13.01.2023 14:10:35
RUSSLAND
Von Florian Willershausen
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Die Arbeiter auf der Baustelle des Wolkenkratzers genießen den besten Blick über die Stadt. Foto: Willershausen |
ein Blick könnte weit über das historische Zentrum Moskaus wandern – über den Kreml, das Weiße Haus, die sieben „Stalin-Schwestern“ oder die Christuskirche. Architekt Sergei Tchoban steht am Fenster im 35. Stockwerk des von ihm entworfenen Wolkenkratzers „Föderation“. Doch der grandiose Ausblick auf die Stadt interessiert ihn nicht. Lieber erklärt er am Plastikmodell seines Hochhauses, was er sich bei der Planung gedacht hat. Er zeigt auf die beiden linsenförmigen Türme, die auf einem Podest stehen und von einer Nadel mittig zusammengehalten werden. Auf eine zugespitzte Silhouette habe der Auftraggeber Wert gelegt, sagt Tchoban. Das Bauwerk soll von allen Winkeln der Stadt zu sehen sein. Ein 506 Meter hohes Denkmal für eine Weltmetropole, die den russischen Wiederaufstieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verkörpert. Der 45-jährige Architekt, kein Freund der großen Worte, muss zugeben: „Das ist schon ein ganz bedeutendes Bauwerk in meiner Karriere.“
Zu zweit haben sie an dem Entwurf gearbeitet. Tchoban, der Berliner Künstler und Architekt mit einem Faible für Glas und Ästhetik. Und Peter Schweger, international renommierter Hochhausarchitekt, der zuvor den Frankfurter Maintower gebaut hat. Der Wolkenkratzer „Föderation“ ist ein gigantisches Projekt: In einigen Monaten werden allein in den Büroräumen mehr als 20.000 Menschen arbeiten. Die Luxus-Wohnungen bieten rund 500 Millionären Platz. In den oberen Etagen des mit 92 Stockwerken höheren Turms soll ein Nobelhotel untergebracht werden, dazu kommen eine Aussichtsplattform und ein Fitnesscenter mit Schwimmbad.
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Die ersten Privatwohnungen im kleineren Turm werden bereits mit luxuriösem Mobiliar eingerichtet. Foto: Willershausen |
Im 35. Stockwerk gibt es bereits heute einen Vorgeschmack davon, wie die Kleinstadt mitten in Moskau von innen aussehen wird: Geschmackvolle Kunst hängt an den Wänden. Sauberer, heller Teppichboden säumt die 200 Quadratmeter große Wohnung. Weiß glänzende Ledersofas stehen im Raum, dazwischen ein Glastisch mit Getränken. Die Wohnung ist sparsam, aber stilvoll eingerichtet – und mit jeder Menge luxuriösem Mobiliar. Wohnungen im Turm wurden für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in Dollar angeboten, die meisten von ihnen sind längst verkauft. Auf der 35. Etage hat der Bauherr selbst, die Mirax-Gruppe, Quartier bezogen.
Natürlich ist der Wolkenkratzer „Föderation“ auch ein politisches Bauwerk. Vorsichtig formuliert es der in Sankt Petersburg geborene Architekt so: „Man wollte durchaus die höchsten Gebäude Europas erreichen.“ Es mag so nicht in der Ausschreibung gestanden haben, doch war klar: Die Architekten würden den Wettbewerb nur gewinnen, wenn sie die Türme als höchstes Bauwerk Europas konstruieren würden. Es habe sogar Entwürfe für ein noch größeres Hochhaus gegeben, sagt Tchoban. Dabei überragt der Moskauer Wolkenkratzer den Frankfurter Commerzbank-Turm, bislang das höchste Gebäude Europas, bereits um stolze 161Meter.
Der kleinere der beiden Doppeltürme ist nach außen bereits fertig und wird im Inneren nach und nach bezogen. Im Sommer 2008 sollen die Schlüssel übergeben werden. Am größeren Turm aber werden die Arbeiter noch bis ins Jahr 2009 bauen. Fast wöchentlich wächst die Betonhaut, die Glasfront wird dem Beton hinterher gebaut. Tchoban und Schweger wenden für die Verglasung eine neuartige Technik an, bei der die 1,70 Meter breiten Glasscheiben wie beim Playmobil-Spiel aufeinander montiert werden.
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Der kleinere der beiden Türme ist bereits fertig gestellt, am größeren wird noch bis zum Jahr 2009 gearbeitet. Foto: Willershausen. |
Einmal pro Woche fährt Sergei Tchoban zur Baustelle am Ufer der Moskwa, um den Fortschritt am Bau zu begutachten. „Bis jetzt haben wir keinerlei Verzögerungen“, sagt er, „das geht hier alles ganz flott.“ Von den Dimensionen des Baus ist er selbst begeistert. Bis sie den Architektenwettbewerb für den Föderationsturm gewonnen haben, war das größte von ihm entworfene Hochhaus eines mit 24 Stockwerken.
Tchoban glaubt, dass der Doppelturm gut ins Stadtbild passt: „Moskau war schon immer eine Metropole der Hochhäuser“, sagt er und erinnert an die sieben „Stalin-Schwestern“, die im Zuckerbäckerstil gehaltenen Bauten aus der Stalin-Zeit, die auf den Hügeln am Rande des Innenstadtrings thronen. Oder an den Palast der Sowjets, dem 415 Meter hohen Gebäude, mit dem sich – wäre er jemals fertig geworden – Lenin und Stalin ein Denkmal geschaffen hätten. In den 90er Jahren sind eine Menge moderner Hochhäuser entstanden, die sich mehr oder weniger gelungen ins Stadtbild einfügen. „In Moskau hat sich meines Wissens keiner über den Bau seines Wolkenkratzers beschwert“, sagt Tchoban – im Gegenteil: „Die Moskauer freuen sich darauf.“
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Der Autor ist Korrespondent von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.
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