Wie geht es weiter mit der Energieversorgung der Welt – wohin entwickeln sich die Preise? Wird genug Kapital mobilisiert, um alle Ressourcen ausbeuten zu können – und für wie lange werden sie reichen? Mit diesen Fragen befassen sich wissenschaftliche Institutionen von Staaten und Energiekonzernen. Das EURASISCHE MAGAZIN hat zusammengestellt, was die Internationale Energieagentur in Paris und die Geologische Bundesanstalt in Hannover vorhersagen.
Von Johann von Arnsberg
ie weltweite Energieversorgung ist eine Frage von Krieg und Frieden. Die Welt braucht immer mehr Energie. Neue, aufstrebende Länder wie China und Indien mit ihrem ausgeprägten Energiehunger nehmen Öl und Gas, wo sie es kriegen können. Die Frage, welches Regime im Lieferland herrscht, interessiert dabei herzlich wenig. Gegenüber der Situation der Menschen in Ländern wie dem Sudan oder Nigeria bleiben Staaten und Ölkonzerne gleichgültig.
Preissteigerungen und Verteilungskämpfe sind für die Zukunft vorprogrammiert. In Europa beginnt man erst langsam zu begreifen, daß Energiepolitik immer stärker auch Außen- und Machtpolitik ist.
Die Pariser Energieagentur über Entwicklung des Energiebedarfs und der Energiepreise
Nach dem von der Internationalen Energie Agentur (IEA) in Paris als „Referenz-Szenario“ bezeichneten Ausblick wird der weltweite Energiebedarf in 25 Jahren um 50 Prozent über dem Stand des Jahres 2005 liegen. Energieressourcen seien dafür in ausreichendem Maße vorhanden. Doch daß sie auch wirklich dem Bedarf entsprechend gefördert würden, sei von hohen Investitionen abhängig. Diese schätzt die IAE bis 2030 auf 17 Billionen Dollar.
Fließen genügend Mittel, dann soll der Ölpreis, der im September 2005 erstmals 65 Dollar pro 159-Liter Faß erreichte, in den kommenden fünf Jahren wieder auf 35 Dollar sinken. Denn dann werde sich das weltweite Angebot erheblich ausweiten. Bis 2030, so die Prognosen, würde der Ölpreis dann moderat auf 39 Dollar steigen. Wenn die Produzentenländer des Nahen Ostens und Nordafrikas die erforderlichen Investitionen aber aufschieben oder nicht verkraften können, dann werde der Ölpreis 2030 bei rund 52 Dollar pro Barrel liegen, sagt die IEA voraus.
Die Beteiligung ausländischer Ölkonzerne, vor allem deren technisches Wissen und Investitionskapital sei in jenen Ländern dringend erforderlich. Die Energieagentur warnt die Ölländer davor, mit einem Verzicht auf Investitionen auf einen höheren Ölpreis zu spekulieren. Diese Rechnung gehe schon deshalb nicht auf, weil die Industrieländer wie nach den Ölkrisen der siebziger Jahre alternative Energiequellen entwickeln würden und damit als Kunden verloren gingen.
Eine deutsche Analyse
Vor gut einem Jahr ist die Untersuchung mit dem Titel „Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen“ bei der Geologischen Bundesanstalt in Hannover erschienen. Sie basiert im wesentlichen auf dem Datenstand von 2004.
Die wichtigsten Erkenntnisse daraus lauten:
- Der andauernde Aufschwung in China ist ein wesentlicher Grund für die hohen Rohstoffpreise insgesamt. Aber auch in anderen asiatischen Ländern wie Indien nimmt der Rohstoffverbrauch deutlich zu, und in den westlichen Industriestaaten tragen steigende Wachstumsraten ebenfalls zu steigenden Preisen bei. Allerdings sind die Anbieter vom Nachfrageschub auch überrascht worden. Der Bedarf kann nun nicht schnell genug gedeckt werden.
- Die Jahre 2004 und 2005 sind durch einen drastischen Anstieg der Preise für Erdöl, aber auch für andere Energierohstoffe gekennzeichnet. Im Jahr 2004 lagen die Durch-schnittspreise für Erdöl und Kohle um ca. 50 Prozent über den Preisen des Jahres 2002, bei Uran sogar um etwa 150 Prozent. Lediglich bei Erdgas fiel der Preisanstieg mit rund 32 Prozent etwas geringer aus. Manche Experten deuten diesen Preisanstieg bereits als Vorboten einer sich abzeichnenden Verknappung der Energierohstoffe.
- Als Ursachen des zurzeit extrem hohen Ölpreises, der nominal das Niveau nach den Öl-preiskrisen 1973 und 1979 deutlich übersteigt, werden unterschiedliche Interpretationen angeboten. So werden von etlichen Fachleuten zum einen Anzeichen einer nahenden Verknappung der Reserven gesehen („Peak Oil“-Diskussion), zum anderen wird dafür eine Kombination der folgenden sehr unterschiedlichen Faktoren verantwortlich gemacht:
- die weltweit steigende Nachfrage nach Erdöl – nach einigen Jahren der Stagnation – durch die anziehende Konjunktur und die stark steigende Nachfrage aus China und Indien.
- Lieferunterbrechungen durch Streiks in führenden Lieferländern (Nigeria, Venezuela, Norwegen) und Anschläge im Irak, sowie durch Unwetter (Hurrikans im Golf von Mexiko).
- geringe Lagerbestände.
- politische Instabilitäten im Nahen Osten und die Affäre um Yukos in Rußland sowie die Angst vor Terroranschlägen.
- fehlende Kapazitätsreserven in den meisten Förderländern.
- schwacher US-Dollar.
- Spekulation mit Erdöl infolge der geringen Zinsen auf den Kapitalmärkten.
- Der quantitativ beherrschende Energierohstoff ist nach wie vor die Kohle, deren Anteil an den Reserven aller nicht erneuerbaren Energierohstoffe etwa. 55 Prozent beträgt. Mit ca. 26 Prozent rangiert das Erdöl an zweiter Stelle. Das Erdgas folgt mit knapp 16 Prozent, die Kernbrennstoffe machen zusammen knapp fünf Prozent aus.
- Die dominierende Rolle der Kohle ist bei den Ressourcen mit einem Anteil von etwa 57 Prozent noch ausgeprägter als bei den Reserven. Mit nahezu 31 Prozent rangieren die Ressourcen des Erdgases an zweiter Stelle. Das Erdöl folgt mit reichlich sieben Prozent vor den Kernbrennstoffen mit etwas über vier Prozent.
- Die OPEC verfügt über fast 73 Prozent der Reserven (davon 61 Prozent in der Golf-Region), die OECD nur über knapp acht Prozent. Auf die „ sonstigen“ Länder entfallen rund 17 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen die Sonderstellung der OPEC für die künftige Versorgung mit Erdöl
- Es ist vorauszusehen, daß in absehbarer Zukunft Erdöl nicht mehr in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen wird. Deshalb ist es angesichts der langen Zeiträume, die für eine Umstellung auf dem Energiesektor erforderlich sind, bereits heute notwendig, nach Alternativen für Erdöl zu suchen
- Erdgas ist mit einem Anteil von etwa 24 Prozent am Welt-Primärenergieverbrauch hinter Erdöl und Hartkohle drittwichtigster Primärenergieträger. Dabei weist Erdgas in den letzten Jahren die größten Steigerungsraten unter den nicht erneuerbaren Energierohstoffen auf. Dieser Trend dürfte sich auch in Zukunft fortsetzen.
- Europa hat – dank der Lieferländer Rußland und Nordafrikas - Zugang zu etwa 46 Prozent des Gesamtpotentials auf dem weltweiten Erdgasmarkt. Rechnet man den Nahen Osten als potentielles Liefergebiet hinzu, ergibt sich sogar ein Anteil von fast 70 Prozent am Welt-Gesamtpotential für Erdgas
- Damit verfügt der Europäische Erdgasmarkt über eine komfortable Position im Vergleich zu anderen Märkten.
- Insgesamt nahm Kohle im Jahr 2004 mit einem Anteil von etwa 27,5 Prozent (Hartkohle 24,5 Prozent, Weichbraunkohle rund drei Prozent) am weltweiten Verbrauch von Primärenergie die zweite Stelle hinter Erdöl ein. Bei der Stromerzeugung war Kohle mit einem Anteil von 37 Prozent bereits der wichtigste Energierohstoff.
Erläuterung der Begriffe Ressourcen und Reserven:
Unter Ressourcen verstehen die Geowissenschaftler und Energiefachleute die nachgewiesenen, aber derzeit technisch und/oder wirtschaftlich nicht gewinnbaren, sowie nicht nachgewiesenen, aber geologisch möglichen, künftig gewinnbaren Mengen.an Energierohstoffen.
Als Reserven bezeichnen die Experten alle derzeit technisch und wirtschaftlich gewinnbaren Mengen an nicht erneuerbaren Energierohstoffen.
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