Duma ratifiziert das Kyoto-ProtokollRUßLAND

Duma ratifiziert das Kyoto-Protokoll

Moskau hofft auf Milliardeneinnahmen beim Handel mit Emissionsquoten.

Von Ulrich Heyden

 Rußlands Energieverbrauch
 Die russischen Industriebetriebe gehören zu den energieintensivsten Unternehmen der Welt und müßten dringend nach ökologischen Gesichtspunkten modernisiert werden. Rußland verbraucht für seine Industrieproduktion drei mal mehr Energie als Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die USA.

Bis heute gibt es in russischen Wohnhäusern keine Regulierung für Heizkörper und keine Wasserzähler. Es gibt keine modernen, energiesparenden Fenster. Wie schon zu Stalins Zeiten reguliert man die Temperatur, indem man das Fenster öffnet. Nach Meinung von Experten könnten 40 Prozent der verbrauchten Energie in Rußland eingespart werden.

EM – Nachdem Kreml-Chef Wladimir Putin bereits im September grünes Licht gegeben hatte, ratifizierte die russische Duma am 22. Oktober das Kyoto-Protokoll. Für die Ratifizierung stimmten 334 Abgeordnete, 73 Parlamentarier stimmten dagegen, zwei enthielten sich. Rußland ist damit der 127. Staat, der dem Abkommen beigetreten ist. Das Ratifizierungsgesetz muß jetzt noch vom russischen Oberhaus abgesegnet und vom Kreml-Chef unterzeichnet werden.

Mit der Entscheidung Rußlands kann das Kyoto-Abkommen in Kraft treten. Das 1997 im japanischen Kyoto ausgehandelte Abkommen wird wirksam, wenn ihm 55 Länder beigetreten sind, die mindestens 55 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursachen. Auf die bisherigen Unterzeichner des Abkommens entfielen 44,2 Prozent der weltweiten Emissionen, auf Rußland entfallen 17,4 Prozent. Die USA, welche mit 35 Prozent den höchsten Anteil an den Treibhausgasen verursachen, hatten 2001 beschlossen, dem Abkommen aus wirtschaftlichen Gründen nicht beizutreten. Mit dem Kyoto-Abkommen verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten ihren Ausstoß von sechs Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 auf 94,8 Prozent des Ausstoßes von 1990 zu senken.

Einträglicher Quotenhandel

In der Duma wurde zwei Stunden lang heftig gestritten. Doch niemand zweifelte an der Ratifizierung. Die Kreml-treue Partei „Geeintes Rußland“ hat im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Und Präsident Putin hat bereits Anfang September grünes Licht für das Klimaschutzabkommen gegeben. Duma-Sprecher Boris Gryslow erklärte gegenüber Journalisten, Rußland könne nach dem Beitritt zum Kyoto-Abkommen mehrere Jahre lang mit Abgasquoten handeln. Wenn das Abkommen in Kraft tritt, dann hätten die Staaten, deren Ausstoß von Treibhausgasen über dem Niveau von 1990 liege, ein Interesse, Quoten von Staaten zu kaufen, „welche Reserven haben“. Rußland habe diese Reserven.

Wie der ehemalige russische Umweltminister Viktor Danilow-Daniljan gegenüber der Nachrichtenagentur Rufo erklärte, kann Rußland am Quotenverkauf jährlich mindestens vier Milliarden Dollar verdienen. Nach Berechnung von Regierungsexperten hat Rußland Reserven von 2.360 Tonnen nichtgenutzten Quoten für den Ausstoß von Treibhausgasen. Außerdem konnten die Moskauer Unterhändler durchsetzen, daß Rußland eine weitere Quote von 605 Millionen Tonnen für die Absorbierung von Kohlesäuregasen durch die russischen Wälder zugestanden wird.

Folgen für die russische Wirtschaft umstritten

Wie sich der Beitritt zum Klimaschutzabkommen auf die russische Wirtschaft auswirkt, ist unter Experten umstritten. Nach Meinung der russischen Regierung ist die Energieintensität der russischen Wirtschaft von 1998 bis 2003 um ein Fünftel zurückgegangen. Man geht davon aus, daß diese Dynamik bis 2012 anhält. Ganz anderer Meinung ist Andrej Illarionow, Putins Berater für Wirtschaftsfragen. Nach Meinung des Beraters müsse Rußland seinen Energieverbrauch erheblich erhöhen, wenn es das vom Kreml-Chef verkündete Ziel einer Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts bis 2010 erreichen will. Eine Zunahme von Treibhausgasen sei unvermeidlich. Die Ratifizierung des Abkommens würde die russische Wirtschaft in eine Sackgasse führen.

Die russische Regierung erklärte, das Kyoto-Protokoll würde eine energiesparende Produktionsweise fördern. Für die Zeitspanne von 2008 bis 2012 sei es möglich, die Emissionen auf das Niveau von 1990 zu drücken.

Die EU hat Rußland jahrelang gedrängt, das Abkommen zu ratifizieren. Daß Rußland seine Zustimmung gerade jetzt bekannt gibt, hängt offenbar mit außenpolitischen Überlegungen zusammen. Nach dem Terrorakt in Beslan war die Politik des Kremls, besonders seine Kaukasus-Politik, international kritisiert worden.

„Maximale Dividende“ für Moskau

Romano Prodi hatte Putin mehrmals in Telefongesprächen zu der Unterzeichnung des Abkommens gedrängt. Im Gegenzug hatte die EU Unterstützung beim russischen Beitritt zur Welthandelsorganisation versprochen. Moskau habe aus der Situation um das Klimaschutzabkommen „maximale Dividende“ ziehen können, schreibt das liberale Moskauer Blatt „Kommersant“.

Der ehemalige russische Umweltminister Viktor Danilow-Daniljan wurde etwas deutlicher, als er erklärte, er habe „keinen Zweifel“ daran, daß Umweltschutz und Klima bei der Entscheidung des Kremls „die geringste Rolle gespielt haben“. Die Führung des Landes habe „vor allem an Politik und Wirtschaft gedacht“.

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