09.08.2023 13:11:56
RUMÄNIEN
Von Laura Capatana Juller
eit vier Stunden wartet die Familie darauf, ans Set geholt zu werden. Die Kinder sind überall verstreut und vertreiben sich ihre Zeit. Die fünfjährige Debora malt mit ihrem ein Jahr älteren Bruder Ghedeon auf dem Boden des grünen Kleinbusses der Familie. Sie lächelt viel und liebt es, fotografiert zu werden. Noe, das jüngste Zainea-Kind, fesselt mit seinen großen blauen Augen alle Blicke. Sobald jemand mit dem dreijährigen blonden Jungen reden will, ist er aber auf und davon.
Endlich ist es soweit: „Die beiden jüngsten Kinder und die Mutter ans Set!“. Die Regieassistentin empfängt die Kleinen und erklärt ihnen kurz, was sie zu tun haben: feiern wie bei einer Party. Mit bunten Papierkäppchen auf den Köpfen dürfen sie spielen, sich jedoch nicht vom Platz bewegen. Eine Aufnahme, die zweite Aufnahme, immer wieder mit neuen Änderungen. Beim dritten „Action!“ feiern die Kinder nach eigenen Regeln. Sie laufen hinter Luftballons her und machen Grimassen, beachten das Filmteam kaum noch. Dank der Mutter, die sie beruhigt, kann weitergedreht werden.
„Wer mit Kindern arbeitet, muss schnell sein, klare Ansagen machen und maximal drei Aufnahmen drehen, sonst ist die Spontanität weg und das Grauen kommt“, sagt der deutsche Regisseur Martin Papirowski. Seit über 15 Jahren dreht er regelmäßig in Rumänien. Er hat bereits für Inszenierungen für ZDF-Doku-Dramen mit Familie Zainea zusammengearbeitet.
„Am Set ist es sehr unterhaltsam. Ich liebe Schauspielerei“, sagt Rebeca. „Das witzigste war, als wir einmal Straßenkinder im italienischen Film „The Clown“ (2007) spielen mussten.“ Sie trägt die langen dunkelbraunen Haare im Gesicht, als wolle sie sich verstecken. Sie redet wenig und nur wenn sie gefragt wird. Ihr Vater lobt sie für die Teilnahme an der Malolympiade. Sie will Modedesignerin werden oder Malerin.
Bei einem Dreh, zu dem sie Iosua und David begleitet hat, um auf sie aufzupassen, hat sie auf die Innenseiten der Einbanddeckel ihrer Bibel mit schwarzem Kulli gezeichnet. Viel Zeit, sich beim Malen auszudrücken, bleibt ihr nicht. Und die Wohnbedingungen zu Hause, wo einige der Geschwister Fange spielen, andere Musik hören, essen, weinen oder lachen, versuchen zu schlafen, am Computer arbeiten oder singen, sind auch nicht optimal für ihr Hobby. Allein in der Schule kann das Mädchen seinem Traum nachgehen.
Rebeca hat mit acht Geschwistern Theaterunterricht genommen. Die Investition scheint sich gelohnt zu haben. Zumindest in den Augen des Vaters. Denn die Kinder erscheinen regelmäßig in Werbespots, TV-Sendungen und Filmen als Komparsen oder manchmal in kleinen Rollen und verdienen Geld für die Familie. Die Amerikaner und Deutschen zahlen am besten, sagt der „Manager“. Für einen Drehtag beträgt das Honorar für Filme zwischen 10 und 30 Euro und für Werbungen zwischen 100 und 300 Euro, plus Essen und Transport. Nur selten arbeiten alle zwölf Kinder am selben Projekt, am selben Tag. Meist sind es zwei, drei, die gefragt sind.
Das verdiente Geld wird für den Haushalt ausgegeben. Wenn größere Summen hereinkommen, falls mehrere Kinder Werbespots machen oder aus Spenden, werden Schulden abbezahlt. „Wir haben nur 7.000 Euro Schulden“, sagt der Familienvater ironisch. „350 Euro brauchen wir im Winter für Unterhaltskosten, 450 Euro für die Miete und etwa 1.000 Euro für das Essen pro Monat“, rechnet er vor. Ab und an bekommen die Kinder Taschengeld, wovon sie sich meist Snacks und Süßigkeiten kaufen.
„Der liebe Gott hat uns immer geholfen und hilft uns immer. Er hat uns diese Kinder geschenkt und hilft uns, sie groß zu ziehen. Solange es Gottes Wille ist, dass wir Kinder haben, freuen wir uns über Nachwuchs“, sind sich Lidia und Fanel, die der Pfingstgemeinde angehören, einig.
Tochter Rebeca hingegen will keine Geschwister mehr, „mir reichen diese“, sagt sie. Viel erzählen kann das Mädchen nicht, denn der Vater hat ständig ein Auge auf sie. Fanel gibt den perfekten Manager, er spricht meist für alle Familienmitglieder. Die Kinder hören in Ruhe zu, die Blicke, die sie einander zuwerfen, und das Kichern, das sie zu verstecken versuchen, zeigen jedoch, dass sie die Sachen manchmal anders sehen als ihr Vater.
Die Casting-Direktorin der rumänischen Produktionsfirma „Saga Film“ Iulia Necoara arbeitet gern mit den Zaineas. Die ganze Familie sei beeindruckend, weil „die Kinder sehr schön sind, brav und wohl erzogen. Sie sind sehr interessiert und offen für Neues, folgen den Anweisungen am Set und arbeiten gut mit anderen Kindern zusammen“, sagt Necoara. Die Arbeit mit Geschwistern ist ein großer Vorteil für die Firma, vor allem bei speziellen Projekten. „In einem Werbespot über Gewalt gegen Kinder sollten wir die Entwicklung eines Jungen zeigen, von klein auf bis zum Erwachsenwerden, so dass wir mit drei Jungen der Familie Zainea gearbeitet haben.“
Der deutsche Regisseur Olaf Götz, der mit einigen der Zainea-Kinder für den ZDF-Zehnteiler „Die Deutschen“ (2007) gearbeitet hat, ist der Meinung, dass „Kinder halt Kinder sind und sie sollen spielen dürfen. Schauspielerei ist Arbeit. Deshalb gibt es auch Gesetze, wie lange Kinder überhaupt drehen dürfen. Bei mir ist ein Kind vier Stunden am Set, dann ist Schluss.“ Iulia Necoara gibt zu, solche Gesetze nicht zu kennen, sie versichert jedoch, dass den Kindern am Set nichts fehle.
Laut dem rumänischen Gesetz ist Kindern unter 16 Jahren Arbeit verboten, allein 15-Jährige dürfen mit Erlaubnis der Eltern arbeiten. Kinder über 16 dürfen maximal 6 Stunden am Tag und 30 Stunden die Woche und nur tagsüber arbeiten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Arbeitsvertrag zu schließen und sichere Bedingungen zu bieten. Das Arbeitsinspektorat hat bislang noch keine Fälle von Kinderkomparsen bearbeitet.
In Rumänien bleiben Kinder manchmal über acht Stunden am Set, von denen sie die meiste Zeit in Vorbereitung bei Kostüm und Maske sind und auf ihren Einsatz warten. Das Drehen an sich dauert nur kurze Zeit. Die zwölf Zaineas sind gerne am Set, sie lächeln meistens, erzählen und spielen. Allein die tote Zeit bis zum Einsatz würden einige der Kinder anders ausleben. Rebeca würde malen, Emi, Sami und David am PC spielen. Der kleine Noe schlummert am Nachmittag ein bisschen im Familienkleinbus.
Produzenten, Regisseure und Casting-Direktoren machen sich selten einen Kopf über das lange Programm oder das Fehlen der Kinderkomparsen in der Schule. „Meist holen wir alles nach, aber meine Lehrerin schimpft immer, wenn ich fehle. Trotzdem habe ich gute Noten“, sagt der zehnjährige David, der einzige Brillenträger in der Familie.
Die rumänischen Lehranstalten sind verpflichtet, bei Abwesenheit eines Schülers, der arbeitet, den öffentlichen Dienst für Sozialassistenz zu benachrichtigen. Der muss in Zusammenarbeit mit dem Schulinspektorat und anderen zuständigen öffentlichen Institutionen für die Reintegration des Kindes sorgen. Im Falle der Zainea-Kinder hat keine Lehrinstanz etwas Offizielles gegen das Fehlen vom Unterricht unternommen.
Zur Zeit arbeitet die Nationale Stelle für Kinderschutz an einem Projekt zur Kinderarbeit, die die Anwesenheit im Schulwesen verhindert. Bis dahin werden die Zainea-Kinder weiterhin Schulstunden verpassen, aber dafür auf dem Bildschirm erscheinen und zu Dreharbeiten gehen, die der Vater für sie arrangiert.
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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.
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