast auf Kiewer Niveau. Eine Ein-Zimmer-Wohnung zur Miete kostet umgerechnet etwa 200 Euro im Monat. Vor der Annexion waren es etwa 85 Euro. Der Quadratmeterpreis für den Verkauf ist neuerdings fast so hoch wie in einem der äußeren Stadtbezirke Kiews.
Die Nachfrage nach Wohnraum in Sewastopol stieg durch Dienstreisende aus Russland, für die der Arbeitgeber bezahlt. Außerdem kommen viele Übersiedler aus Donezk und Luhansk. Weil die russischen Medien die Krim als neues „Klondike“ darstelle, nach dem Land des Goldrauschs von 1876 in Amerika, kommen auch viele Russen auf der Suche nach einem guten Leben nach Sewastopol.
Etwa ein Drittel der Bewohner der Krim sind Rentner. Russland hat alle ukrainischen Renten automatisch verdoppelt. Seit Januar 2015 werden die Renten nach der russischen Gesetzeslage ausgezahlt. Die Rentner haben dadurch nicht weniger zu erwarten. Im Durchschnitt erhielt ein Rentner auf der Krim im vergangenen Jahr etwa 8000 Rubel im Monat. Das sind derzeit etwa 115 Euro. Die höheren Preise sind damit für die Rentner auf der Krim kein großes Problem.
Ein ähnliches Bild gibt es bei Lehrern, Ärzten und anderen Staatsangestellten. Sogar noch mehr erhalten Angehörige der Polizei, der Staatsanwaltschaft und lokale Abgeordnete.
Nur der Privatsektor hat keine Erhöhung der Einkünfte zu verzeichnen. Nimmt man das mit den bürokratischen Problemen um Staatsbürgerschaft und Neuregistrierung des eigenen Geschäfts und Warenlieferungen zusammen, ergeben sich ernste Probleme für die vielen kleinen Unternehmer auf der Krim.
Das neue Wohlergehen der Staatsbediensteten und Rentner wird mit Zuwendungen aus Moskau bezahlt, nicht mit Mitteln von der Krim selbst. Russland ist dabei, aus der Krim eine riesige Militärbasis zu machen und schert sich offenbar wenig um die wirtschaftliche Selbständigkeit der Halbinsel.
Ende Dezember 2014 beendete Kiew die Bahnverbindungen auf die Krim. Die Krim-Bewohner, vor allem auch die proukrainischen unter ihnen, haben jetzt keine Reisemöglichkeiten mehr.
Der Streit zwischen Russland und der Ukraine über Bahnlinien und Bahnhöfe entstand, weil Moskau von Kiew Mietzahlungen für die Benutzung der Infrastrukturen auf der Krim verlangte. Kiew weigerte sich, für die eigenen Bahnstrecken und Bahnhöfe Nutzungsgebühren an Russland zu entrichten und stellte den Verkehr schließlich ein.
Von der Krim kann man vom Flughafen Simferopol aus nach Russland fliegen. Es gibt auch Busverbindungen nach Russland über die Straße von Kertsch. Der Hafen in Kertsch ist für den Ansturm nicht gerüstet, und es entstehen ständig riesige Staus. Zur Sommersaison will Russland den Hafenbetrieb verbessern und ausweiten.
Auf der Krim gibt es eigenes Gas und die Trinkwasserversorgung reicht im Großen und Ganzen aus. Für die Bewässerung in der Landwirtschaft reicht das Wasser jedoch keinesfalls. Das ist wiederum ein Schlag für die Privatwirtschaft.
Seit Moskau und Kiew sich über die Stromlieferungen einig wurden, gibt es damit keine Probleme mehr. Ab und zu wird der Strom für einige Zeit abgestellt, aber das ist auch in den Regionen der Ukraine üblich.
Viele haben gehört, dass McDonald`s auf der Krim geschlossen hat. Das trifft auch auf einige Markengeschäfte zu. Alle ukrainischen Banken haben die Krim verlassen, ukrainische Zeitungen und Zeitschriften kann man nirgendwo kaufen.
Auf den Straßen der Krim gibt es dennoch überall ukrainische und internationale Marken zu kaufen. Die ukrainischen Ketten „Epizentr“ und „Novaja Linia“ sind ebenso geöffnet wie der französische Supermarkt „Auchan“ oder die deutsche „Metro“. Die Pizzeria „Celentano“ hat ebenso geöffnet wie das „Best Western“-Hotel. Nur muss man überall mit Rubel bezahlen. Kreditkarten werden nirgendwo akzeptiert.
Über Satellit sind einige ukrainische Fernsehkanäle zu empfangen. In den Kabelnetzen gibt es neben etwa 100 russischen Sendern meist auch 1-2 ukrainische. Im Kabelnetz „Tvoe TV“ der Stadt Sewastopol findet sich der ukrainische Sender „Inter“ auf dem 60. Programmplatz. Auf den ersten Plätzen sind alle Sender der russischen „Rossia“-Familie programmiert.
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