Das Land entdeckt die Nutzung erneuerbarer EnergienASERBAIDSHAN

Das Land entdeckt die Nutzung erneuerbarer Energien

Noch stecken die Bemühungen um eine alternative Energieversorgung im Öl- und Gasland zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer in den Kinderschuhen. Aber es gibt ehrgeizige Ziele, die mit dem Kapital ausländischer Investoren und technologischer Hilfe – vor allem aus Deutschland – schon bald erreicht werden sollen.

Von Ellen Köhrer

Die Wirtschaft von Aserbaidschan boomt. Aufgrund der Förderung seiner Öl- und Gasvorkommen zählt das Land zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer weltweit zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im letzten Jahr um 34,5 Prozent. Neben Öl- und Erdgasvorkommen hat vor allem die Einweihung der Balkan-Tiflis-Ceyhan-Erdölpipeline zu diesem Wachstum beigetragen. Aserbaidschans Ölvorräte reichen jedoch nach Meinung von Experten höchstes für die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre. Die aserische Regierung hat diese Zeichen der Zeit erkannt und startet die ersten Initiativen zum Einsatz erneuerbarer Energien. Mit den Gewinnen aus der Förderung und dem Verkauf des landeseigenen Erdöls lassen sich die alternativen Energiequellen finanzieren.

Noch stecken die Bemühungen jedoch in den Kinderschuhen. Ende 2004 wurde die Nutzung erneuerbarer Energien zwar in einer Staatsverordnung festgeschrieben. Doch eine Gesetzgebung nach europäischen Standards mit Einspeisevergütungen, wie sie ausländische Investoren verlangen, gibt es bisher noch nicht. Dies erklärt Rafig M. Aliyev, Leiter der Wirtschaftsabteilung aus dem Industrie- und Energieministerium. Mit Unterstützung von Fördermitteln aus der Europäischen Union, der Asiatischen Kreditbank und der UNDP werden jetzt die Nutzung von Wasser- und Windenergie erforscht. Die aserbaidschanische Gesetzgebung soll an europäische Standards angepasst werden. So will man ausländische Investoren gewinnen.

Die ersten ausländischen Investoren stehen schon in den Startlöchern

Noch fehlt es an einer geeigneten Service-Infrastruktur für die Einspeisung erneuerbarer Energien in die veralteten Stromnetze, sagt Gila Altmann, Beraterin im Bakuer Umweltministerium. Die Übertragungsverluste im aserbaidschanischen Leitungsnetz betrugen laut Bundesagentur für Außenwirtschaft im Jahr 2005 über achtzehn Prozent. Durch die Sanierung bestehender Anlagen, von denen ein Drittel bereits seit dreißig bis vierzig Jahren im Einsatz ist, und den Bau von Gaskraftwerken soll die Stromversorgung verbessert werden.

Die ersten ausländischen Investoren stehen schon in den Startlöchern. Die klimatischen Bedingungen bilden gerade für Windenergie eine gute Basis. Auf der Absheron-Halbinsel, auf der auch Aserbaidschans Hauptstadt Baku liegt, herrschen im Schnitt Windgeschwindigkeiten von sieben bis acht Metern pro Sekunde. Sie werden an 280 Tagen im Jahr erreicht. Zudem könnten Offshore-Windkraftanlagen ins Kaspische Meer gebaut werden. Ähnlich, wie die Ölplattformen, die man zu Dutzenden von Bakus Uferpromenade aus sehen kann.
Der erste Windpark Aserbaidschans ist gerade in Planung. Die südkoreanische Firma KEPKO verhandelt momentan mit dem Energieministerium über Einzelheiten zum Bau einer Anlage im Garadag-Bezirk von Baku.

Windkraft könnte viele kleinere Ortschaften versorgen

Die Einspeisung der Windenergie ins Stromnetz ist noch nicht gelöst, sagt Michael Nosiadek, vom Deutsch-Aserbaidschanischen Wirtschaftsförderverein. Er kann sich jedoch vorstellen, dass sich dieses Problem mit dem Know-how deutscher Firmen in Zukunft bewerkstelligen lässt.
In dem Land von der Größe Österreichs, in dem es neben der 2,8 Millionenstadt Baku viele kleine Ortschaften gibt, wäre die Nutzung der Windkraft ideal. Gerade für die Dörfer könnten mithilfe der Windkraft unabhängige, effizient arbeitende Einheiten gebildet werden. Da kein aufwendiges und teures Stromnetz gebaut werden müsste, wäre es möglich, damit die Energiepreise langfristig stabil zu halten. Anfang des Jahres waren sie um das Dreifache angehoben worden. Durch die Alternative Wind könnten sie von den Erdöl- und Erdgas-Preisen abgekoppelt werden, meint Nosiadek.

Das Land zwischen Kleinem und Großem Kaukasus ist reich an Bergflüssen und Seen. Mithilfe von kleinen Wasserkraftanlagen wird die preisgünstige Energiequelle bereits genutzt. Nach Angaben aus dem Energieministerium laufen momentan Verhandlungen, deren Anzahl zu erhöhen.

In Aserbaidschan herrscht eine hohe Sonnenlichtintensität pro Quadratmeter. Günstige Voraussetzungen für die Nutzung von  Solarthermie und Photovoltaik-Anlagen. Noch ist die Nutzung dieser Techniken wegen der hohen Luftverschmutzung und der häufigen Sandstürme schwierig, besonders auf der Absheron-Halbinsel, wo ein Großteil der 8,1 Millionen Aseris leben. Wenn sich die Wirtschaft jedoch weiter so rasant entwickelt, könnte sich aufgrund der hohen Anzahl privater Wohnungsbesitzer ein interessanter Markt für preisgünstige Photovoltaik-Anlagen entwickeln.

Das technologische Potential deutscher Firmen nutzen

Rafig M. Aliyev möchte das technologische Potential deutscher Firmen im Bereich erneuerbaren Energien nutzen, besonders im Bereich der Windenergie. Aserbaidschanische Fachleute aus dem Energiesektor waren im Mai zu Besuch in Deutschland, um sich vor Ort ein Bild von den Anlagen für solche erneuerbaren Energien zu machen, die betreffende Gesetzgebung zu studieren sowie Investoren für geplante Projekte zu suchen.

Das Industrie- und Energieministerium ist gemeinsam mit dem Umweltministerium zuständig für Investoren, wenn es um erneuerbare Energien geht. Weitere Auskünfte und Unterstützung, um Geschäfte anzubahnen und den Markteintritt zu flankieren, gewähren die Deutsche Botschaft, die Deutsch-Aserbaidschanische Wirtschaftsförderung und die GTZ in Baku.

Michael Nosiadek ist optimistisch, dass die Nutzung erneuerbarer Energien mittelfristig erfolgreich sein wird. Er glaubt, dass sich durchaus ein interessanter Markt entwickeln kann. Wichtig für Aserbaidschans Zukunft, wenn die Ölquellen in einigen Jahren versiegen, seien die Investitionen der nächsten fünf Jahre. Dabei ginge es nicht nur darum, sich technisches Know-how aus dem Ausland einzukaufen. Genauso wichtig sei die Ausbildung von qualifizierten Fachkräften und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze im eigenen Land. „Wenn die Ölgelder gezielt eingesetzt werden, in erster Linie für die Ausbildung von jungen Leuten, kann es dieses Land durchaus zum breitenwirksamen Wohlstand bringen und den auch nachhaltig sichern. Dies dürfte eine der wichtigsten Aufgaben für die nahe Zukunft sein.“

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Ellen Köhrer ist freie Journalistin und lebt in Stuttgart. Sie hat kürzlich eine Reise nach Aserbaidschan gemacht und mit Experten aus dem Energie- und Umweltministerium gesprochen.   

Ansprechpartner:
Deutsche Botschaft Baku, Leiter: Dr. Peer Stanchina, E-Post zreg@baku.diplo.de; Netz www.baku.diplo.de.
Deutsch-Aserbaidschanischer Wirtschaftsförderverein, DAWF Geschäftsstelle: E-Post  mail@dawf.com; Netz www.dawf.com.
GTZ Koordinationsbüro-Baku, Büroleitung: Franz Heinzmann, E-Post Franz.Heinzmann@gtz.de; Netz www.gtz.de.

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