„Der Tag, an dem ich zur Frau wurde“GESEHEN

„Der Tag, an dem ich zur Frau wurde“

Drei Kurzfilme über das Schicksal dreier Frauen innerhalb der strengen islamischen Traditionen des Irans.

Von Hartmut Wagner

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Hoora vor ihrer Floßfahrt in den Persischen Golf.  

EM – USA, Deutschland, USA – USA, USA, USA – USA, USA, USA und noch einmal USA. Das sind die Herkunftsländer, eigentlich kann man sagen es ist das Herkunftsland der augenblicklich am häufigsten besuchten Kinofilme in Deutschland (Cinema Online, 24.05.2004). Daß es mit „Der Wixxer“ auch ein deutscher Streifen unter die ersten zehn geschafft hat, kann an der kulturellen Eintönigkeit hiesiger Kinoprogramme nicht wirklich etwas ändern. Eine Filmkritik wie diese, kann weder die Vorlieben der Kinogänger noch das Angebot der Filmproduzenten vielfältiger gestalten – leider. Immerhin kann sie aber darauf aufmerksam machen, daß auch andere Weltregionen durchaus sehenswerte Filmkunst zu bieten haben.

„Der Tag, an dem ich zur Frau wurde“ ist das, was man gemeinhin einen kleinen, mit geringem Budget gedrehten Film nennt. Eigentlich sind es sogar drei kleine Filmchen, die am Ende wie zufällig zueinander finden. Im Mittelpunkt der Episoden stehen drei Frauen unterschiedlicher Generationen: das kleine Mädchen Hava, die jung verheiratete Frau Ahoo und die Witwe Hoora. Alle drei leben sie auf der Halbinsel Kish am Persischen Golf. Die Zuschauer begleiten die drei Protagonistinnen für einen kurzen Zeitraum ihres Lebens, der ihr weiteres Leben von Grund auf verändert.

Es scheint ein heiterer Sommertag zu werden. Die Morgensonne erleuchtet sanft die türkisblauen Wellen des Persischen Golfs. Eigentlich also beste Voraussetzungen für ein rauschendes Geburtstagsfest. Hava wird nämlich an diesem Tag neun Jahre alt. Von Ausgelassenheit ist jedoch in ihrer Familie nichts zu spüren. Denn der islamischen Tradition folgend, muß sich das Mädel von nun an wie eine Frau benehmen, d.h. einen Tschador genannten schwarzen Schleier tragen und sich außerdem von Männern fernhalten.

Der letzte Fruchtlutscher

Tapfer erstreitet sich Hava eine Stunde Aufschub, um ein letztes Mal mit ihrem Freund Hassan spielen zu können. Die Abschiedsszene ist der beklemmende Höhepunkt des Filmes: Hassan darf erst zum Spielen raus, wenn er seine Schularbeiten beendet hat. Die Gitterstäbe seines Zimmerfensters trennen die zwei Spielgefährten deshalb. Und die Zeit rennt ihnen davon. Leidenschaftlich wie der aufhörwillige Raucher an seiner letzten Zigarette zieht, schlecken und schmausen die beiden darum am letzten gemeinsamen Fruchtlutscher ihrer Kindheit. Das vergitterte Fenster einfach ignorierend, wandert der Lolli hin und her, von einem Kindermund in den anderen und wieder zurück. Hektisch schmatzend, fast berauscht, hauchen sie sich dabei zuckersüße Küßchen zu.

„Steig ab, Ahoo!“, brüllt der tobende Ehemann seiner in einen schwarzen Tschador gehüllten Frau hinterher. Aber die junge Iranerin mit dem ängstlichen, gleichfalls entschlossenen Blick läßt sich nicht beirren. Sie tritt weiter in die Pedale ihres Geländerads und zieht stramm an den anderen Teilnehmern des Fahrrad-Wettrennens vorbei. Drahtesel sind für Ahoos Gatten schlicht Teufelsgefährte. Er zieht daher alle Register. Nachdem aber auch die beschwörenden Worte eines Mullahs seine Frau nicht zum Anhalten bewegen können, läßt er sich unversehens von ihr scheiden. Und Ahoo radelt weiter...

Auch Hoora steht plötzlich ohne Mann da. Abgeklärt läßt sich die alte Dame durch die Einkaufshallen von Kish chauffieren, um ihren Konsumrausch nach Herzenslust auszuleben. Kühlschrank und Bügelbrett, Schlafzimmermöbel und Elektrosamowar läßt sie sich alles zum Strand liefern. Von hier aus startet sie mit ihrer schwer bepackten Flotte aus Sperrmüllflößen zu einer skurrilen Reise hinaus aufs offene Meer...

Mit Ausnahme der Lutscherszene ist „Der Tag, an dem ich zur Frau wurde“ kein Film, den man zwingend gesehen haben muß. Ohne Zweifel sorgt er aber für einen angenehmen und anregenden Kinoabend. Und wann hat man schon einmal die Möglichkeit, dem wundervollen Klang der persischen Sprache lauschen zu können.

„Der Tag, an dem ich zur Frau wurde“

(Roozikeh zan shodam)
Iran 2000
Persisch mit deutschen Untertiteln
78 Min.
Regie: Marzieh Meshkini,
Darsteller: Fatemeh Cherag Akhar (Hava), Shabnam Toluoi (Ahoo), Azizeh Sedighi(Hoora) u.a.

Film Orient

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