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Ortsschilder auf Deutsch

Ortsschilder auf Deutsch

Die polnische Gemeinde Radlów, Wojewodschaft Opole (Oppeln) im Süden Polens, hat als erste im Land entschieden, neben polnischen auch deutsche Ortschilder aufstellen zu wollen. Die Mehrheit der knapp 5000 Einwohner zählenden Gemeinde stimmte dafür, dass Radlów künftig auch Radlau heißen soll. Entsprechendes gilt auch für acht andere Dörfer der Gemeinde. Auch das polnische Innenministerium hat den Antrag positiv beschieden. In Radlau wartet man jetzt auf entsprechende Staatsgelder.

Von Jan und Katarzyna Opielka

Blick vom Turm der katholischen Kirche auf das Dorf Sternalice. Künftig wird es auch als Sternalitz, Gemeinde Radlau (Radlów) ausgeschildert.  
Blick vom Turm der katholischen Kirche auf das Dorf Sternalice. Künftig wird es auch als Sternalitz, Gemeinde Radlau (Radlów) ausgeschildert.  

E adłóws Gemeindevorsteher Włodzimierz Kierat ist etwas besorgt. „Am Anfang, als 2005 die gesetzliche Möglichkeit entstand, Orte zweisprachig zu benennen, da wollte ich nicht der Letzte sein, der das in seiner Gemeinde einführt“, erinnert er sich. Kierat ist polnischer Herkunft, hat keine deutschen Wurzeln, wie viele andere Gemeindevorsteher in Orten mit einer starken deutschen Minderheit. Da wollte er sich nicht vorwerfen lassen, die Umsetzung von bestehendem Recht zu bremsen, sagt er. Jetzt ist er der Erste, in dessen Gemeinde die Orte bald auch deutsche Namen zeigen werden. „Doch gerade der viele Rummel darum macht mir schon Kopfzerbrechen“, sagt Kierat. Seine Befürchtung ist, dass der Vorstoß missverstanden werden könnte. Denn es gehe nicht darum, so Kierat, das Deutsche zu betonen, sondern die multikulturelle Geschichte des Ortes.   

Zwar wird wohl noch etwas Zeit ins Land gehen, bis die Schilder tatsächlich aufgestellt werden. Die formelle Vorbereitung ist indes bereits fast erledigt: Der Gemeinderat von Radłów hat nach einer Abstimmung der Einwohner, die Unterschriften pro oder contra abgeben konnten, bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. Eine Kommission des polnischen Innenministeriums (MSWiA) entschied positiv über die vorgeschlagenen deutschen Namen, die mittlerweile in einem Register geführt werden. Dabei durfte bei der Wahl der künftigen Ortsbezeichnungen nur auf jene zurückgegriffen werden, die historisch belegt sind und die bereits vor dem Jahr 1933 existierten – also bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Namen, die in der Nazi-Zeit entstanden, sind nicht zugelassen – nicht in Radłów und auch nicht anderswo. Autofahrer werden in Biskupice demnächst auch mit dem deutschen Wort Bischdorf begrüßt, Sternalice wird durch Sternalitz ergänzt und Wolęcin wird sich auch Wollentschin nennen.  

Es gibt bislang offenbar keine kritischen Stimmen bei der einheimischen Bevölkerung

Noch sind aber Details zu klären. Denn die Ortschilder müssen sowohl an Kreis- als auch auf Landesstraßen angebracht werden, und für Letztere ist Warschau zuständig. Während die rechtlichen Fragen geklärt sind, geht es nun noch darum, wer bezahlt. „Dafür ist das Innenministerium zuständig, dort gibt es Mittel für diesen Zweck“, erläutert der Sejm-Abgeordnete Ryszard Galla auf Nachfrage. Galla ist einer von zwei Abgeordneten im polnischen Parlament, die die deutsche Minderheit in Polen vertreten – diese Repräsentation ist verfassungsmäßig garantiert. Galla sieht denn auch keine großen Widerstände, weder in der polnischen Bevölkerung noch bei den politischen Eliten, mit Ausnahme der kleineren rechtsextremen Regierungspartei Liga Polnischer Familien (LPR). „Die in Warschau regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mischt sich nicht in die Sache ein, wahrscheinlich auch, weil es einfach bestehendes Recht ist“, sagt Galla.

Dies bestätigt auch Edward Gondecki, Sekretär der Regionsverwaltung der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO), die in Warschau in der Opposition sitzt, in der Wojewodschaft Opolskie (Oppeln) aber zusammen mit der Vertretung der deutschen Minderheit regiert. „Es gibt keine kritischen Stimmen in der hiesigen Bevölkerung“, meint Gondecki.   

Fünfzehn Gemeinden planen zweisprachige Ortschilder aufzustellen

Gallas Angaben zufolge planen momentan 15 Gemeinden, die meisten in der Wojewodschaft Opolskie, zweisprachige Ortsschilder aufzustellen. Dies sei nach einem Gesetz aus dem Jahr 2005 dann möglich, wenn die Bevölkerung einer Gemeinde eine entsprechende Initiative ergreift. Gehörten weniger als 20 Prozent der Einwohner der Minderheit an, so ist eine Befragung mit Mehrheitsentscheid notwendig, bei einem Anteil von mehr als 20 Prozent entfällt die Verpflichtung, die Bevölkerung zu befragen. Die meisten Gemeinden entschieden sich aber, so Galla, freiwillig für die Einbindung der Bevölkerung, um eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erreichen.

In Radłów sieht man die Vorreiterrolle in Sachen Schildern im Grunde gelassen. Konrad Wawrzinek, Pfarrer einer katholischen Gemeinde, hat noch nicht einmal mitbekommen, dass so eine Entscheidung gefallen ist. „Wenn die Mehrheit dafür ist, dann ist das wohl so“, sagte er auf Nachfrage. Die Sorge von Ortsvorsteher Kierat um Wirbel und Unverständnis scheint zumindest für Radłów unbegründet.

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Die Autoren sind Korrespondenten von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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