13.01.2023 14:10:35
HAMBURG – BAIKALSEE
Von Hartmut Wagner
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Der Wohntruck in Farmsen - hoffentlich bald unterwegs (Foto: Rouvén Knoblauch) |
EM – Was verbindet Hamburg mit Ostsibirien? Eine Frage, die den meisten Menschen Probleme bereiten dürfte. Ob auf der berüchtigten Reeperbahn oder in den Villenvierteln von Blankenese , Sibirien beschäftigt die Köpfe nur sehr weniger Hamburger. Daß dies nicht zwangsläufig dazu führen muß, Sibirien Sibirien sein zu lassen und sich ganz dem Alltagsleben der Elbmetropole zu verschreiben, zeigen zwei Hamburger Initiativen. Sie bemühen sich mit ganzer Kraft, den Dialog zwischen Ost- und Westeurasien anzukurbeln.
In einem gemeinsamen Projekt setzen sich die „Minoritätenhilfe Sibirien“ und „Nowostroika – Verein für Ost-West-Dialog e.V.“ für den Aufbau eines „Sibirischen Ausbildungs- und Kulturzentrums“ im Osten der Russischen Föderation ein. Das Zentrum soll in der burjatischen Republik entstehen. Burjatien ist weniger für seine Hauptstadt Ulan Udé bekannt, sondern vielmehr für den Baikalsee: An seiner tiefsten Stelle mißt er 1.637 Meter zwischen Grund und Wasseroberfläche. Damit ist er der tiefste See der Welt. Seine gesamten Ausmaße machen das 25 Mio. Jahre alte Gewässer zum größten Trinkwasserreservoir der Erde. Die Herkunft des Namens „Baikal“ ist umstritten. Für die Burjaten aber ist klar, daß Baikal nur ein anderes Wort für „erhabendste Schöpfung“ ist.
Nur wenn die einheimischen Bewohner Ostsibiriens eine Zukunft haben, könne auch die Pflanzen- und Tierwelt Bestand haben, schrieb kürzlich der Initiator der Minoritätenhilfe, Michail Grey Wolf Guruev, in einem offenen Brief. Der Baikal zeige dies besonders eindringlich. Die finanzielle Notlage, in die viele Menschen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gerieten, gefährdet die Wasserqualität des Sees und damit das Überleben der darin lebenden 2.600 verschiedenen Tierarten. Armut und Profitsucht der Menschen führt dazu, dass der Naturschutz oftmals ignoriert wird.
Für das „Sibirische Ausbildungs- und Kulturzentrum“, das in der Stadt Alla im Nordosten des Baikals entstehen soll, besteht somit ein breites Betätigungsfeld. Denn für die Gründerväter des Zentrums – Nowostroika und die Minoritätenhilfe Sibirien – sind Unweltschutz und Entwicklungshilfe nicht voneinander zu trennen. Ziel der beiden Hamburger Initiativen ist es, überlieferte Arbeitstechniken und kulturelle Traditionen der sibirischen Ureinwohner zu erhalten und zu fördern. Gleichzeitig soll das Wissen der modernen Industriegesellschaft weitergegeben werden. Die Sibirienfreunde möchten zeigen, wie auch in einer globalisierten Welt Entwicklungsarbeit geleistet werden kann, die soziale und kulturelle Arbeit mit Naturschutz verbindet. Für die Errichtung des Zentrums sind etwa 1,8 Mio Euro notwendig. Später soll sich die Einrichtung durch Tier- und Landwirtschaft sowie durch den Verkauf von selbst angefertigten Kunstgegenständen selbst finanzieren können.
Entlang des Urals verläuft für die meisten Europäer die Ostgrenze ihres Kontinents. Für Völker und deren Probleme jenseits des russischen Gebirgszuges zeigt der Westen fast kein Interesse, klagt Grey Wolf Guruev. „Für sibirische Völker gibt es außer den politischen und menschenrechtlichen Aussagen einiger westlicher Nichtregierungsorganisationen keinerlei wirklich praktische Hilfe!“
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Ein Blick unter die Motorhaube auf den gewaltigen Vielstoffmotor (Foto: Rouvén Knoblauch) |
Grey Wolf Guruev (63) lebt seit neun Jahren in Hamburg. Er ist selbst Abkömmling einer sibirischen Minorität, der Ewenken. Im Hamburger Stadtteil Farmsen bewohnt er einen umgebauten Bundeswehrlaster. Sein fahrendes Zuhause möchte Grey Wolf Guruev unbedingt mit nach Ostsibirien nehmen. Denn das Allradgefährt ist geradezu prädestiniert für die harten Bedingungen vor Ort. Sein Motor läuft mit allem – mit Diesel oder Benzin, mit Altöl oder Petroleum, mit Gas und sogar mit Kerosin. Das geistige Erbe seiner Vorfahren bewahrt der Ewenke auch im fernen Deutschland. Das Innenleben seines alten Armeebrummis erinnert durchaus an eine Jurte. Aber LKW bleibt eben doch LKW. Und von Alters her weitergegebene Bräuche und Traditionen sibirischer Völker, sind auf der Pritsche eines deutschen Militärlasters nur schwer zu vermitteln.
Hier wird der Verein Nowostroika für Abhilfe sorgen. Kai Ehlers, unermüdlicher Kämpfer für den Ost-West-Dialog, nimmt seinen 60. Geburtstag zum Anlaß, um die „Geburt einer Jurte“ zu feiern. Am 15. Mai will er mit allen Interessierten eine Jurte errichten, die traditionelle Behausung zentralasiatischer und sibirischer Nomadenvölker. Ein Jurten-Zelt besteht aus einem Holzgestell über das Filzbahnen gelegt und verschnürt werden. Als Eingang dient klassischerweise eine quietschende Holztür, damit Gäste beim Eintreten gleich bemerkt werden.
Ehlers möchte mit dem Zelt natürlich nicht durch die Norddeutsche Tiefebene ziehen, wie das wirkliche Nomaden wohl tun würden. Nein, die Jurte soll eine fest verankerte Insitution für Ost-West-Begegnungen werden. Hier soll der Platz sein für Träumereien und Gespräche, für die Planung neuer Projekte und natürlich für Treffen von Nowostroika e.V. Die Arbeit des Hamburger Vereins werde unter den Bedingungen der Globalisierung immer wichtiger, betont Ehlers mit großem Nachdruck: „Die Erhaltung und Weiterentwicklung der ethnischen, sozialen und kulturellen Diversität ist eine Grundvoraussetzung für das Überleben unserer Welt. Das Fremde ist immer eine Bereicherung des Eigenen.“
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Die „Minoritätenhilfe Sibirien“ und „Nowostroika – Verein für Ost-West-Dialog e.V.“ sind für jede Unterstützung dankbar.
Kontaktmöglichkeiten:
„Minoritätenhilfe Sibirien – Initiative für ein Kulturzentrum für die Ureinwohner Sibiriens“
Netz: www.grey-wolf-guruev.com , www.CultureCenterNorthernAsia.org
E-Post: guruev@yahoo.com
„Nowostroika – Verein für Ost-West-Dialog und Förderung des selbstbestimmten Neuaufbaus in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion“
Netz: www.nowostroika-ev.de, www.kai-ehlers.de
E-Post: info@kai-ehlers.de
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