Osteuropa fur DeutscheMEDIEN UND INSTITUTIONEN

Osteuropa fur Deutsche

Zwei neue Publikationen weisen den Weg durch die deutschsprachige Medien- und Institutionenlandschaft im Osten Europas.

Von Hartmut Wagner

EMDie Osterweiterung ist unterDach und Fach. Seit dem 1. Mai reicht die Europäische Union tief in deneinstigen Ostblock hinein. Was längst möglich war, beschäftigtdas Fernweh vieler Wessis erst jetzt: Eine Reise nach Prag oder Riga, Budapestoder Warschau. Viele deutschsprachige Osteuropafahrer, die sich dann ganz besonderswagemutig und abenteuerlustig wähnen, müssen allerdings etwas gebremstwerden. Denn Erstentdecker sind sie wahrlich keine mehr.

Im Gegenteil. In Prag und Budapest gibt es so viele Menschen, die Deutschsprechen oder sich für den deutschsprachigen Raum interessieren, daß sichtraditionsreiche deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften längst ihrenfesten Platz am Kiosk erkämpfen konnten. Ihre Auflage ist beeindruckend.Pro Woche kaufen rund 10.000 Leser die Prager Zeitung. In der ungarischenHauptstadt liefern sich Pester Lloyd und Budapester Zeitung einenharten Konkurrenzkampf. 15.000 Exemplare werden wöchentlich von beidenBlättern vertrieben. Und weil Deutsch im Land an der mittleren Donau immernoch sehr gefragt ist, haben sich mit der Balaton Zeitung (Auflage:10.000) und dem Lebensstil-Magazin Pep! (Auflage: 15.000) außerdemzwei Monatszeitschriften etablieren können.

Man liest deutsch

In Bukarest erscheint sogar eine deutschsprachige Tageszeitung, die einzigeim Bereich des ehemaligen Ostblocks. Die Allgemeine Deutsche Zeitung fürRumänien, nicht zu verwechseln mit der Deutschen AllgemeinenZeitung aus dem kasachischen Almaty, war eine der fünf überregionalenTageszeitungen im sozialistischen Rumänien. Doch mit der politischen WendeEnde der 80er Jahre kamen die Probleme: der Großteil der deutschstämmigenLeserschaft wanderte ab gen Westen. Die Bukarester Redaktion mußte sichnolens volens darauf einstellen und drosselte die Auflage von früher 70.000auf derzeit 2.800.

Zum Auflagen-Goliath unter den deutschsprachigen Blättern Osteuropashat sich die Moskauer Deutsche Zeitung gemausert. Bei Ausbruch desErsten Weltkrieges verboten, wurde sie 1998 von dem RußlanddeutschenHeinrich Martens wiedergegründet. Heute liegen alle zwei Wochen 32.000Exemplare der Zeitung in Restaurants, Bars und Hotels kostenlos zum Mitnehmenaus. Die MDZ möchte ein „Baustein der deutsch-russischen Freundschaft“ seinund versucht, dem russischen Image im Ausland, das oftmals von stiernackigenMafiabossen, Wodkagelagen im ewigen Eis und anderen Stereotypen beherrschtwird, mehr Realitätsnähe zu verleihen.

Die Finanzierung der Publikationen sichert ein Mix aus Zuwendungen des jeweiligenStaates, sowie Anzeigen- und Abonnementgebühren. Aber auch aus Deutschlanderhalten die Redaktionen tatkräftige Unterstützung. Allein im Jahr2003 schickte das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgartdreizehn sogenannte Medienassistenten nach Osteuropa: nach Rußland undKasachstan, Litauen und Polen, Rumänien und Tschechien. Die IfA-Assistentenarbeiten ein bis zwei Jahre als Redakteure und bringen vor Ort ihre journalistischenIdeen und sprachlichen Kenntnisse ein. Ihre Erfahrungen im Medienrummel zwischenOstsee und Schwarzem Meer schildern Medienassistenten jetzt in dem Heft „DeutschsprachigeMedien in Mittel- und Osteuropa“.

Anlaufpunkte für Osteuropafahrer

Beim Nachmittagskaffee auf dem Prager Hradschin oder in der Altstadt vonRiga eine deutschsprachige Zeitung aufzuschlagen, kann etwas sehr Anheimelndeshaben. Gerade, wenn man den restlichen Tag damit zu kämpfen hatte, sichin die Anfangsgründe einer Fremdsprache einzuarbeiten oder alte Schulkenntnissewieder aufzufrischen. Aber alleine die Vielfalt an deutschsprachigem Lesestoffzieht natürlich niemanden in die Metropolen der neuen EU-Mitglieder. Wohlaber die zahlreichen Institute und Institutionen, die enge wissenschaftlicheund kulturelle Kontakte mit Deutschland pflegen. Für Praktika oder Berufbieten sie in jedem Fall eine reizvolle Möglichkeit für einen längerenAufenthalt in Osteuropa.

Das „Handbuch EU-Ost-Kontakte“ ist so etwas wie eine abgespeckteFassung der Gelben Seiten für den Osten Europas. Es listet die Kontaktkoordinatenvon wichtigen deutschen und osteuropäischen Institutionen aus Politik,Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft auf. Allerdings wurden nur handverleseneEinrichtungen in das Buch aufgenommen, wobei die Auswahlkriterien unklar sind.Die in der IfA-Publikation vorgestellten Medien finden sich beispielsweiseim „Handbuch EU-Ost-Kontakte“ nur bruchstückhaft wieder. Rätselhaftist auch, daß ausgerechnet die deutschsprachige Andrássy-Universitätin Budapest keine Erwähnung findet (Vgl.: EM05-02). Wer sich also die Anschriftensammlung in sein Reisegepäcksteckt, muß trotzdem fürchten, nicht umfassend informiert zu sein.

Die Bücher:

Deutschsprachige Medien in Mittel- und Osteuropa – Berichteund Analysen.
Herausgegeben vom Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (IfA)
IfA-Dokumente1/2004, Stuttgart 2004, 96 Seiten.
Netz: www.ifa.de

Handbuch EU-Ost-Kontakte – Kontaktanschriften in Deutschland,Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien undUngarn.
Fibre-Verlag, Osnabrück 2004, 155 Seiten, ISBN 3-929759-81-0.
Netz: www.eu-ost.de

Deutschland Medien Osteuropa

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