13.01.2023 14:10:35
RUßLAND
Von Ulrich Heyden
aß Deutschland nun bald von einer Frau geführt wird, ist dem Moskauer Establishment wohl mächtig in die Knochen gefahren. Gleich zwei Hauptstadt-Zeitungen titelten jüngst „Frau Kanzler“. Noch ringt der männerdominierte Politik-Betrieb in Rußland nach den richtigen Worten. Immerhin: „Sie formuliert die Probleme sehr genau, sie ist ein sehr pragmatischer Mensch, sehr konkret, man kann mit ihr arbeiten“, so der Duma-Vorsitzende Boris Gryslow.
Eine Kanzlerin im schwarzen Hosenanzug ist für Russen schwer zu begreifen. Die einzigen beiden russischen Politikerinnen, die es auf hohe Posten geschafft haben, die Gouverneurin von St. Petersburg Walentina Matwijenko und die stellvertretende Duma-Vorsitzende Ljubow Sliska sind immer grell gekleidet und tragen viel Gold. Den Frauen-Typ Merkel findet man eher abgeschirmt von der Öffentlichkeit im mittleren Management russischer Unternehmen.
Während die Berichte über Angela Merkel in den russischen Zeitungen von kühler Bewunderung geprägt sind, zeigt man über das Ende der Ära Schröder offene Trauer. „Für Rußland ist der Abgang von Gerhard Schröder ein Verlust,“ schreibt die „Iswestija“. Der bisherige deutsche Regierungschef sei „russophil“. Zu erkennen sei dies nicht an seinen zahlreichen Treffen mit Wladimir Putin, sondern daran, daß er ein russisches Mädchen adoptiert habe.
Doch vielleicht bleibt Schröder Rußland ja erhalten. Die Londoner „Times“ berichtete unter Berufung auf diplomatische Kreise am vergangenen Freitag, das russische Unternehmen Gasprom wolle Schröder einen Beraterposten anbieten. Gasprom wollte die Meldung am Dienstag nicht kommentieren. Die Pressestelle der Regierung in Berlin sprach von „schlichter Spekulation“. Der Vorsitzende des russischen Unternehmerverbandes, Aleksandr Schochin, gab dem Gerücht um Schröders berufliche Pläne am Dienstag jedoch neue Nahrung. Man „könne nicht ausschließen“, daß Schröder einen Beraterposten bei Gasprom annimmt, erklärte Schochin. Eine solche Entscheidung wäre „nützlich“ für die Förderung russisch-deutscher Energieprojekte, so der Verbandsvorsitzende.
Grundlegende Änderungen in den deutsch-russischen Beziehungen erwartet man unter einer Kanzlerin Merkel in Moskau nicht. Der Vorsitzende des Internationalen Ausschusses im Föderationsrat, Michail Margelow, ist sich sicher, daß die russisch-deutschen Beziehungen „auf hohem Niveau“ bleiben werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Sozialdemokraten den Außenminister stellen werden. Das politische Tagesgeschäft sei etwas anderes als der Wahlkampf. Merkel werde „einige Verbeugungen“ gegenüber Polen machen, das sei dann aber „auch schon alles“. Auch Putins EU-Beauftragter Sergej Jastrschembskij erwartet „keine Verschlechterung“ der Beziehungen mit Deutschland. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien über Jahrzehnte gewachsen, unabhängig davon, „wer gerade an der Macht ist“.
Nur eine Stimme aus Moskau äußerte Bedenken. Nach Ansicht des kremlnahen Politologen Wjatscheslaw Nikonow ist eine Regierung mit Merkel an der Spitze nicht handlungsfähig. Rot und Schwarz „mischen sich schlecht“, Union und SPD vertreten „verschiedene Ziele“. Den scheidenden deutschen Kanzler lobt der Politologe hingegen in den höchsten Tönen. Schröder habe verhindert, daß Europa im Irak-Konflikt „auf eine proamerikanische Position abgleitet“.
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