Rekordzuwächse für die britische WirtschaftENGLAND

Rekordzuwächse für die britische Wirtschaft

Während die meisten Volkswirtschaften im westlichen Europa kaum Wachstum aufweisen, gibt es vom Vereinigten Königreich immer neue Meldungen über die Expansion des Konsums und des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Allerdings steigt auch die Inflation.

Von Johann von Arnsberg

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ach einer schweren wirtschaftlichen Rezession Anfang der 90er Jahre zeigt die Entwicklung der Wirtschaft Britanniens heute eine steil ansteigende Tendenz. Das Pfund hat zum Beispiel gegenüber dem Euro deutlich an Wert gewonnen. Touristen, die nach England fahren, müssen weit tiefer in die Tasche greifen als noch vor einigen Jahren. Die Arbeitslosigkeit auf der Insel, die zeitweise bei zehn Prozent lag, konnte Anfang des Jahres 2004 auf 4,8 Prozent gesenkt werden.

Die britische Notenbank wird nun im August nach Einschätzung von Finanzfachleuten sogar die Zinsen erhöhen, um die überschäumende Konjunktur im Land abzukühlen. Ende Juli war bekannt geworden, daß die britische Wirtschaft im Frühjahrsquartal um weitere 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal zugelegt hatte. Das gesamte Wachstum betrug damit im Vergleich zum Jahr 2003 bereits 3,7 Prozent – so viel wie zuletzt im Boomjahr 2000. Ein Zinsschritt im August sei deshalb nun so gut wie sicher, meint beispielsweise Wolfgang Leim von der Dresdner Bank.

Viele britische Immobilienbesitzer haben über höhere Hypotheken Konsum finanziert

Bereits seit einem Dreivierteljahr versucht die Bank of England, die boomende Wirtschaft zu bremsen. Dazu hat sie seit dem Herbst den Leitzins in vier Schritten um insgesamt 100 Basispunkte erhöht. Besonders der kräftige Preisanstieg bei den Immobilien und die wachsende Verschuldung der Privathaushalte bereiten den Notenbankern Sorge. Immobilienpreise waren zum Teil um mehr als 30 Prozent pro Jahr gestiegen. Die Briten hatten als Reaktion auf diese explosionsartige Wertsteigerung ihre Hypotheken erhöht und das Geld, das sie von den Banken bekamen, in Konsum umgesetzt. Dies ist eines der Geheimnisse für den Kaufboom in Großbritannien.

Die Einzelhandelsumsätze auf der Insel haben durch diese Entwicklung in den letzten Wochen ein Rekordniveau erreicht. Nach Angaben des Statistikamts ONS hatten die Briten im Juni für 1,1 Prozent mehr Geld Waren in ihre Einkaufswagen gepackt als noch im Vormonat. Besonders Fernsehgeräte und Sportausrüstung verkauften sich wegen der Fußball-Europameisterschaft sehr gut. „Die Einzelhandelsumsätze könnten sich in den nächsten Monaten noch einmal beschleunigen“, glaubt Malcolm Barr von der Bank JP Morgan.

Die Außenhandelsbilanz Großbritanniens ist negativ

Die britische Außenhandelsbilanz weist ein seit mehreren Jahren steigendes Defizit auf. Großbritannien exportierte 2002 weltweit Güter im Wert von 186 Mrd. britischen Pfund (etwa 279 Mrd. Euro), während sich die Importe im gleichen Jahr auf 221 Mrd. britische Pfund (etwa 331 Mrd. Euro) beliefen. Wichtigste britische Ausfuhrgüter sind elektrotechnische Erzeugnisse, Erdöl und Erdölderivate, Büromaschinen und Straßenfahrzeuge. Wichtigste Einfuhrgüter sind Straßenfahrzeuge, elektrotechnische Erzeugnisse und Büromaschinen. 2003 ist das Handelsbilanzdefizit weiter angestiegen.

Euro-Einführung nicht in Sicht

Die Regierung in London will den Euro dann einführen, wenn dies „im wirtschaftlichen Interesse Großbritanniens liegt“, wie immer wieder betont wird. In seiner Stellungnahme im britischen Parlament am 9. Juni 2003 hat Schatzkanzler Brown festgestellt, daß die von der britischen Regierung aufgestellten wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen Beitritt derzeit nicht vorliegen. In der Haushaltsrede am 17. März dieses Jahres hat er eine erneute Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen vor den nächsten Parlamentswahlen (voraussichtlich Sommer 2005) ausgeschlossen. Wenn die britische Regierung sich danach für eine Einführung des Euro ausspricht, wird die endgültige Entscheidung von der Bevölkerung in einem Referendum getroffen.

Derzeit erfüllt das Land ohnehin nur drei von vier Maastricht-Kriterien. Denn in London liegt, wie beispielsweise auch in Berlin und Paris, das Haushaltsdefizit mit 3,4 Prozent deutlich über der Maastricht-Schwelle von 3,0 Prozent. Die anderen drei Voraussetzungen für eine Euro-Einführung hatte die Regierung Großbritanniens Anfang 2004 erfüllt: Inflationsrate 1,4 Prozent (Maastricht-Schwelle 1,5 Prozent), Gesamtverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsproduktes 39,3 Prozent (Maastricht-Schwelle 60 Prozent ) und auch die Langzeit-Zinsen liegen mit vier Prozent unterhalb des Maastricht-Limits.

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