13.01.2023 14:10:35
TÜRKEI
Von Sabine Küper-Büsch
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Istanbul, deutsche Eliteschule Lisesi. (Foto: Kathrin Lemke) |
chon von außen macht das Schulgebäude einen imposanten Eindruck. An der Pforte werden Besucherausweise ausgestellt. Ein türkischer Schüler erklärt in fehlerfreiem Deutsch den Weg zum Büro von Georg Michael Schopp, dem Leiter der deutschen Abteilung. „Das erste Jahr dient den Schülern hauptsächlich dem Erwerb der neuen Fremdsprache. Zusätzlich werden die Naturwissenschaften in Deutsch unterrichtet“, beginnt der aus Deutschland an den Bosporus entsandte Lehrer ein Gespräch über bilingualen Unterricht, Eliteschulen und interkulturelle Erziehung.
Momentan arbeiten 35 deutsche Lehrer und Lehrerinnen am Istanbul Lisesi und etwa genauso viele türkische. Die meisten Schüler sind türkischer Herkunft und kommen aus der bildungsorientierten Mittel- und Oberschicht. Jedes Jahr gibt es rund tausend Bewerbungen, doch nur die 180 besten Schüler schaffen es auf die Eliteschmiede. Mit dem Erwerb des Sprachdiploms oder des deutschen Abiturs wollen sie sich auf eine internationale Karriere vorbereiten. Am Istanbul Lisesi werden gezielt Spezialisten mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt ausgebildet. Nicht wenige von ihnen besetzen später verantwortungsvolle Positionen in Politik und Wirtschaft. Prominenter Absolvent des Istanbul Lisesi ist zum Beispiel der ehemalige Ministerpräsident Mesut Yilmaz.
Die Tradition der deutschen Schulen in der Türkei reicht bis zum Ende des 19.Jahrhunderts zurück. Sie entstanden damals als Folge der Arbeitsmigration deutscher und österreichischer Arbeitssuchender in das
Osmanische Reich während der Industrialisierung. Gleichzeitig war der „Orient“ Teil der wilhelminischen Expansionspolitik im östlichen Mittelmeerraum. Die „informellen“ Kolonisationsbestrebungen brachten dem osmanischen Vielvölkerstaat nicht nur deutsche Schulen und Krankenhäuser, sondern dem Kaiserreich auch profitable Aufträge, wie den Bau der Bagdad-Bahn 1903/04. Nach den politischen Wirren des Ersten und Zweiten Weltkriegs erreichte die Bildungszusammenarbeit 1957 mit dem deutsch-türkischen Bildungsabkommen wieder einen Höhepunkt. Initiiert hatte das neue Abkommen der ehemalige türkische Erziehungsminister Celal Yardimci, auch ein Absolvent des Istanbul Lisesi.
Den Auftrag der deutschen Schulen in Istanbul beschreibt Georg Michael Schopp so: „Wir wollen Türen öffnen, Herzen öffnen, Köpfe öffnen.“ Neben dem Istanbul Lisesi gibt es noch ein weiteres deutschsprachiges Gymnasium. Außerdem arbeiten 30 deutsche Lehrer an den so genannten Anadolu-Schulen im ganzen Land. Sie werden seit 1986 entsandt, um den Rückkehrerkindern die Reintegration zu erleichtern.
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Schulleiter Georg Michael Schopp (Foto: Kathrin Lemke) |
Ende Februar wurde zudem auf Anregung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier eine Initiative der Zentrale für das Auslandsschulwesen gestartet. Als Teil einer neuen, umfassenden Bildungsoffensive soll neben den 117 bestehenden deutschen Auslandsschulen und rund 439 Schulen mit deutschsprachigem Unterricht ein Netz von weiteren 1.000 Partnerschulen in der gesamten Welt aufgebaut werden. Damit sich die deutsche Sprache und Kultur in den jeweiligen nationalen Bildungssystemen etablieren kann, werden im Jahr 2008 zusätzliche 48 Millionen Euro von den Trägern der Zentralstelle zur Verfügung gestellt. Georg Michael Schopp verweist auf die Leistungen des deutschen Bildungsexports. „Die bikulturelle Arbeit nützt der Türkei und Deutschland gleichermaßen. Die Absolventen dieser Schulen sind es gewohnt, in beiden Kulturen zu leben, international und global zu denken.“
Schopp hat die Debatte über Türkisch-Unterricht in Deutschland sehr genau verfolgt. „Warum keine türkischen Lehrer oder Schulen in Deutschland?“, fragt er und verweist auf erste Ansätze in Köln. Das dortige Privatgymnasium Dialog bietet neben besonders intensivem Deutsch-Unterricht Englisch als erste, und Türkisch als zweite Fremdsprache an. An regulären Schulen fehlt dagegen ein solches Angebot.
Ein parallel laufender Türkisch- und Deutsch-Unterricht würde nach Ansicht von Schopp die Integration der Türken in Deutschland fördern, die selbst mangels Unterricht oft nur ein einfaches Türkisch sprechen könnten. Die Schüler des Istanbul Lisesi bekämen durch die bilinguale Erziehung an der Schule die Möglichkeit, sich mit einer anderen Sprache auseinanderzusetzen. Ihr Deutsch sei nach der ein Jahr dauernden Vorbereitungsklasse oft besser als das von Migrantenkindern nach Jahren im deutschen Schulsystem.
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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.
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