Gas als DruckmittelRUSSISCHES ERDGAS

Gas als Druckmittel

Der russische Konzern Gasprom will seine Lieferpreise anheben und sorgt so für einen heftigen Streit zwischen Rußland und der Ukraine. Unterdessen wurden im russischen Wyborg die Arbeiten an der Ostsee-Pipeline begonnen.

Von Ulrich Heyden

Z wischen Moskau und Kiew laufen die Telefone heiß. Der Grund: Die Verhandlungen über die Transitgebühren für russisches Gas, welches über ukrainisches Territorium nach Europa transportiert wird, sind vorerst gescheitert. Es gibt noch keinen Vertrag für das nächste Jahr. In einer Pressemitteilung erklärte Gasprom, „das unkonstruktive Verhalten der Ukraine bedroht nicht nur die Energiesicherheit der europäischen Verbraucher russischen Gases, sondern auch die Ukraine selbst.“ Die Positionen der beiden Länder stehen sich zur Zeit unversöhnlich gegenüber.

Bisher werden die Gaslieferungen an die Ukraine mit den Transitkosten für das russische Gas, welches nach Europa transportiert wird, verrechnet. Gasprom hat nun den Gaspreis für die Ukraine von 50 auf 160 Dollar pro Tausend Kubikmeter Gas erhöht. Das sei immer noch ein Sonderpreis, sagte Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow dem Eurasischen Magazin. Er verwies darauf, daß Deutschland 200 Dollar bezahlt.

Anatoli Kinach, Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates erklärte gegenüber dem russischen Fernsehkanal RTR, bei einem Preis von 160 Dollar würde ein Drittel der ukrainischen Industrie zusammenbrechen. Nach ukrainischen Berechnungen müßte das Land am Dnjepr nach der Preiserhöhung für russisches Gas vier statt 1,25 Mrd. Dollar bezahlen. Kinach plädierte für eine schrittweise Anhebung des Gaspreises. Laut einem Bericht der Internetzeitung „Ukrainskaja Prawda“ gibt es in Kiew Überlegungen den Transitpreis im Gegenzug zu den russischen Preiserhöhungen kräftig anzuheben. Wenn Rußland an einer massiven Preiserhöhung festhalte, will man den Transitpreis für 1.000 Kubikmeter Gas auf einer Strecke von 100 Kilometern von einem auf 3,5 Dollar erhöhen. In Europa liegt der Transitpreis zur Zeit zwischen einem und zwei Dollar.

Erhöhung des Gaspreises als Strafe für die Westorientierung der Ukraine

Anfang Dezember erkannte die EU auf dem EU-Ukraine-Gipfel in Kiew die Ukraine als Staat mit Marktwirtschaft an. Das Drängen der Ukraine auf einen möglichst schnellen Beitritt in die EU und die Nato, beantwortet Moskau mit kühler Distanz. Die Kommentare des staatlichen russischen Fernsehkanals RTR zum Gasstreit fielen besonders bissig aus. Wenn die Ukraine in die EU wolle, müsse sie auch Marktpreise akzeptieren, hieß es. Es wurde auch vor dem Stillstand der Industrie in Europa und kalten Wohnungen während des Weihnachtsfestes gewarnt. Die europäischen Staaten beziehen ein Viertel ihres benötigten Gases aus Rußland. 80 Prozent des russischen Gases gelangt über die Ukraine in den Westen.

Von den massiven Gaspreiserhöhungen ist nicht nur die Ukraine betroffen. Auch andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die seit dem Zerfall des Riesenreiches von vergünstigten Preisen profitierten, wurden mit drastisch höheren Forderungen konfrontiert. Mit Georgien hat sich Gasprom auf einen Preis von 110 Dollar pro Tausend Kubikmeter geeinigt. Moldawien soll 160 Dollar bezahlen. Daß der russische Gas-Monopolist seine Preise nicht nur von wirtschaftlichen, sondern auch von politischen Aspekten abhängig macht, zeigen die Vereinbarungen mit dem pro-russischen Regime in Weißrußland. Minsk braucht auch im Jahr 2006 nur 47 Dollar zu zahlen. Gasprom-Sprecher Kuprijanow begründet die großen Preisunterschiede mit der geplanten Vereinigung Weißrußlands und Rußlands zu einer Union. Im übrigen seien die unterschiedlichen Preisstufen auch mit den von Land zu Land unterschiedlichen Transportkosten begründet.

Rußland kann die Ukraine mit der Erhöhung des Gaspreises mächtig unter Druck setzen. Im Frühjahr sind in der Ukraine Parlamentswahlen. Wenn sich die wirtschaftliche und soziale Situation am Dnjepr wegen der steigenden Gaspreise verschlechtert, könnten davon Juschtschenkos Opponenten, der Moskau-freundliche Viktor Janukowitsch und die marktliberale Julia Timoschenko profitieren. Doch den Machtspielen zwischen Kiew und Moskau sind Grenzen gesetzt. Wenn die beiden Staaten im sensiblen Energiebereich Unruhe schaffen, schadet das dem Ansehen beider Länder.

Pomp am Finnischen Meerbusen

Deutlich harmonischer gestalten sich derzeit die deutsch-russischen Beziehungen im Energiebereich. Am 9. Dezember wurde mit großem Pomp in der Nähe der russischen Stadt Wyborg die erste Schweißnaht für die Ostsee-Gaspipeline (offiziell: Nordeuropäische Gaspipeline) gesetzt. Das Jahrhundert-Projekt soll 2010 in Betrieb gehen und Deutschland unter Umgehung von Drittländern direkt mit den auf russischen Territorium lagernden Gasvorräten verbinden. Man rechnet mit Kosten von etwa vier Milliarden Dollar für den Bau der 1.200 Kilometer langen Unterwasserstrecke von Wyborg nach Greifswald. An dem Pipeline-Projekt sind der russische Gasprom-Konzern mit 51 Prozent sowie die deutschen Unternehmen EON und Wintershall mit jeweils 24,5 Prozent beteiligt.

Polen hat das deutsch-russische Projekt heftig kritisiert (Vgl.: EM 05-05). Warschau fühlt sich umgangen. Während des ersten offiziellen Besuchs der Bundeskanzlerin in Warschau stellte Merkel eine Beteiligung Polens an der Pipeline in Aussicht. Man vereinbarte die Einrichtung einer deutsch-polnischen Arbeitsgruppe, welche über die polnische Beteiligung beraten soll. An was für eine Beteiligung genau gedacht ist, wurde bisher nicht bekannt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow war über die Merkel-Initiative nicht begeistert. Aus seiner Sicht gäbe es nichts zu ändern, erklärte Lawrow. Auch bei Gasprom reagierte man kühl auf die Initiative von Angela Merkel. Sollte der Gasbedarf Polens über die Jamal-Pipeline wider Erwarten nicht gedeckt werden, so sei eine zusätzliche Versorgung über die Ostseepipeline möglich, erklärte Gasprom-Sprecher Kuprijanow gegenüber dieser Zeitung.

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