Die Deutschen setzen in Russland auf leichte KostVERLAGE

Die Deutschen setzen in Russland auf leichte Kost

Mit Unterhaltungs- und Freizeit-Magazinen verdienen deutsche Verleger in Russland gutes Geld. Die politische Publizistik lassen sie links liegen.

Von Ulrich Heyden

D eutsche und Russen sind schon sehr verschieden. Dass zeigt sich gerade auf dem russischen Medienmarkt: Axel Springer Russia, eine Tochter des Berliner Springer-Verlags, verkündete  Mitte Oktober das Aus für das Wochenmagazin „Russki Newsweek“ und begründete dies mit den roten Zahlen des Blattes. Der Kreml-kritische russische Milliardär Aleksandr Lebedew jedoch unterstützt weiter mit sechs Millionen Dollar im Jahr die kritische Novaya Gazeta, deren Miteigentümer er seit 2006 ist. Lebedew arbeitet zweigleisig. Sein Geld macht der Milliardär im Bank- und Immobiliensektor. Sein Engagement  für Zeitungen in Moskau und London begründet er mit seinem Eintreten für demokratische Werte und Prinzipien.

Lebedew kaufte 2009 und 2010 in London die Traditionsblätter The Evening Standard und The Independent auf. Außerdem brachte er in London Ende Oktober das Boulevardblatt „i“ auf den Markt. Das Blatt verortet sich selbst als „liberal, mitte-links“.

„Wer nichts riskiert, trinkt auch keinen Champagner“

Mit seinem Zeitungs-Engagement geht Lebedew in Russland ein politisches Risiko ein. Dem Milliardär werden zwar gute Kontakte zu Ministerpräsident Wladimir Putin nachgesagt, trotzdem gibt es im russischen Machtapparat offenbar Leute, die Lebedew als Störfaktor sehen. So wurde die ihm gehörende Nationale Reserve Bank in Moskau Anfang November von zwanzig maskierten Polizisten umstellt. Danach begannen Sicherheitsbeamte – offenbar Mitarbeiter des Geheimdienstes FSB – nach bestimmten Dokumenten zu suchen. Doch der 50jährige Lebedew gab sich gelassen. Während sich russische Unternehmer seit der Verhaftung von Michail Chodorkowski im Oktober 2003 nicht mehr zu politischen Ereignissen äußern, schwimmt Lebedew weiter gegen den Strom, treu dem russischen Sprichwort, „wer nichts riskiert, trinkt auch keinen Champagner“.

Die Entscheidung des Springer Verlages, das Wochenmagazin Russki Newsweek einzustellen, hat Spekulationen ausgelöst, das Berliner Verlagshaus habe sich den politischen Verhältnissen in Russland angepasst. Derartige Spekulationen seien falsch, erklärte Unternehmenssprecher Christan Garrels, der darauf verweist, dass das Magazin Forbes, Auflage 105.000, welches ebenfalls über Politik berichtet, weiter erscheint. Sechs Jahre lang habe man Russki Newsweek bezuschusst, meinte der Unternehmenssprecher. Nun müsse man sich schweren Herzens von dem Wochenmagazin trennen. Bei Russki Newsweek, dass sich an eine breite Leserschaft wendet, habe man große Probleme beim Einkauf von Anzeigen gehabt, meinte Garrels. Bei dem Einkauf von Anzeigen für das Monatsmagazin Forbes, was sich an besser Verdienende richtet, gäbe es dagegen keinerlei Probleme.

Doch es bleiben Fragen, denn die Verluste von Russki Newsweek waren mit geschätzten einer Million Euro nicht übermäßig hoch. Außerdem laufen die Geschäfte des Berliner Verlagshauses ausgezeichnet. Im ersten Halbjahr 2010 konnte Springer seine Einnahmen um 8,7 Prozent steigern. Das Berliner Verlagshaus hätte sich Russki Newsweek also aus Image-Gründe weiter leisten können. Mit einer Auflage von 55.000 erreichte Russki Newsweek ein gutes Ergebnis, welches sich nicht sehr von den anderen Kreml-kritischen Wochenzeitungen unterschied.

Setzte Springer vergeblich auf bunte Revolutionen?

Die Einstellung von Russki Newsweek verwundert auch, weil Springer in Russland schon viele härtere Krisen meistern musste. 2007 verlor Forbes einen Prozess gegen Jelena Baturina, die Gattin des ehemaligen Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow. Im Juli 2004 wurde direkt vor dem Moskauer Verlagshaus der Forbes-Chefredakteur Paul Klebnikov von Killern mit fünf Schüssen getötet.

Dass es in Russland nicht einfach sein wird, ein kritisches Wochenmagazin auf den Markt zu bringen, war schon bei der Gründung von Russki Newsweek, im Jahre 2004, klar. Damals sah die politische Landschaft jedoch noch anders aus. Um Russland herum rollte eine Welle von bunten Revolutionen und das weckte wohl auch im Berliner Verlagshaus Hoffnungen auf neue publizistische Möglichkeiten in Russland.

Nach der Einstellung von Russki Newsweek kann man jetzt montags an einem Moskauer Zeitungskiosk noch zwischen drei kritischen Wochenzeitungen- und Magazinen wählen, der Novaya Gazeta (Auflage 265.000), Kommersant Wlast (106.000), New Times (50.000). 

Axel Springer Russia macht, wie auch Burda und Bauer, die beiden anderen großen deutschen Verlage in Russland, sein Geld vor allem mit Titeln im Unterhaltungs- und Freizeitsektor. Springer ist in Russland mit dem Lifestyle-Magazin OK! (Auflage: 120.000), Computer Bild (91.000), Forbes (105.000) sowie den von Gruner & Jahr erworbenen Titeln Geo (70.000) und Gala Biografia vertreten.

Burda macht schon seit 1987 in Mode

Das Münchner Verlagshaus Burda ist in Moskau mit seinem Flaggschiff dem Mode-Magazin „Burda“ vertreten. Es richtet sich an Frauen, erzielt eine Auflage von 460.000 Exemplaren und erscheint in Russland bereits seit 1987. Spitzenreiter des Münchner Verlags ist „Lisa“, ein Magazin für junge Frauen, mit einer Auflage von 720.000. Das Männermagazin Playboy dümpelt da bei einer vergleichsweise bescheidenen Auflage von 140.000 Exemplaren.

Bauer, der dritte große deutsche Verlag in Moskau bedient den russischen Markt mit dem wöchentlich erscheinenden Frauenmagazin „Tajny Swjesd“ („Die Rätsel der Sterne“)  - Auflage 590.000 Exemplare, dem esoterischen Monatsmagazin „Orakul“ („Das Orakel“), Auflage 521.000 Exemplare, und der zweiwöchentlich erscheinenden Jugendzeitschrift „Bravo“, Auflage 250.000.

Geld können deutsche Verlage in Russland also verdienen, allerdings nicht im Bereich politischer Publizistik, sondern in den Bereichen Unterhaltung und Freizeit. Politische Publizistik in Russland erfordert Risikobereitschaft. Die haben Leute wie Aleksandr Lebedew. Deutsche Verleger haben diese Risikobereitschaft nicht.

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