Ist Frieden in naher Zukunft möglich?BERG-KARABACH

Ist Frieden in naher Zukunft möglich?

Wie die Friedenssuche zwischen Aserbaidschan und Armenien zwischen militanter Rhetorik und politischer Realität zerrieben wird. Und weshalb die Interessen Washingtons und Moskaus die Friedenssuche zusätzlich erschweren.

Von Behrooz Abdolvand und Nima Feyzi Shandi

  Der Konflikt um Berg-Karabach:
Worum es geht
  Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach ist eine Region im Südkaukasus. Die Zugehörigkeit des Gebietes ist zwischen Armenien und dem Nachbarland Aserbaidschan umstritten. Denn Berg-Karabach hat sich beim Zerfall der Sowjetunion von Aserbaidschan losgesagt und seine Abtrennung in einem mehrjährigen Bürgerkrieg durchgesetzt. International ist Berg-Karabach nicht als Republik anerkannt. Ein Krieg mit dem es umgebenden Aserbaidschan ist jederzeit möglich. In Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, wird auch unverhohlen damit gedroht. In Stepanakert, der Hauptstadt des abgefallenen Gebietes Berg-Karabachs, gibt man sich jedoch unnachgiebig und beharrt auf seiner Selbstständigkeit.

Die Bevölkerung Berg-Karabachs zählt rund 170.000 Bewohner, die fast alle armenische Pässe haben. Armenien unterstützt die von Aserdaidschan abgefallene Republik wirtschaftlich und militärisch. Das Gebiet ist bereits seit knapp hundert Jahren zwischen Armeniern und Aserbaidschanern umstritten. Nach der Oktoberrevolution von 1917 haben sowohl Armenien als auch Aserbaidschan Anspruch auf Berg-Karabach erhoben. Das Moskauer Zentralkomitee der KPdSU gliederte es im Juli 1921 als autonomes Gebiet an die Aserbaidschanischen SSR an. In den 60er Jahren kam es zu vereinzelten Unruhen. Die Armenier fühlten sich diskriminiert und waren besorgt, weil ihr Anteil an der Bevölkerung in Berg-Karabach langsam, aber stetig abnahm.

Nach 1988, in der ersten Schwächephase der Sowjetunion, eskalierte der Konflikt. Es gab Schießereien mit mehreren hundert Toten und Massendemonstrationen in Armenien und Aserbaidschan. Zwischen 1992 und 1994 kam es dann zum Bürgerkrieg, der mit der gewaltsamen Loslösung Berg-Karabachs von Aserbaidschan endete.

Berg-Karabach strebt einen Anschluss an Armenien an. Doch dafür findet die Speparatisten-Republik international keine Unterstützung. Auch die Republik Armenien erkennt bislang die Unabhängigkeit Berg-Karabachs offiziell nicht an, um die Situation nicht weiter zu verschärfen.

A nfang Juli 2007 hatte Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew in einer militanten Rede vor Absolventen einer Polizeiakademie Armenien gemahnt, freiwillig die aserbaidschanischen Territorien zu räumen, um einen neuen Krieg zu vermeiden. Die Nachrichtenagentur „Novosti-Aserbaidschan“ zitiert den Staatschef mit den Worten: „Aserbaidschan ist jetzt vom militärischen Standpunkt aus gesehen der stärkste Staat in der Region, und unsere Nachbarn müssen sich dessen bewusst werden. Armenien muss freiwillig seine Truppen von den aserbaidschanischen Gebieten abziehen. Nur in einem solchen Fall kann mit Sicherheit gesagt werden, dass es keinen neuen Krieg geben wird.“

Laut Alijew wird sich Aserbaidschan niemals mit der Okkupation seiner Territorien abfinden und ist bereit, diese notfalls auch auf militärischem Wege zurückzuerobern. Dieser aggressiven Rhetorik zum Trotz verhält es sich in der Realität anders. In der Tat nutzt das offizielle Baku, vom Präsidenten bis zum Verteidigungsminister Saffar Abijow, seit drei Jahren jede Gelegenheit, um Armenien vor einer militärischen Befreiung Berg-Karabachs durch aserbaidschanische Truppen zu warnen. In jüngster Zeit aber kursieren Nachrichten in den Medien, die darauf hindeuten, dass Aserbaidschan sich auf eine Anerkennung der Unabhängigkeit Karabachs vorbereitet. Das lässt vermuten, dass die kriegerische Rhetorik nur der Erfüllung innenpolitischer Ziele dient.

Delegationen beider Seiten stehen in Verhandlung

Zeitgleich zur Rede Alijews kursierten Nachrichten in der internationalen Medienlandschaft, die von Treffen Bakuer Vertreter mit Jerewaner Offiziellen, sowohl in Jerewan als auch in Stepanakert berichteten. Sogar der inzwischen abgewählte Präsident der abtrünnigen Republik Berg-Karabach, Arkadi Gukassjan, sei beteiligt gewesen. Die aserbaidschanische Delegation wurde vom aserbaidschanischen Botschafter in Moskau, Pulad Bol Bol Oghlu geleitet, der damals Kulturminister in Aserbaidschan war. Auch Präsident Alijew hatte in Baku eine Delegation unter Führung des armenischen Botschafters in Moskau empfangen.
Den Medien zufolge kann man in naher Zukunft die beidseitige Eröffnung von Botschaften  in Aserbaidschans und Armeniens jeweiligen Hauptstädten, Baku und Jerewan, erwarten und das Treffen der Bakuer Delegation mit dem Präsidenten Karabachs als quasi Anerkennung der Republik betrachten.

Die oppositionelle aserbaidschanische Zeitung Yeni Musavat schrieb in ihrer Ausgabe vom 1. Juli 2007, dass sowohl die USA als auch Russland als Mitglieder der Minsker Gruppe diese diplomatischen Kontakte wohlwollend unterstützten. Im Rahmen dieses diplomatischen Austauschs hatte sich Aserbaidschan sogar bereit erklärt, sich an dem momentan von der Karabachischen Regierung betriebenen Wiederaufbau der Region Karabach und Umgebung zu beteiligen. Farhad Badalbeili, Direktor der Musikakademie in Baku, der Mitglied der Delegation der aserbaidschanischen Regierung war, sagte in einem Interview mit der Zeitschrift Baku Express am 30. Juni, dass Aserbaidschan auf Kooperation, statt auf Drohgebärden setzen sollte. Ein anderes Delegationsmitglied, Asarpascha Nehmatov, sagte im Widerspruch zu seinem Präsidenten, er müsse zugeben, dass der Konflikt keine militärische Lösung habe.

Was Aserbaidschan erwartet

Diese widersprüchlichen Signale aus Baku machen die Erwartungen Aserbaidschans deutlich:  Man möchte mit diplomatischen Aktivitäten und Drohgebärden die Karabacher Regierung dazu bringen, die nicht von Armeniern besiedelten Gebiete an Baku zurückzugeben. Als Gegenleistung wird die Gewährung eines Autonomiestatus Karabachs durch Aserbaidschan in Aussicht gestellt. Die politische Realität aber scheint für diese erwartungsvollen Bemühungen keinesfalls reif zu sein. Dies wird allem voran aus Jerewan signalisiert.

Ungeachtet des diplomatischen Austausches ließen die Reaktionen Jerewans auf die militante Rhetorik des aserbaidschanischen Präsidenten nicht lange auf sich warten. So sprach der armenische Außenminister Wartan Oskanjan von der fehlenden Bereitschaft Bakus zu Kompromissen bei der Beilegung des Berg-Karabach-Konfliktes.

Wörtlich sagte er: „Die militante Rhetorik, die in letzter Zeit von aserbaidschanischer Seite zu hören ist, spricht dafür, dass das offizielle Baku zu keinen Kompromissen bei der Beilegung des Berg-Karabach-Konfliktes bereit ist. Und Jerewan bewertet dies negativ.“ Oskanjan stellte dies in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Botschafter Per Sjögren, dem Chef einer Delegation der Beobachtungsgruppe „Ago“ des Ministerkomitees des Europarates, unmissverständlich fest.

Um Armenien auf dem diplomatischen Parkett nicht als kriegstreibende Partei dastehen zu lassen, äußerte sich Oskanjan dahingehend, dass die armenische Seite immer darüber gesprochen habe, dass sich dieser Konflikt nicht militärisch lösen lasse. „Es gibt keine Alternative zur friedlichen Beilegung des Karabach-Konfliktes“, sagte der armenische Minister.

„Sollten Moskaus Interessen in Bezug auf die Anerkennung Kosovos durch die westlichen Länder nicht berücksichtigt werden, wird eine prompte Antwort erfolgen – und zwar in den Republiken, Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Karabach.“

Diese Stellungnahme Jerewans scheint mit Moskau koordiniert worden zu sein, da gerade auf Geheiß Moskaus ein Treffen der Außenminister der nicht anerkannten postsowjetischen Republiken Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol stattfand, das sich vor allem mit der möglichen Annerkennung des Kosovo befasste.

RIA Novosti zufolge haben die Außenamtschefs die Situation in- und außerhalb der nicht anerkannten Republiken und das Kosovo-Problem besprochen. Außerdem sollen Konzepte für gemeinsame Schritte zur weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit diskutiert werden.
Diese abtrünnigen Republiken, die unter dem Schutz Moskaus stehen, erwägen außerdem, einen Vertrag über die Bildung gemeinsamer Friedenskräfte zu verabschieden. Aus diesem Grund haben auch die Vertreter der Verteidigungsministerien dieser Republiken an den Beratungen teilgenommen.

Somit erhebt Moskau die Berg-Karabach-Problematik samt den ethno-politischen Konflikten in Georgien und Moldawien von regionalen Konflikten zu Gegenständen internationaler Verhandlungen. Sollten Moskaus Interessen in Bezug auf die Anerkennung Kosovos durch die westlichen Länder nicht berücksichtigt werden, wird eine prompte Antwort erfolgen – und zwar in den Republiken Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Karabach.

Der neue Präsident gehörte lange zur Moskauer Militär-Elite und gilt als Hardliner

Dass sich die Position Karabachs gegenüber Aserbaidschan verhärten wird, lässt das Ergebnis der Präsidentenwahl vom 19. Juli vermuten. Der mit der Unterstützung Moskaus gewählte Präsident, Bako Saakjan, ist der ehemalige Leiter des Nationalen Sicherheitsdienstes und gilt als Hardliner unter der karabachischen Elite. Da er jahrelang in Moskau in militärischen Einheiten gedient hat, hat er gute Beziehungen zur Moskauer Militärelite. Offen versprach er in seinem Wahlprogramm unter anderem, durch Stimulierung der Geburtenrate die demographische Entwicklung in der Region zu verändern, um durch die Erhöhung des armenischen Bevölkerungsanteils eine Rückkehr der aserbaidschanischen Vertriebenen zu verhindern.

Bako Saakjan macht auch keinen Hehl aus seinen Absichten, die totale Unabhängigkeit Karabachs von Aserbaidschan zu erreichen. Aserbaidschan lehnt bisher eine Teilnahme der Republik Karabach als vollwertigen Verhandlungspartner in den Friedensverhandlungen ab, auf der Saakjan jedoch besteht und die er als unabdingbar für die Aufnahme von Verhandlungen sieht.

So scheint es, dass ein Frieden im Karabach-Konflikt zugunsten Aserbaidschans in naher Zukunft nicht möglich sein wird. Diese Fakten sprechen dagegen: Neue Pipelines leiten aserbaidschanisches Öl über Georgien und die Türkei auf die internationalen Märkte. Die Lobby der Öl- und Gasfirmen, die Milliarden in Aserbaidschan investiert haben, werden einen aserbaidschanischen Befreiungskrieg nicht zulassen. Er würde die getätigten hohen Investitionen gefährden. Also kann Aserbaidschan seinen Konflikt mit Armenien militärisch nicht lösen.

Zusätzlich sorgt die einflussreiche armenische Diaspora in Amerika dafür, dass Karabach als quasi unabhängige Republik in Washington eine Vertretung hat. Mit dem Einverständnis der Washingtoner Regierung stellt sie sogar Visa für Karabach-Reisende und amerikanische Investoren aus, die in der Region Berg-Karabach investieren. Diese Umstände verschieben die Friedensbestrebungen aller Parteien in eine ferne Zukunft.

Außenpolitik Kaukasus Zentralasien

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