Flüchtlinge aus Syrien. Hintergründe der drei FluchtwellenFLÜCHTLINGE

Fluchtwellen in und aus Syrien: Gründe, Verläufe und Auswirkungen

Flüchtlinge aus Syrien. Hintergründe der drei Fluchtwellen

Der andauernde Bürgerkrieg in Syrien hat eine humanitäre und politische Krise ausgelöst, deren Auswirkungen sowohl in der Region als auch in anderen Teilen der Welt – vor allem in Europa – zu spüren sind. Aufgrund des Konfliktes befinden sich etwa 60 Prozent der syrischen Bevölkerung auf der Flucht. In den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten sind über fünf Millionen Flüchtlinge registriert. Innerhalb von Syrien sind laut dem United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) etwa 8,7 Millionen Binnenflüchtlinge auf der Flucht, die von der Weltgemeinschaft jedoch weniger wahrgenommen werden, als die Menschen, die über die Landesgrenzen hinaus geflohen sind. Es gibt drei verschiedene Wellen einer Flucht. Hier werden sie erstmals untersucht.

Von Kenan Engin | 21.08.2016

Durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen wird in Europa sehr kontrovers über Bekämpfung von Fluchtursachen, Fluchtwege und die Folgen der Flucht diskutiert. Mittlerweile werden diese Begriffe so inflationär verwendet, dass fraglich ist, ob sie tatsächlich helfen, Gründe und Verlauf der Fluchtbewegungen zu erfassen, und Lösungsansätze zu entwickeln. Aus diesem Grund wird hier der Versuch unternommen, die Flucht innerhalb von und aus Syrien systematisch zu analysieren, um einen Überblick über den Gesamtprozess zu erhalten.

Für diese Untersuchung werden die Fluchtbewegungen in und aus Syrien in drei Phasen unterteilt:

Im Folgenden werden diese drei Phasen analysiert, um ihre Unterscheide, Gemeinsamkeiten, Auswirkungen und Verläufe differenziert herauszuarbeiten. Zu beachten ist, dass die drei Fluchtwellen nicht so klar voneinander getrennt verliefen, wie sie im Folgenden aus analytischen Gründen behandelt werden. Vielmehr gingen sie ineinander über, und politische und wirtschaftliche Verläufe überlagerten sich.

Die erste Welle der Flucht: die Binnenflucht

Die ersten Aufstände in Syrien begannen im Zuge des Arabischen Frühlings im März 2011. Die Demonstrationen, die zunächst auf soziale und politische Gerechtigkeit und Gleichheit ausgerichtet waren, wandelten sich schnell zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Regimetruppen und den Demonstranten. Denn die Regierung Assads weigerte sich, sich auf die Forderungen der Aufständischen einzulassen und mögliche Reformen einzuleiten. Im Gegenteil, die Demonstranten wurden als Fundamentalisten bzw. Sympathisanten von terroristischen Organisationen wie Al-Qaida (später IS) eingestuft und vom Regime militärisch bekämpft. Dies verschärfte die Lage und polarisierte die Gesellschaft, wodurch sich der Konflikt in die Städte ausbreitete.

Die ersten  Auseinandersetzungen fanden in den Städten wie Dara´a, Idleb, Homs und Hama im Süden des Landes statt. Im Norden spielte sich der Konflikt hauptsächlich in der Region von Aleppo ab, während es in anderen Städten wie in Damaskus, Hasakah oder Qamishli zunächst nur vereinzelt Demonstrationen und Anschläge gab.

In dieser politischen Konstellation begann die erste Welle der Flucht. Die Gründe waren repressives Vorgehen der Regierung gegen die Demonstranten, der häufig wechselnde Frontverlauf, die Zersplitterung des Landes, der erschwerte Zugang zu bestimmten Regionen, unsichere Regionen und Städte, Luft- und Artillerieangriffe der Regierung, Güterknappheit sowie die sich durch den Konflikt verschlechternden Bildung-, Gesundheits-, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten. Laut dem Architektenteam "Render for Homs“, das von den United Nations Habitat für den Aufbau der Stadt Homs beauftragt wurde, wurden beispielsweise über 90 Prozent der Stadt Homs zerstört (UN Habitat 2014). Dazu kamen Zwangsevakuierungen von Seiten der Regierung und später auch durch oppositionelle Gruppen.

Zunächst waren hauptsächlich Sunniten im Süden des Landes auf der Flucht, da sie die Bevölkerungsgruppe waren, die lange unter der Herrschaft Assads gelitten hatte. Im Zuge des Arabischen Frühlings sahen sie die Gelegenheit, die Herrschaft Assads zu beenden. Dementsprechend wurden vor allem sie zum Ziel der Angriffe des Regimes. Durch die Eskalation des Konfliktes waren nach und nach auch Kurden, Christen, Alawiten, Turkmenen, Drusen und Jesiden betroffen, wurden kontinuierlich Zielscheibe der islamistisch-fundamentalistischen Angriffe und mussten ihre Wohnorte verlassen und fliehen. Auch mehr als die Hälfte der 517.000 in Syrien lebenden Palästinenser wurden Binnenflüchtlinge, da sie seit Beginn des Krieges von allen Kriegsparteien unter Druck gesetzt wurden, sich für eine der Seiten zu entscheiden, so das Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) im Jahr 2014.

Vom Beginn des Konfliktes im März 2011 bis August 2012 wurde die Zahl der Binnenvertriebenen vom Syrischen Arabischen Halbmond auf 1.5 Millionen geschätzt. Ende 2013 waren laut IDMC 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge in Syrien auf der Flucht. Die Zahl stieg im März 2016 auf bis zu 8,7 Millionen laut dem UNHCR (UNHCR 2016). Damit war über die Hälfte der syrischen Bevölkerung im eigenen Land auf der Flucht.

Flucht in die Sicherheitszonen

Die Fluchtbewegungen waren zunächst in den sunnitischen Gebieten zu beobachten. Inzwischen betreffen sie praktisch alle Teile des Landes. Die Menschen flohen aus ländlichen Gebieten in urbane Regionen und umgekehrt.

Anfänglich flohen Zivilisten aus den Städten wie Dara´a, Idleb, Homs sowie Hama in Richtung jordanische und libanesische Grenze, aber auch in Großstädte wie Damaskus und Latakia. Das Ziel der Geflüchteten waren meistens nicht allzu weit entfernte, sichere Regionen. Dort hofften sie, vorübergehend bleiben und arbeiten zu können. Der überwiegende Teil der Binnenflüchtlinge ging davon aus, dass der Konflikt in absehbarer Zeit enden würde, und sie in ihre Heimat zurückkehren könnten. Deswegen blieben sie in der Umgebung von Konfliktregionen.

Eine andere Fluchtroute führte in die kurdischen Gebiete. Da das kurdische Gebiet im Vergleich zu den anderen Regionen sicherer und ruhiger war, flohen die Menschen aus angrenzenden Regionen wie Aleppo oder ar-Raqqa in die kurdischen Gebiete in Nordsyrien. Vor allem flohen Angehörige von Minderheiten wie Kurden, Christen, Jesiden oder Assyrer, die sich durch die Eskalation des Konfliktes von allen Seiten bedroht fühlten, in diese Regionen. Alawiten und Druzen, die sich außerhalb von Assads Herrschaftsregion wie Qusayr befanden, flohen entweder in die Richtung Region Damaskus oder in andere kleine Städte wie z.B. Tartus in den von Assads kontrollierten Gebieten, um der Bedrohung durch die Islamisten zu entkommen. Ferner waren manche Orte nur zunächst Ziele von Geflüchteten, später mussten die Menschen aufgrund des wechselnden Frontverlaufs erneut von dort fliehen. Dies gilt zum Beispiel für ar-Raqqa oder Deir-Ez-Zor im Osten Syriens.

Folgen der Binnenflucht

International wurde die humanitäre Lage in Städten wie Homs, Dar´a oder Hama und die daraus resultierende Binnenflucht mit großer Besorgnis verfolgt. Der Giftgasangriff von Ghuta am 21. August 2013 war ein dramatischer Höhepunkt, auf den eine Ausweitung der Binnenflucht folgte. Bei diesem Giftgasangriff, für den Assads Regierung verantwortlich gemacht wurde, kamen Hunderte von Menschen ums Leben (Gladstone/Chiversept 2013). Seit Oktober 2011 lagen dem UN-Sicherheitsrat mehrere Resolutionsentwürfe vor, welche die syrische Regierung für Kriegsverbrechen verantwortlich machten. Aufgrund der Vetos von Russland und China wurde jedoch keine der Resolutionen verabschiedet. Verabschiedet wurden hingegen Resolutionen, die Besorgnis ausdrückten, die Kriegsparteien dazu aufriefen, den zivilen Charakter von Flüchtlingscamps anzuerkennen und Hilfe für Binnenflüchtlinge befürworteten. Jedoch hatte keine dieser Resolutionen erkennbare Auswirkungen auf die Kriegsparteien.

Da die Infrastruktur, die ohnehin schwach entwickelt war, durch den Krieg in weiten Teilen zerstört wurde, zogen viele Menschen in die großen Städte wie Damaskus und Aleppo. Dort blieb ihnen nur die Wahl zwischen schlecht bezahlter Schwarzarbeit oder die Abhängigkeit von Hilfsorganisationen.

Arbeitslosigkeit und Inflation stiegen rasant. Die syrische Lira verlor in den Jahren 2012 bis 2016 über 90 Prozent ihres Wertes. In den meisten Teilen Syriens ist Elektrizität nur zwei bis vier Stunden am Tag verfügbar und in vielen Regionen herrscht Wasserknappheit (UNO-Flüchtlingshilfe 2015). Mittlerweile lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut. Über zehn Millionen Menschen sind auf die Hilfe von UN und NGOs angewiesen, da der syrische Staat nur in seinem Herrschaftsgebiet staatliche Leistungen gewährt, und nur wenige  Hilfsorganisationen durch staatliche syrische Behörden in die vom Konflikt betroffenen Städte zugelassen werden. Erlaubt werden bisher Hilfsmaßnahmen vor allem für von der Regierung kontrollierte Gebiete, während sie für von der Opposition gehaltene Regionen wie Dar´a, Idlip, Homs oder Hama eingeschränkt werden. In den Regionen unter der Kontrolle vom IS, Ahrar al-Sham oder Al-Nusra wurden internationale Helfer sogar angegriffen, so dass eine humanitäre Hilfeleistung dort laut Amnesty International nicht möglich war.

Die zweite Welle der Flucht: Flucht in die Nachbarländer

Laut UNHCR flohen bis Juli 2012 mehr als 110.000 Syrer in die Nachbarländer Libanon, Irak, Jordanien und Türkei. Im Jahr 2013 stieg die Flüchtlingszahl rasant und erreichte Millionen. Es stellt sich hier die Frage, weshalb die Flüchtlinge erst nach zwei Jahren Bürgerkrieg ihr eigenes Land verließen und in die Nachbarländer flohen. Im Folgenden werden Gründe und Verlauf der Fluchtbewegungen anhand von vier Hauptfaktoren erläutert.

Erstens die machtpolitische Konstellation

Im Jahr 2012 verlor das Regime Assads die Kontrolle über zwei Drittel des Staatsgebietes. Diese Gebiete, die vorwiegend im Norden, Süden und Osten lagen, wurden nun von Rebellengruppen gehalten. Die U.S. Defense Intelligence Agency (DIA) schätzt, dass es etwa 1200 verschiedene Rebellengruppen in Syrien gibt. Ihre Stärke variiere von zehn bis zu einigen Tausend Kämpfern. Diese Gruppen sind völlig instabil und als Folge von militärischen und politischen Entwicklungen und des Einflusses ihrer externen Unterstützer in ständiger Bewegung. Sie bilden Allianzen, zerfallen, zerstreiten sich, schließen sich zusammen und formieren sich neu. Dabei sind vier Hauptakteure erkennbar, die aufgrund ihrer Stärke den Gesamtprozess weitaus dominieren. Die Partei der Demokratischen Einheit (Partiya Yekitiya Demokrat, PYD) kontrolliert weite Teile des Nordens, die Freie Syrische Armee (FSA) ein großes Gebiet um die Stadt Idlib,  der sogenannte Islamische Staat konsolidiert sich im Süden des Landes, und das Regime hält einen schmalen Streifen wichtiger Städte im Westen und das Alawitengebirge im Nordwesten. Hinzu kommen Rebellengruppen wie Al-Nusra und Ahrar al-Scham, die über mehrere Tausend Kämpfer verfügen und einige Kleinstädte und Dörfer in der Region Aleppo unter ihr Kontrolle gebracht haben.

Die Eskalation des Konfliktes und die Teilung des Landes unter den oben angeführten Gruppen führten dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Zugang zu öffentlichen und nicht-öffentlichen Ressourcen mehr hatte.

Die Konfessionalisierung des syrischen Konflikts

Die sunnitisch-schiitischen Konfliktlinien wurden durch die gezielten Angriffe und die Propaganda der radikalen islamistischen Organisationen wie dem IS oder Al-Nusra verschärft. Die bisher zusammenlebenden Bevölkerungsgruppen wie Sunniten, Schiiten, Alawiten, Druzen und Jesiden wurden von den Islamisten gegeneinander ausgespielt und instrumentalisiert, wodurch diese ihre Machbasis in der hauptsächlich sunnitischen Bevölkerung stabilisieren wollten. Dadurch verfestigte sich die Wahrnehmung eines sunnitischen Aufstands (unterstützt von den sunnitischen Golfmonarchien und der Türkei) gegen ein alawitisches Regime und seine schiitischen Bündnispartner (Iran, Hisbollah und die schiitisch dominierte irakische Regierung). So wurden die Grundlagen der religiösen Koexistenz zerstört. Beispielsweise gab es vor dem Ausbruch des Krieges etwa 2,5 Millionen Christen in Syrien, von denen heute mindestens ein Fünftel nicht mehr in Syrien lebt. Auch Alawiten in Nordwestsyrien und Jesiden im Nordostsyrien waren Ziel von Islamisten, weshalb sie ihre Wohnorte verlassen mussten. Allein eine halbe Million Jesiden flohen vor dem IS aus dem Irak und Syrien in die Türkei (UNHCR 2014). Ferner entstanden in der Bevölkerung kaum überbrückbare Feindbilder entlang von ethnischen, ideologischen und religiösen Gründen. Die Basis eines friedlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft und das Vertrauen in die Regierung können somit als zerstört angesehen werden.

Einmischung äußerer Akteure

Der syrische Krieg wandelte sich durch die Einmischung verschiedener Großmächte ab Mitte 2013 allmählich zu einem internationalen Krieg. Dabei spielten die Macht- und Wirtschaftsinteressen von drei Allianzen eine bedeutende Rolle: der russisch-chinesischen Allianz, die vom Iran unterstützt wird, der USA und ihrer Verbündeten und einer Allianz aus der Türkei, Saudi Arabien und Katar.

Während Russland und China durch ihre Politik im UN-Sicherheitsrat und durch Waffenlieferungen die Regierung Assads stützen, und der Iran Assad militärisch zur Seite steht, zielten die USA und ihre Verbündeten zunächst auf die Entmachtung von Assads. Die dritte Allianz aus der Türkei, Katar und Saudi-Arabien unterstütze Organisationen wie den IS, Al-Nusra oder Ahrar al-Sham, um vor allem eine sunnitische Regierung in Syrien zur Macht zu befördern. Zwischen diesen drei Gruppierungen besteht ein Konfrontationskurs, bei dem es nicht mehr um die Interessen der Syrer geht. Dies zeigte sich bei den Friedensgesprächen in Genf (2012), Wien (2015) und Riad (2016), bei denen sich die Großmächte gegenseitig blockierten und einen möglichen Ausweg aus dem Konflikt verhinderten. Diese Entwicklungen waren ein Signal für die Menschen, die sich noch innerhalb Syriens auf der Flucht befanden, dass der Konflikt in naher Zukunft nicht lösbar sein würde. Somit war für viele Menschen die Rückkehr in ihre Heimatorte keine Option mehr.

Die Verschlechterung der Situation kann anhand der Opferzahlen beobachtet werden. Während bis Juni 2012 im Durchschnitt etwa 2.500 Menschen pro Monat ums Leben kamen, waren es von Mitte 2012 bis April 2014 8.000 Menschen pro Monat. In der Folge stieg die Zahl der in die Nachbarländer fliehenden Menschen so stark an, dass sie im Jahr 2013 durchschnittlich mehr als 100.000 Flüchtlinge pro Monat erreichte (UNHCR 2016).

Zerstörung staatlicher Strukturen

Durch den Krieg verschlechterten sich die staatlichen Versorgungsstrukturen. Die Einrichtungen des Gesundheitswesens, pharmazeutische Fabriken und die öffentliche Gesundheitsinfrastruktur wurden Großteils zerstört. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren 2014 bereits über 50 Prozent der Krankenhäuser und über 90 Prozent der Krankenwagen zerstört. Mehr als 460 Mitarbeiter im Gesundheitswesen waren getötet worden, und mehr als 50 Prozent der Ärzte hatte das Land verlassen. In Aleppo, einer Stadt mit mehr als drei Millionen Einwohnern, gab es 2014 nur noch 300 Ärzte, darunter lediglich 16 Chirurgen und drei Orthopäden.

Das syrische Bildungswesen ist ebenfalls stark betroffen – der Bürgerkrieg hat die schulischen Strukturen des Landes um Jahrzehnte zurückgeworfen. Über 6.000 Schulen wurden zerstört oder sind nicht mehr funktionsfähig, da sie als Notunterkünfte dienen oder von Soldaten genutzt werden. Während des Schuljahres 2014/2015 meldeten sich 51 Prozent der syrischen Kinder nicht an einer Schule an. In den vom Krieg am stärksten betroffenen Orten, etwa Aleppo, waren es bis zu 74 Prozent. Im September 2015 konnten schätzungsweise 2,7 Millionen syrische Kinder keine Schule besuchen. Laut UNHCR flohen bis Mitte 2015 mehr als 50.000 Lehrer ins Ausland. Somit ist die massive Verschlechterung des syrischen Bildungssystems ein weiterer Grund für die Flucht  in die Nachbarländer.

Ende 2014 hatte die syrische Wirtschaft ihre wichtigsten Säulen verloren: wirtschaftliche Sicherheit, Zugriff auf Ressourcen und Kontrolle von Territorium. Die Folge waren Zahlungs- und Handelsdefizite, steigende Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit, hohe Inflation 213 Prozent im Jahr 2013, geringe Investitionen und Massenarbeitslosigkeit. Die gesamtwirtschaftliche Verluste beliefen sich laut dem Syrian Centre for Policy Research (SCPR) bis Ende 2014 auf 202,6 Milliarden US-Dollar. Die Arbeitslosenquote stieg von 14,9 Prozent im Jahr 2011 auf 57,7 Prozent im Jahr 2014. Insgesamt gab es 3.720.000 Arbeitslose, von denen 2.960.000 ihren Arbeitsplatz während des Konflikts verloren hatten. Dadurch brach nicht nur ihre Existenzgrundlage weg, die Arbeitslosen konnten auch ihre Angehörigen nicht mehr ausreichend versorgen. Somit waren weitere mehr als zwölf Millionen Menschen indirekt von der Arbeitslosigkeit betroffen.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Hauptgründe der Flucht in die Nachbarländer in der exzessiven Gewalt des Assad Regimes liegen, im verschärften Konflikt entlang ethnoreligiöser Linien, der Einmischung äußerer Akteure, der sich drastisch verschlechterten Versorgungslage und dem Zerfall der staatlichen Strukturen.

Von 2012 bis Mitte 2016 (Stand Juli 2016) flohen 4,8 Millionen Menschen in die Nachbarländer. Davon flohen 2,73 Millionen in die Türkei, 657.000 nach Jordanien, 1,04 Millionen in den Libanon und 250.000 in den Irak (UNHCR 2016).

Die dritte Welle: die Flucht nach Europa

Etwa drei Jahre nach Kriegsbeginn begann eine neue Welle der Migration aus den Nachbarländern, wo sich die syrischen Flüchtlinge einige Jahre aufgehalten hatten, in Richtung Europa. Dabei spielten neben den schon ausgeführten Faktoren weitere Gründe eine Rolle, die im Folgenden in vier Bereichen erklärt werden.

Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit

Die Menschen, die aus Syrien in die Nachbarländer fliehen mussten, hatten zunächst die Hoffnung, wieder zurückkehren zu können. Allerdings mussten sie im Laufe der Jahre feststellen, dass keine Verbesserung der Lage in Syrien in Sicht ist. Die Expansion des IS konnte zwar gestoppt aber seinen Einflussbereich und seine Macht nicht zurückgedrängt werden. Der IS konnte im Gegenteil seine Kontrolle über ein großes Gebiet in Syrien und dem Irak konsolidieren. Ferner erwiesen sich die Friedensgespräche in Genf, Wien und Riad als erfolglos. Die Entmachtung von Assad stand ab 2014 nicht mehr zur Debatte, was unter den Menschen, die vor dem Regime geflohen waren, große Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung hervorrief.

Ein großer Teil der Flüchtlinge in den Nachbarländern hielt sich in der Nähe der Grenzen zu Syrien auf, wo sie Kontakt mit ihren in Syrien verbliebenen Familienmitgliedern und Freunden hielten und über die Grenze hinweg ein Auge auf ihre Häuser und Felder haben wollten. Diese Kontakte nahmen jedoch immer weiter ab, weil viele der noch verbliebenen Angehörigen vertrieben oder getötet wurden. Da zudem ihre Häuser und Felder zerstört wurden, gab es für die Geflüchtete schließlich keinen Anreiz mehr für eine Rückkehr nach Syrien. Hatten sie in den ersten Jahren noch auf eine Rückkehr in ein Post-Assad-Syrien gehofft, so herrscht heute – nach bis zu vier Jahren Exil – weitgehend Perspektivlosigkeit. Aus diesem Grund begannen die Menschen weiterzureisen: Richtung Europa.

Steigende Armut und fehlende Arbeitsmöglichkeiten

Im Libanon
Die Flüchtlinge stellen eine enorme Belastung für die aufnehmenden libanesischen Kommunen dar. Eine Studie der UN und der Weltbank von 2013 berechnete die Kosten, die der Libanon bis Ende 2014 zu tragen hatte, auf über fünf Milliarden US-Dollar (UN/Weltbank 2013). Im Jahr 2014 sprach Gawaher Atif, Landesdirektorin der Weltbank, von 30 bis 37 Millionen US-Dollar pro Monat, die nötig seien, um die Krise zu bewältigen. Zwar stellte z.B. die EU-Kommission bis 2015 dem Libanon Hilfsgelder in  Höhe  von  552,1 Millionen Euro zur Verfügung. Doch konnte aber insgesamt die Weltgemeinschaft lediglich etwa 57 Prozent der benötigten Mittel bisher für den Libanon zur Verfügung stellen. Mit der bisher bewilligten Hilfe der internationalen Gemeinschaft versucht der Libanon zwar die sozio-ökonomische Situation der Gemeinden, die Flüchtlinge aufgenommen haben, zu verbessern. Doch durch die zunehmende Zahl der Flüchtlinge sind die Kosten für Strom, Wasser und Müllentsorgung so stark gestiegen, dass die Lage nicht mehr beherrschbar ist.

Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten lebten im Jahr 2015 70 Prozent der in den Libanon geflüchteten Syrer unter der Armutsgrenze (Amnesty International 2016). Dafür gibt es noch weitere Ursachen: Erstens hat etwa die Hälfte der Flüchtlinge keinen Aufenthaltsstatus, lebt von Krediten und ist zum Teil hoch verschuldet, denn mitgebrachte Ersparnisse sind längst verbraucht. Zweitens haben nur 20 Prozent dieser Flüchtlinge ein reguläres Beschäftigungsverhältnis. Seit kurzem müssen Flüchtlinge für die Verlängerung ihres Aufenthaltsstatus sogar eine Vereinbarung unterschreiben, mit der sie sich verpflichten, nicht zu arbeiten. Drittens haben etwa 30 Prozent der Flüchtlinge eine körperliche bzw. seelische Behinderung, so dass sie auf die fremde Hilfe angewiesen sind und keiner Arbeit nachgehen können.

In Jordanien
Jordanien ist ein kleines Land und arm an Ressourcen, insbesondere herrscht Wasserknappheit. Die hohe Zahl von Flüchtlingen stellt eine enorme Belastung für die Versorgungsinfrastruktur der Kommunen dar, und das Land ist nicht in der Lage, die Flüchtlinge ausreichend zu versorgen. Etwa 86 Prozent der syrischen Flüchtlinge leben unterhalb der Armutsgrenze von 3,2 US-Dollar pro Tag, 10 Prozent sogar in extremer Armut (UNHCR 2015). Wie im Libanon haben etwa 30 Prozent der Flüchtlinge eine körperliche oder seelische Behinderung, sodass sie auf fremde Hilfe angewiesen sind. Eine Arbeitserlaubnis bekommen die Flüchtlinge nur in Ausnahmefällen, und wenn, dann dürfen sie nur in bestimmten Bereichen arbeiten. Die Ausgrenzung vom regulären Arbeitsmarkt führt dazu, dass viele illegal für niedrigen Lohn arbeiten. In der Folge stiegen in den letzten Jahren die Kinderarbeit und die Zwangsverheiratung von jungen Mädchen rasant. So beschäftigt etwa im Flüchtlingslager Zaatari ein großer Teil der 680 kleinen Geschäfte hauptsächlich Kinder. Die Hälfte aller Flüchtlingshaushalte Jordaniens sind teilweise oder völlig auf Kinderarbeit angewiesen (UNHCR 2013).

Seit 2011 bekommt Jordanien erhebliche finanzielle und technische Unterstützung über bilaterale und multilaterale Kanäle. Deutschland hat zum Beispiel von 2012 bis 2015 über 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wovon 240 Millionen allein für die Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgesehen waren. Zudem unterstützt eine Vielzahl internationaler Hilfsorganisationen wie UN-Organisationen, WHO oder HelpAge International die Flüchtlingsversorgung in Jordanien. Trotz alledem reichen die Hilfen nicht für die Bewältigung der Herausforderungen, weshalb viele Flüchtlinge aus Jordanien eine weitere Flucht nach Europa erwägen (BMZ 2015).

In der Türkei
Während die Türkei bis 2012 lediglich 100.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen hatte, waren es 2014 bereits 1,4 Millionen und 2016 gut 2,73 Millionen.  Nur 15 Prozent, etwa 260.000, wohnen in den Flüchtlingscamps entlang der Grenze zu Syrien in den Städten Hatay, Gaziantep, Kilis, Malatya, Mardin, Kahramanmaras, Adiyaman, Adana, und Urfa. Die meisten leben hingegen über das gesamte Land verteilt, da viele Flüchtlinge nicht in den Lagern bleiben, sondern versuchen, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Schätzungsweise leben allein in Istanbul 400.000 Syrer und weitere 220.000 in der Grenzstadt Gaziantep. Da sie außerhalb der offiziellen Lager keine staatliche Hilfe bekommen, mieten sie sich entweder kleine Wohnungen oder hausen als Obdachlose in Parks und auf der Straße. In Großstädten wie Istanbul und Izmir prägen sie als Straßenverkäufer oder Bettler das Stadtbild. Seit Januar 2016 ist eine neue Regelung zur Arbeitserlaubnis von vorübergehend Schutzberechtigten in Kraft. Diese Regelung ermöglicht den beim türkischen Directorate of General of Migration Management (DGMM) registrierten Syrer sich für eine Arbeitserlaubnis zu bewerben. Sie haben damit Zugang zu Arbeitsbewilligungen, unterliegen aber zeitlichen und räumlichen Einschränkungen bei der Antragstellung. Ferner bestehen auch Einschränkungen bezüglich der erlaubten Beschäftigungssektoren.

Nach Schätzungen des türkischen Arbeitgeberverbands TISK (Türkiye İşveren Sendikaları Konfederasyonu) arbeiten mindestens 300.000 Syrer in der Türkei, doch nur 6.000 bis 7.000 von ihnen arbeiten legal. Auch viele Kinder sind von illegaler Arbeit betroffen. Außerdem werden Flüchtlinge, die eine Arbeit finden, oftmals ausgebeutet. Löhne liegen weit unter dem Existenzminimum, informelle Beschäftigung, damit einhergehende Rechtlosigkeit und fehlende Versicherung sind weit verbreitet. Hinzu kommen zahlreiche, nicht angemessen bezahlte Überstunden und Gehaltskürzungen im Krankheitsfall.

Im Irak
Im Juli 2016 waren im Irak 250.000 syrische Flüchtlinge vom UNHCR registriert, von denen die meisten in den Flüchtlingslagern in den Städten wie Duhok, Erbil und Sulaimaniyya in der irakischen Autonomen Region Kurdistan (KRG) untergebracht sind. Da im Gegensatz zu den anderen Nachbarländern Syriens mehr Flüchtlinge in Auffanglagern leben, etwa 40 Prozent, sind diese bereits überfüllt. Die restlichen 60 Prozent verteilen sich auf verschiedene Orte. Sie wohnen zum Teil unter prekären Bedingungen, etwa in Rohbauten, Gebäuden ohne sanitäre Anlagen und ähnlichem. Die UN geht daher von einer erhöhten Schutzbedürftigkeit aus. Es gibt nur wenige Arbeitsplätze und soziale Einrichtungen sind überlastet. Eine Studie der Weltbank aus dem Jahr 2015 prognostizierte, dass die KRG weitere 1.4 Milliarden US-Dollar benötigen wird, um die syrischen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen zu versorgen, die mittlerweile einen Anteil von mehr als 28 Prozent der Bevölkerung in den Kurdengebieten stellen. Bisher konnten jedoch nur 42 Prozent der benötigten finanziellen Hilfe bereitgestellt werden (UNHCR 2016)

Eingeschränkter Zugang zu Bildung

Da das syrische Bildungssystem durch den Krieg stark beeinträchtigt wurde, kommen viele geflüchtete, syrische Kinder in den Nachbarländern mit deutlichen schulischen Defiziten an. Auch in ihrer kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung liegen sie aufgrund von Unterrichtsausfall und erlittenen Traumata hinter ihren Altersgenossen zurück. Hinzu kommen rechtliche und soziale Einschränkungen sowie Barrieren in den Nachbarländern.
Mitte 2015 lag die Einschulungsrate von Flüchtlingskindern im Libanon bei 20 Prozent und in der Türkei bei etwa 30 Prozent. In der Türkei besuchten laut Human Rights Watch (HRW) im Schuljahr 2014/15 nur 212.000 von 708.000 schulpflichtigen syrischen Kindern eine Schule. Zwar wurde die Integration der syrischen Flüchtlingskinder ins türkische Schulsystem im September 2014 beschlossen, doch in der Praxis scheitert der Schulbesuch oft daran, dass den Flüchtlingsfamilien das Geld für Schulgebühren oder die Verkehrsmittel für die Anfahrt zu den Schulen fehlen. Hinzu kommen mangelnde Türkischkenntnisse, unzureichende Regelungen zur Schulpflicht und eine Überlastung des Bildungssystems in allen Aufnahmeländen aufgrund der hohen Zahl von Flüchtlingskindern. Schließlich mangelt es an genügend, zur Unterrichtung traumatisierter Kinder geeignetem, Lehrpersonal an Schulmaterial sowie an auf die Bedürfnisse der Flüchtlingskinder abgestimmte Lehrpläne.

Trotz der Initiativen vom UNHCR besuchten im Libanon nur 200.000 von 417.000 registrierten Flüchtlingskindern im Alter von drei bis vierzehn (Stand Oktober 2015) eine Schule (UNHCR 2015). In Jordanien waren im Schuljahr 2013/14  nur 120.555 von 220.022 Flüchtlingskindern an Schulen registriert. Der überwiegende Teil der Kinder, die keinen Zugang zu Bildung hat, arbeitet. Mädchen unter achtzehn, die heiraten um ihre Versorgung sicherzustellen, machen etwa 25 Prozent der syrischen Flüchtlingsmädchen in Jordanien aus. Viele brechen dann die Schule ab: im Jahr 2014 91 Prozent der Mädchen im Alter zwischen vierzehn und achtzehn. Eine so frühe Verheiratung führt nicht selten zu psychischen Problemen oder sexuellem Traumata.

Weitere Probleme gibt es bei der Anerkennung der vorherigen Schulleistungen, dem Aufenthaltsstatus der Flüchtlingskinder und Transportmöglichkeiten. Beispielsweise sind die Flüchtlinge im Libanon hauptsächlich in ländlichen Gebieten wie der Bekaa-Ebene untergebracht, wo sie keine oder nur eingeschränkte Transportmöglichkeiten zur Schule haben.

Ein anderes Problem ist die weit verbreitete Diskriminierung und Gewalt gegen syrische Flüchtlingskinder innerhalb und außerhalb der Schule. Laut einer Studie des UNHCR aus dem Jahr 2013 beklagten sich viele Flüchtlingsfamilien darüber, dass die einheimische Eltern versuchten, ihre Kinder von syrischen Kindern fernzuhalten, da sie sie für schmutzig und Träger von ansteckenden Infektionskrankheiten hielten. Würde ich streichen. Durch diese Diskriminierung, verbale und nonverbale Gewalt, sind viele syrische Eltern eingeschüchtert und scheuen davor zurück, ihre Kinder zur Schule zu schicken (UNHCR  2013).

Schließlich erschweren finanzielle Engpässe der Nachbarländer den Unterricht der Flüchtlingskinder. Laut der UN konnten trotz internationaler Hilfsprogramme lediglich 28 Prozent des Finanzierungsbedarfs der Bildungsprogramme gedeckt werden.  Der Libanon hob zwar die Schulgebühren und Materialkosten für Flüchtlingskinder bis zur neunten Klasse im öffentlichen Schulsystem auf. Dies reicht jedoch nicht, um Probleme wie überfüllte Klassen oder Lehrermangel auszugleichen.

Unterfinanzierte Hilfsprogramme

Laut einer Studie von Help Age International und Handicap International aus dem Jahr 2013/14 sind die Hauptprobleme der Flüchtlinge, die im Libanon in Lagern leben, fehlendes Einkommen (27Prozent), Obdachlosigkeit (13,9Prozent), Mängel bei der Gesundheitsversorgung (11,9Prozent) und Nahrungsmittelknappheit (9,6Prozent). Laut der Studie waren die Ergebnisse in Jordanien ähnlich: fehlendes Einkommen (25,6Prozent), Obdachlosigkeit (11,4Prozent), Mängel bei der Gesundheitsversorgung (8,6Prozent) und Nahrungsmittelknappheit (7,9Prozent). Dies betrifft vor allem Kinder, alleinstehende Frauen, ältere Menschen und Behinderte.

Laut der UN waren allein im Jahr 2015 etwa 5,5 Milliarden US-Dollar nötig, um die etwa vier Millionen Flüchtlinge zu versorgen, die in den Nachbarländern Syriens Zuflucht gefunden hatten. Doch nur 3,47 Milliarden US-Dollar davon wurden tatsächlich bereitgestellt. Während Jordanien und der Libanon etwa 60 Prozent ihrer Ausgaben für die Flüchtlinge durch UN-Hilfsprogramme decken konnten, bekamen die Türkei und der Irak lediglich etwa 40 Prozent ihrer Ausgaben von den UN erstattet.

Diese Unterfinanzierung hat zur Reduzierung der Lebensmittelrationen geführt, wodurch 1,6 Millionen Flüchtlinge, die bisher Rationen erhielten, im Jahr 2015 von nur etwa einem halben US-Dollar am Tag leben mussten. In den Städten Jordaniens müssen 86 Prozent der Flüchtlinge mit weniger als 2,80 Euro pro Tag auskommen. Zehntausende von Flüchtlingen erhalten sogar überhaupt keine finanzielle Unterstützung und verschulden sich immer mehr. Die abnehmende humanitäre Hilfe wurde von Flüchtlingen als Grund für ihre Hoffnungslosigkeit genannt und für ihre Entscheidung, entweder nach Syrien zurückzukehren, oder zu versuchen, illegal nach Europa einzureisen.

Auch in der Gesundheitsversorgung hat die Unterfinanzierung der Hilfsprogramme gravierende Folgen. In Jordanien und im Libanon haben die Flüchtlinge entweder keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu kostenloser medizinischer Grundversorgung. Mitte 2015 konnten 58,3 Prozent der chronisch kranken erwachsenen Flüchtlinge nicht versorgt werden. Im Jahr 2014 waren es noch 23 Prozent gewesen (UNHCR 2015).

Zusammenfassung

Die Fluchtbewegungen innerhalb von Syrien sowie von Syrien in die Nachbarländer und nach Europa stellen einen langfristigen Prozess dar, der sich etappenweise entwickelte. Jede der drei zuvor verdeutlichten Phasen der Flucht hatte spezifische Gründe. Während bei den ersten zwei Fluchtwellen die push-Faktoren  entscheidend waren, spielten bei der dritten Welle hauptsächlich pull-Faktoren eine Rolle. Für die ersten beiden Fluchtwellen waren der brutal geführte Bürgerkrieg, die Zerstörung der syrischen Infrastruktur und der Zusammenbruch staatlicher Versorgungssysteme ausschlaggebend. Für die dritte Fluchtwelle waren hingegen die Zustände in den überfüllten und schlecht versorgten Flüchtlingslagern, das Ausbleiben einer Beilegung des Krieges und damit die Verhinderung einer Rückkehr entscheidend. Doch vielleicht am wichtigsten war die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. 

Der Autor: Kenan Engin
Kenan Engin ist promovierter Politikwissenschaftler, lehrt an der Fachhochschule Mainz und wiss. Mitarbeiter am Bonner Institut für Migrationsforschung (BIM). Forschungsschwerpunkte: Konflikte und Migrationsbewegungen im Mittleren Osten und Migration und Bildung.
engin.kenan@lba.hs-mainz.de

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