Ein Kampf um Macht und LiebeDSCHINGIS KHAN

Ein Kampf um Macht und Liebe

Ein Kampf um Macht und Liebe

Auch wenn man die Geschichte Dschingis Khans kennt und selbst darüber geschrieben hat – in dem Augenblick, in dem er einem leibhaftig gegenübertritt, ist das Erlebnis überwältigend. Ab dem 7. August kommt er ins Kino. Pferdehufe prasseln, Rauch steigt auf am Horizont, mongolische Bogenschützen reiten durch Eurasien. Auch wenn der Streifen des russischen Meisterregisseurs Sergei Bodrov bisher noch keinen Oskar erhalten hat – man darf ihn nicht versäumen.

Von Eberhart Wagenknecht

I m Sommer des Jahres 1172 in der mongolischen Steppe: Der neunjährige Temudgin reitet mit seinem Vater, dem Stammeshäuptling Khan Esugei, zu den Merkiten. Esugei will seinen Sohn mit einer Merkitin verheiraten, um sich mit dem kriegerischen Stamm auszusöhnen – er selbst hatte seinerzeit seine Frau Oleun einem Merkiten gestohlen. Auf dem Weg machen sie Rast bei einem befreundeten Stamm, wo Temudgin Borte kennenlernt, ein zehnjähriges Mädchen, das ihm selbstsicher und vorwitzig erklärt: „Wer schlau ist, sucht sich seine Frau bei uns“ und ihn auffordert: „Du solltest dich für mich entscheiden!“

Beeindruckt und fasziniert eröffnet Temudgin seinem Vater, er wolle hier seine Braut suchen. Esugei akzeptiert schließlich den Wunsch seines Sohnes. Am nächsten Tag wählt Temudgin von allen Mädchen des Stammes Borte aus, die beiden werden einander versprochen: In fünf Jahren soll die Hochzeit sein. Zum Abschied schenkt Temudgin Borte einen Wünscheknochen, der sie an ihn erinnern soll.

Auf dem Rückweg trifft Esugeis Trupp an einer Lagerstätte auf einen verfeindeten Stamm. Nach alter Sitte tauschen die Anführer eine Schale voll Milch aus und leeren sie in einem Zug, um sich ihre friedlichen Absichten zu bestätigen. Esugei und seine Gefährten trauen dem Stamm nicht und fordern Temudgins Vater auf, erst den Diener trinken zu lassen. Doch Esugei sagt: „Wenn ich gegen die Bräuche verstoße, gerät die ganze Welt durcheinander.“ Er trinkt die Milch, und tatsächlich: Sie ist vergiftet. Beim Weiterreiten wankt Esugei plötzlich auf seinem Pferd und fällt schließlich tot auf den Boden der Steppe.

Fotos: X-Verleih AG

„Verachte nie ein schwaches Junges, es könnte ein brutaler Tiger werden.“

Während Temudgin noch um den Vater trauert, wittert Targutai, ein Krieger von Esugeis Trupp, seine Chance. Esugei hatte ihn Tage vorher schwer gedemütigt. Targutai verliert keine Zeit und stiehlt mit seinen Kumpanen die Pferde und die Schafherde des führerlosen Staames. Temudgins Mutter schwört Targutai Rache. Der Tradition nach ist Temudgin als ältester Sohn rechtmäßiger Nachfolger des Khans. Targutai will Temudgin ermorden, lässt ihn aber im letzten Moment davonkommen – er achtet den Brauch, dass Mongolen niemals ihre Kinder töten. Erst im kommenden Winter, wenn der Junge gewachsen sei, werde er ihn beseitigen, schwor Targutai.

Temudgin flieht. Im tiefsten Winter läuft er über einen zugefrorenen See und bricht ins Eis ein. Er rettet sich ganz knapp und wird völlig erschöpft von dem Jungen Jamukha aufgelesen. Die beiden schließen Blutsbrüderschaft. Doch Targutais Männer stöbern Temudgin bei Jamukhas Stamm auf und entführen ihn. Der Junge muss, an ein hölzernes Joch gefesselt, als Arbeitssklave bei Targutais Stamm bleiben. Töten kann Targutai ihn noch immer nicht, weil er nicht das Maß erreicht hat, nach dem er als erwachsen gilt.

Schließlich gelingt Temudgin die Flucht. Er erreicht den Heiligen Berg des Gottes Tengri und bittet ihn um Hilfe. Und auf wundersame Weise fällt das schwere Holzjoch von ihm ab. Nach Jahren der Flucht kehrt der erwachsene Temudgin in seine Heimat zurück. Aber wieder nimmt ihn Targutai, der inzwischen zum Khan aufgestiegen ist, gefangen. Der Kopf des Jungen wird erneut durch ein hölzernes Joch gesteckt, die Arme daran gefesselt. Targutai will Temudgin kreuzigen lassen, doch in der Nacht davor kann der Sohn Esugeis seinen Wächter überwältigen und erneut fliehen. Ein Hirte befreit den rechtmäßigen Nachfolger  des Khans, von seinem Joch und gibt ihm ein Pferd.

Temudgin macht sich auf die Suche nach Borte und findet sie bei ihrem Stamm. Während eines gemeinsamen Ausrittes tauschen sie verliebte, verstohlene Blicke aus. Sie reiten zu Temudgins Mutter. Borte übergibt ihre Mitgift. Es handelt sich um wertvolle Felle. Temudgins Mutter hängt ihr dafür silbernen Familienschmuck um den Hals und nimmt sie als würdig in die Familie auf. Temudgin und Borte haben gerade noch Zeit, sich überhaupt ein wenig kennenzulernen, als die Jurten von den Merkiten überfallen werden. Sie jagen Temudgin und Borte und verfolgen sie. Temudgin wird auf seinem Pferd von einem Pfeil verwundet. Borte treibt das Pferd mit dem bewusstlosen Temudgin fort und lässt sich gefangen nehmen, damit er entkommen kann.

Nach seiner Genesung sucht Temudgin seinen Blutsbruder Jamukha auf, der inzwischen Clanchef ist: Er fordert dessen Unterstützung, um Borte aus der Gefangenschaft der Merkiten zu befreien. Jamukha kann Temudgins Wunsch nicht nachvollziehen – „Mongolen fangen wegen einer Frau keinen Krieg an“ – sichert ihm aber als Blutsbruder seine Unterstützung zu. Nach langer Vorbereitungszeit ziehen sie los. Doch die Männer geraten in einen Hinterhalt der stets in Masken angreifenden Merkiten. Es kommt zu einer blutigen Schlacht, bei der Temudgin Jamukhas Leben rettet.

„Man kann nicht die Köpfe zweier Widder in einem Topf kochen“

Temudgin reißt einem der Toten Merkiten die Maske vom Gesicht und setzt sie sich selbst auf. So gelangt er zunächst unbehelligt in das nahe Dorf der Merkiten und findet dort die schwangere Borte. Er rettet sie. Mit den Worten „Das ist mein Sohn!“ erkennt Temudgin er auch das Kind als seines an. Temudgin, Jamukha und ihre Männer feiern den erzielten Triumph, doch Borte hat Bedenken: „Man kann nicht die Köpfe zweier Widder in einem Topf kochen“ – Temudgin und und sein Freund und Blutsbruder Jamukha können nicht auf Dauer gemeinsam regieren. Borte und Temudgin verlassen das Lager heimlich mit ihren Gefährten und zusammen mit zweien von Jamukhas Leuten, die sich ihnen anschließen wollten.

Jamukha setzt ihnen nach, es kommt zur Konfrontation, doch lässt sich Jamukha beschwichtigen. Sein Bruder Taichar dagegen versucht aus Rache Temudgins Pferde zu stehlen; bei der Verfolgung töten Temudgins Männer Taichar. Aus den Blutsbrüdern Temudgin und Jamukha sind nun Todfeinde geworden. Jamukha sucht die Unterstützung von Targutai. Zusammen sind sie zahlenmäßig den Männern Temudgins weit überlegen.

Versklavt im Jahr der schwarzen Ratte

Temudgin beschließt, in die Berge zu fliehen, weil er dort eine bessere Verteidigungsposition hat. Er verschanzt sich und lässt die Frauen und Kinder in Sicherheit bringen. Borte übergibt Temudgin den Wünscheknochen, den sie einst von ihm bekommen hatte, als Talisman. Schließlich beginnt die Schlacht. Am Ende des mörderischen Gemetzels wird Temudgin von einer Übermacht umzingelt und gefangen genommen. Der triumphierende Jamukha hält für Temudgin eine noch größere Strafe als den Tod bereit: Er verkauft ihn als Sklave.

Im Jahr der schwarzen Ratte kauft der Militärgouverneur des benachbarten Königreichs Targut den Mongolen als Sklaven. Sein Berater, ein Mönch, warnt ihn eindringlich. Er hält Temudgin für eine tödliche Gefahr. Höhnisch fragt der Gouverneur Temudgin: „Mongole, hast du vor, mein Königreich zu vernichten?“ Und da der stolze Temudgin ihm nicht antwortet, denkt er sich eine Spezialbehandlung für seinen neuen Sklaven aus: Temudgin wird wie ein gefangenes Raubtier in einem Käfig ausgestellt als „Der Mongole, der das Königreich Targut zerstören wollte“.

„Was die Zukunft bringt, das weißt du selbst, großer Khan Temudgin.“

Eines Tages kommt der Mönch zu Temudgins Käfig und bittet ihn darum, sein Kloster zu verschonen, wenn er einst frei und mächtig sein wird. Temudgin übergibt ihm den Talisman von Borte, er soll sie ausfindig machen und ihr als Lebenszeichen von Temudgin den Wünscheknochen übergeben. Der alte Mönch macht sich, allein und zu Fuß, auf den weiten Weg zu Temudgins Familie. Doch seine Kräfte verlassen ihn und er stirbt kurz vor dem Ziel. In diesem Moment erwacht Borte aus dem Schlaf, bricht auf und findet den toten Mönch – und den Talisman. Borte schließt sich zusammen mit ihrem Sohn einer Karawane an. Sie liefert sich dabei dem Karawanenführer als Beute aus – es ist der einzige Wert, mit dem sie die Aufnahme und das Geleit bezahlen kann. So gelangt sie nach Targut. Von ihrem Herrn elegant eingekleidet und mit etwas Geld ausgestattet besticht sie Temudgins Wachen und befreit ihren Mann. Endlich sind Temudgin und Borte wieder vereint.

Ausgelassen tollt Temudgin mit seinem Sohn herum. Borte hütet die kleinere Tochter die inzwischen geboren wurde. Borte erzählt Temudgin, dass die Zeiten sich geändert haben: Die mongolischen Stämme bekämpfen einander schlimmer denn je und verschonen auch Kinder nicht mehr. „Ich weiß, was dem Volk der Mongolen fehlt“, sagt Temudgin und reitet davon – zum Heiligen Berg des Gottes Tengri. Dem Gott erzählt Temudgin seine Vision: „Das mongolische Volk braucht Gesetze. Und ich werde dafür sorgen, dass sie sich daran halten, selbst wenn ich die Hälfte von ihnen dafür töten muss.“

1196, im Jahr des roten Drachen, tritt Temudgin, inzwischen ein mächtiger Heerführer, zur entscheidenden Schlacht um die Vorherrschaft bei den Mongolen an – gegen Jamukha. Mit der ersten Angriffswelle richtet Jamukhas Reiterei schlimme Verheerungen unter Temudgins Männern an, doch Temudgins Bogenschützen gelingt es, Jamukhas erste Division vollständig zu vernichten. Schließlich prallen beide Heere direkt aufeinander, und wieder ist der Gott Tengri auf Temudgins Seite: Der Himmel verdunkelt sich, und es gibt ein Gewitter – Donner ist das Zeichen, dass Tengri zornig ist.

Alle Mongolen suchen Schutz vor dem Zorn des Gottes bis auf Temudgin, der als gottgleiche Erscheinung auf seinem Pferd über dem Chaos steht. Jamukhas Männer ergeben sich. Der gefangene Jamukha wird in seine Jurte gebracht, doch Temudgin lässt ihn nicht töten, sondern schickt ihn fort ins Exil.

Nach der Schlacht verabschiedet sich Temudgin von Borte und seinen Kindern mit den Worten: „Das, was ich begonnen habe, muss ich nun auch zu Ende bringen.“ Bevor er aufbricht, bittet Temudgin einen weisen alten Mann, ihm seine Zukunft vorherzusagen, doch der erwidert nur: „Was die Zukunft bringt, das weißt du selbst, großer Khan Temudgin.“

Temudgins Reiter vernichten das Königreich Targut und töten dessen Herrscher, der ihn im Käfig ausgestellt hatte. Das Kloster, in dem der hilfreiche Mönch gelebt hatte, der zu seiner Frau Borte aufgebrochen war, um Hilfe zu holen, verschonen sie. 1206, im Jahr des roten Tigers ist Temudgin Dschingis Khan, der Khan aller Mongolen, und schickt sich an, Eurasien zu erobern.

*

Das Drehbuch zu DER MONGOLE zeichnet zwar das Leben und den machtvollen Aufstieg eines der mächtigsten Herrscher nach, die es  jemals gegeben hat. Aber es ist auch eine herzzerreißende Liebesgeschichte. Die  Romanze zwischen Temudgin und seiner ersten Frau Borte wird möglicherweise den Blick des  Publikums auf Dschingis Khan so verändern, wie es beim Drehbuchautor und Regisseur Sergei Bodrov der Fall war. Bodrov: „Es ist eine ganz  unglaubliche und auch wenig bekannte Geschichte. Ein neunjähriger Junge wählt seine Braut, und auch wenn er es noch nicht ahnen kann, wird das sein Leben für immer verändern“. Der große Mongolenherrscher Dschingis Khan hatte später Hunderte von Frauen, aber Borte blieb sein ganzes Leben lang die wichtigste von allen. Der russische Meisterregisseur Bodrov, der das Leben des Khans intensiv studiert hat, beschreibt das Verhältnis so: „Sie war nicht nur seine Frau, er suchte auch ihren Rat bei allen wichtigen  Entscheidungen, die er zu treffen hatte. Es war wie eine moderne Beziehung, eine richtige Partnerschaft. Das kommt ja selbst heute nicht allzu häufig vor, und damals war es einfach noch nie da  gewesen.“ 

Erstklassige Besetzung

Um die richtige Besetzung für DER MONGOLE zu finden, wurden Darsteller rund um den Globus gecastet: In der Mongolei, in Kasachstan, in Kirgisistan, Japan und China, in Los Angeles und in den  russischen Republiken Tatarstan, Tuwa, Jakutien, Baschkortostan und Burjatien, sowie in den Regionen Wolga, Ural und Sibirien.

Als erwachsenen Temudgin besetzte Bodrov den vielfach ausgezeichneten japanischen Schauspieler Tadanobu Asano. Als einer der größten Stars des japanischen Independent-Kinos ist Asano auch dem  europäischen Publikum bekannt. Vor allem durch seine Rollen in Takeshi Kitanos Samurai-Film „Zatoichi – der blinde Samurai“ und in Pen-Ek Ratanaruangs „Das Leben nach dem Tod in Bangkok“, für den  Asano beim Filmfestival von Venedig 2003 mit dem Darstellerpreis geehrt wurde.

In der Mongolei fanden Bodrov und seine Castingdirektorin Omarova den unbekannten Odnyam Odsuren, der den jungen Temudgin spielt.  „Ein unglaublicher Junge“, wie der erfahrene Regisseur rasch erkannte. Tatsächlich fasziniert der Mongolenjunge auch das Publikum in aller Welt. Dafür sind nicht zuletzt seine Körpersprache mit ihren herrischen Gesten verantwortlich und der Blick, in dem nicht selten Hochmut aufblitzt, die den späteren Herrscher bereits leibhaftig erahnen lässt.

Die Suche nach der richtigen Borte jedoch gestaltete sich schwieriger. Bodrov wollte unbedingt eine  Mongolin für diese Rolle, doch selbst zwei Wochen vor Drehbeginn konnte er sich noch zu keiner  endgültigen Entscheidung durchringen. Seine Castingdirektorin reiste noch einmal in die Mongolei, und wenige Tage später fand sie dann doch noch das richtige Mädchen auch für diese Rolle in der mongolischen Steppe.

DER MONGOLE war als Kandidat für Kasachstan als „Bester fremdsprachiger Film“ für den Oscar 2008 nominiert.

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