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KREML
Von EM Redaktion | 16.08.2016
Iwanow, der sich nach seiner Entlassung artig für das von Putin ausgesprochene Lob bedankte, war nach vier Jahren und acht Monaten der am längsten amtierende Stabschef eines russischen Präsidenten überhaupt.
Iwanow sagte: „Ich werde mich bemühen, weiterhin dynamisch und erfolgreich auch meine neuen Aufgaben zu erfüllen.“
Einer der vorherigen Stellvertreter Iwanows, Andrei Vaino, wurde zu seinem Nachfolger ernannt. Iwanow zeigte sich überzeugt, dass „Vaino bereit für die Aufgabe“ sei.
Die Entlassung Iwanows folgt der Logik der aktuellen Umbesetzungen unter den Spitzenbeamten in Russland. Putin ersetzt seine alte Garde durch junge und loyale Bürokraten und stärkt dadurch seine persönliche Führungsrolle.
Sergej Iwanow, 63, ist seit langer Zeit ein Vertrauter Putins. Er kennt Putin schon seit Mitte der 1970-ger Jahre, als beide zusammen beim KGB arbeiteten. Mit dem Aufstieg Putins wurde auch Iwanow zu einem Spitzenbeamten und galt seit Putins erster Präsidentschaft als Mitglied des inneren Kreises.
Iwanow wurde 2001 zum Verteidigungsminister ernannt. 2007 wurde er als Vizepremierminister zum Stellvertreter von Dmitri Medwedjew. Iwanow und Medwedjew galten bis vor kurzem als heißeste Wettbewerber um die Nachfolge Putins.
Als nach der berühmten Rochade dann Medwedjew russischer Präsident wurde und Putin zum Regierungschef ernannte, war Iwanow als Vizepremierminister Putins Stellvertreter. Als Putin schließlich 2012 als Präsident in den Kreml zurückkehrte, wurde Iwanow sein Leiter der Präsidialadministration.
Im Gegensatz zu Iwanow halten Experten seinen Nachfolger Anton Vaino für einen reinen Bürokraten. „Er ist absolut neutral und höflich, nicht in der Lage zu diskutieren oder Fragen zu stellen. Er wurde von Putin persönlich ausgewählt.“ sagte eine Quelle aus Kreml-nahen Kreisen zur Moscow Times.
„Er ist nach Putins Maßstäben perfekt: effizient und ohne persönliche Verbindungen zu ihm“, stimmt auch der politische Analyst Stanislav Belkovsky zu.
Innerhalb des Kremls kam die Ernennung Vainos für viele nicht als allzu große Überraschung. Von dort heißt es, dass Vaino „sowieso der nächste Leiter der Präsidialadministration geworden wäre“.
Erste Gerüchte über eine bevorstehende Absetzung Iwanows waren bereits im Frühjahr aufgetaucht. Angeblich dachte Iwanow selbst schon seit längerem über einen Rücktritt nach.
Außerdem war Putin bereits seit längerem unzufrieden mit Iwanow. Das neue Gesetz über die Nationalgarde war Insidern zufolge der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Moskauer politische Kommentator Konstantin Gaaze sagt: „Vieles lief beim Entwurf dieses Gesetzes schief. Im Ergebnis ist die Version einer der Änderungen zum Gesetz, die Putin unterschrieb, unterschiedlich von der Version, über die das Parlament abstimmte. Der Kreml hatte Mühe, den Skandal zu kontrollieren.“
Andrei Vaino ist 44 Jahre alt. Er ist der Enkel des früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Estlands. Vaino spricht fließend Englisch und Japanisch, er ist ausgebildeter Diplomat und war auf Posten an der russischen Botschaft in Tokio und im russischen Außenministerium. Seit 2003 erklomm er die Karriereleiter im Präsidialamt und war dort unter anderem Leiter der Protokollabteilung. Innerhalb der Moskauer Elite gilt Vaino als eng vertraut mit dem Chef des Rüstungskonzerns Rostec, Sergej Chemezow, aber auch als sehr enger Vertrauter von Putin.
Vaino wird nicht als politische Akteur innerhalb des engeren Kreises um Putin gesehen, sondern vielmehr als eine Art persönlicher Assistent Putins, in etwa vergleichbar mit Dmitri Peskow, dem Pressesprecher des Präsidenten.
Wladimir Putin scheint in eine neue Phase seiner politischen Führung einzutreten. Aus dem Kreml-Umfeld heißt es, Putin sei jetzt davon überzeugt, dass es einfacher sei, alles selbst zu machen. Er braucht keine Weggefährten mehr, er braucht keine kreativen Anregungen von seinem Team. Putin braucht nur noch neutrale Bürokraten, die seine Entscheidungen ausführen.
Von diesem Blickwinkel aus gesehen folgt die Ernennung Vainos derselben Logik wie die kürzlichen Beförderungen seiner persönlichen Leibwächter Alexei Djumin und Jewgeni Zinitschew zu Gouverneuren der Gebiete Tula und Kaliningrad. Putins früherer persönlicher Bodyguard Wiktor Zolotow war bereits Anfang dieses Jahres zum Chef der neu formierten Nationalgarde ernannt worden.
Der politische Beobachter Alexej Makarkin sagt dazu: „Menschen wie Vaino gehören zum engsten Umfeld Putins, sie sind immer bei ihm - als seine Personenschützer oder in seinem Büro. Für sie ist Putin so etwas wie eine heilige Figur – kein Verbündeter oder Mitstreiter, sondern ein Boss.“
Die Ablösung Iwanows markiert eine Wachablösung. Putin ist der alten Weggefährten offenbar müde. In diesen Trend passt auch die Absetzung seines langjährigen Freundes Wladimir Jakunin als Chef der Russischen Eisenbahnen im vergangenen Jahr. Auch andere Langzeit-Vertraute wie der persönliche Sicherheitschef Jewgeni Murow mussten in diesem Jahr bereits den Hut nehmen.
„Putin ersetzt alte Freunde durch folgsame Diener – Menschen, denen er vertraut, die nicht durch persönliche Freundschaften mit ihm belastet sind und die sich nicht daran erinnern, dass es eine Zeit gab, in der Putin nicht der Führer des Staates war.“ sagt Analytiker Belkovsky.
Putin braucht offensichtlich mehr Raum für schnelle und einfache Entscheidungen. Darum schneidet er alte Verbindungen ab.
Mit der Entlassung Iwanows begannen auch Spekulationen über mögliche frühzeitige Neuwahlen des Präsidenten. Derzeit sind die Wahlen für März 2018 angesetzt.
Diese Variante kursiert als Gerücht bereits seit mehr als zwei Jahren aufgrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation in Russland. Der ehemalige Finanzminister Alexei Kudrin regte im vergangenen Jahr an, dass vorzeitige Präsidentschaftswahlen gefolgt von einem Reformprogramm das richtige Rezept zur Wiederbelebung der russischen Wirtschaft wären. Putin? wurde in diesem Jahr zum stellvertretenden Leiter des präsidentiellen Wirtschaftsrats ernannt, um ein Programm für den wirtschaftlichen Aufschwung zu entwickeln.
In einen Plan für vorzeitige Präsidentschaftswahlen könnten auch die vorgenommenen Umbesetzungen von Positionen passen. Vorgezogene Wahlen wären sinnvoll, wenn man aktuelle Äußerungen aus dem Finanzministerium ernst nimmt, die besagen, dass Russland im Jahr 2017 das Geld ausgehen könnte. Um das zu verhindern, sind Reformen nötig. Solche Reformen wären erst nach einer Neuwahl durchführbar, nicht direkt davor.
Der bekannte Experte Gleb Pawlowski hält eine solche Entwicklung für möglich: “Es gibt nichts, was Putin in dieser Hinsicht zurückhalten kann. Er könnte leicht vorzeitige Präsidentschaftswahlen ansetzen.”
Eine Quelle aus dem Umfeld der russischen Regierung hält diese Spekulationen jedoch für verfrüht: “Was wir gerade erleben, sind Versuche, das Management des Systems Putin zu verbessern. Eine Entscheidung über mögliche vorgezogene Neuwahlen wäre erst der nächste Schritt für Putin.“
Das Eurasische Magazin veröffentlicht diese Übersetzung des Artikels „Why Putin fired his Chief of Staff and Longtime Ally“ mit freundlicher Genehmigung der Moscow Times.
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