Ministerpräsidentin Lieberknecht unterschreibt Verträge zwischen Thüringe und RusslandWIRTSCHAFT

Christine Lieberknecht fädelt Verträge mit Russland ein

Ministerpräsidentin Lieberknecht unterschreibt Verträge zwischen Thüringe und Russland

Russland sei eine große Chance gerade für ostdeutsche Unternehmen, meint die Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, welche in Begleitung von Unternehmern und Landtagsabgeordneten Mitte Oktober Moskau und Uljanowsk besuchte.

Von Ulrich Heyden

Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in Moskau (Foto: Heyden)  
Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in Moskau (Foto: Heyden)  
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ine Fahrt in der Moskauer Metro, ein Treffen mit der 90 Jahre alten Direktorin des Puschkin-Museums und eine Visite im Gulag-Archiv der Menschenrechtsorganisation Memorial. Irgendwann in den 1990er Jahren hat Christine Lieberknecht zuletzt Russland besucht. Seitdem hat sich viel verändert.

Lieberknecht (CDU), die von dem thüringischen Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) und fast 60 Unternehmern sowie den Vertretern der fünf Landtagsfraktionen begleitet wurde, meinte im Gespräch, ihr als Ostdeutscher falle es leicht mit Russen ins Gespräch zu kommen. Was ein diktatorisch-sozialistisches System und was ein Partei-Sekretär ist, das wisse sie sehr gut.

Russland befinde sich immer noch in einem Transformationsprozess und so komme man bei Wirtschafsbeziehungen nicht darum herum, die Rolle des Staates bei der Vertragsanbahnung zu berücksichtigen. Wenn sie als Ministerpräsidentin ein Gespräch mit einem Gouverneur führe, dann könne das den Vertrags-Abschluss mit einem thüringischen Unternehmen sehr beschleunigen.

Der deutsche Außenhandel mit Russland beläuft sich auf 75 Milliarden Euro. Das Land Thüringen hat an diesem Riesen-Batzen mit 400 Millionen Euro einen noch sehr kleinen Anteil. Aber das Potential sei riesig und das Interesse in den russischen Region groß, meint Lieberknecht. Nach den Verträgen, die Mitte Oktober abgeschlossen wurden, werde es möglich, den thüringischen Export nach Russland auf etwa 800 Millionen Euro zu verdoppeln.

Thüringer bauen Ultra-Leichthubschrauber für Baschkirien

Das Spektrum der thüringischen Exporteure ist breit gestreut. Die thüringischen Unternehmen, die nach Russland liefern, kommen aus den Bereichen Automobilindustrie, Medizintechnik und Maschinenbau. Mit einer Natriumzyanid-Anlage zur Gold-Trennung ist auch die chemische Industrie vertreten. Eine junge thüringische Firma hat einen Vertrag für den Bau von Ultra-Leichthubschraubern für die russische Region Baschkirien abgeschlossen, berichtete die Ministerpräsidentin.

Was das Russland-Geschäft betrifft ist Lieberknecht äußerst hoffnungsvoll. Die Ostdeutschen hätten die Erfahrung machen müssen, dass sie „in einem völlig ausdifferenzierten europäischen Markt ihre Nischen finden mussten“. In Russland dagegen liege, „das offene, weite Land vor uns. Wir müssen nur die Chance ergreifen, mit den richtigen Partnern.“

Strenge Museums-Direktorin wurde sanft

Charmant und wie ein Wirbelwind eroberte Christine Lieberknecht die Herzen der Russen. Selbst die strenge Leiterin des Moskauer Puschkin-Museums, Irina Antonowna, welche in den vergangenen zwanzig Jahren, die Rückgabe weiterer Kunstwerke aus Deutschland kategorisch ablehnte, war bei dem Treffen mit der Ministerpräsidentin sanft und freundlich. Antonowa lobte die deutsche klassische Musik in den höchsten Tönen und machte die mündliche Zusage, nächstes Jahr Gemälde aus dem Puschkin-Museum in Thüringen zu zeigen. „Ich glaube das ist möglich“, sagte die grauhaarige Direktorin, die fließend Deutsch spricht. Experten prüfen jetzt, ob die Ausstellung von Gemälden aus dem Puschkin-Museum in dem bald fertig restaurierten Schloss Friedenstein möglich sein wird.

Das Gespräch mit der heute 90jährigen Museumsdirektorin war für Lieberknecht eines der wichtigsten emotionalen Erlebnisse auf der Russland-Reise, wie sie später im Gespräch bekannte. Da hätten fast 100 Jahre Geschichte vor ihr gesessen.

Nach der Zusage für eine Gemälde-Ausstellung in Thüringen ließ Lieberknecht nicht locker und machte den Vorschlag, für das Jahr 2019, wenn man in Weimar das 100jährige Bauhaus-Jubiläum feiert, ein Ausstellungsprojekt zu organisieren, welches deutsche Bauhaus-Künstler mit den russischen Avantgardisten der 1920er Jahre vereint. Dass sei ihr auch ein ganz persönliches Anliegen, denn ihr Großvater war Architekt und Maler der Bauhaus-Gruppe. Antonowa will den Vorschlag prüfen.

Was die Beutekunst aus Deutschland betrifft, gibt es von der Stiftung Schloss Friedenstein in Thüringen keine Rückgabeforderung. Man sei einfach an Zusammenarbeit mit den russischen Museen interessiert, um überhaupt zu erfahren, wo sich welche verschollenen Kunstwerke befinden, sagt der Kommunikationsdirektor des Schlosses, Roland Krischke, gegenüber dieser Zeitung. Nach einem im März abgeschlossenen Abkommen zwischen Deutschland und Russland können nun auch russische Museen in Deutschland nach Kunstwerken forschen, die von den deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg in Russland geraubt wurden.

Neue Eindrücke zum Thema Pussy Riot

Lieberknecht fand in Russland den richtigen Ton. Sie kam nicht als Lehrmeisterin sondern stellte Fragen und machte Vorschläge. Das kam bei den Russen an. Dass ihr aber auch die demokratische Entwicklung Russlands am Herzen liegt, wurde bei ihrem Besuch im Büro der Menschenrechtsorganisation Memorial deutlich. Mit nachdenklichem betrachtete Lieberknecht das mit Kohle gezeichnete Selbstporträt eines Gulag-Häftlings und einen kleinen Zettel mit Nachrichten für die Verwandten, der in zweiteiligen Knöpfen nach außerhalb des Lagers geschmuggelt wurde.

Auch für die mitreisende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im thüringischen Landtag, Anja Siegesmund, brachte die Reise wichtige neue Eindrücke und frischte alte Erinnerungen auf. Während der Wende in Ostdeutschland war Siegesmund 13 Jahre alt. Als die Abgeordnete jetzt auf der Reise der thüringischen Delegation die zahlreichen Lenin- und Stalin-Denkmäler in Lenins-Geburtsstadt Uljanowsk sah, fühlte sie sich an ihre Kindheit erinnert. „So habe ich mir damals die Sowjetunion vorgestellt,“ erklärte die Fraktionsvorsitzende freimütig im Gespräch.

Die Strafe für die drei Frauen von Pussy Riot findet die Grünen-Fraktionsvorsitzende „überzogen“. In ihren Gesprächen auf der Reise habe sie jedoch „gespürt“, dass die Sicht der Russen auf das Thema Pussy Riot ein bisschen anders ist, als die Vorstellung der Deutschen. Viele Russen seien der Meinung, es sei „ein Affront, wenn in der größte Kirchen des Landes ein Punk-Gebet veranstaltet wird.“ Was es zwischen der harten Position des Kreml und den Frauen von Pussy Riot noch an Stimmungen in der russischen Bevölkerung gibt, dass komme in der Russland-Berichterstattung der deutschen Medien zu wenig rüber, so die Abgeordnete.

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