13.01.2023 14:10:35
USA-EU
Von Hartmut Wagner
German Marshall Fund | |
Der German Marshall Fund mit Hauptsitz in Washington, D.C. wurde im Jahr 1972 gegründet und setzt sich dafür ein, die Beziehungen zwischen den USA und Europa zu fördern. Als historisches Vorbild dient ihm der nach dem einstigen US-Außen- und Verteidigungsminister George Marshall benannte „Marshall-Plan“, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau Europas beitragen sollte. Das Grundkapital der amerikanischen Stiftung von 245 Millionen D-Mark spendete einst die deutsche Bundesregierung. Die „Transatlantischen Trends“ werden jährlich ermittelt, erstmals im Jahr 2002. | |
EM – Die Europäische Union soll Supermacht werden wie die USA. So wollen es gemäß der Meinungsumfrage „Transatlantische Trends“ des German Marshall Funds fast drei Viertel (71%) der Europäer. Ebenfalls deutlich sprachen sich die Umfrageteilnehmer dafür aus, die EU müsse ihre militärische Macht ausbauen, um ihre Interessen unabhängig von den USA vertreten zu können. Knapp zwei Drittel (64%) der Europäer vertraten diese Ansicht. Die repräsentative Befragung wurde im Juni 2004 in neun europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, Portugal, Slowakei, Spanien) und den USA durchgeführt.
So eindeutig, wie diese Zahlen es glauben machen, ist das Meinungsbild in Europa zur eigenen Machtstellung in der Weltrepublik jedoch nicht. Das Umfrageergebnis offenbart eine unschlüssige, ja widersprüchliche Einstellung der Europäer zur Militärpolitik. Zwar forderten zwei Drittel mehr militärische Macht für die EU, gleichzeitig sprachen sich die Europäer gegen militärische Aufrüstung aus. Knapp die Hälfte der Europäer (47%) lehnt den Supermacht-Status für Europa ab, wenn dies mit höheren Ausgaben für das Militär verbunden ist. In den beiden wichtigsten EU-Staaten Deutschland und Frankreich fällt die Haltung zu einer Steigerung der Verteidigungsausgaben sehr unterschiedlich aus: 63 Prozent der Deutschen sind dagegen, aber nur 43 Prozent der Franzosen. In Frankreich akzeptierten eine Mehrheit der Bürger (54%) eine Aufstockung des Verteidigungshaushaltes, wenn dies für den Aufstieg zur Supermacht notwendig ist.
Deutlich unterscheiden sich auch die Ansichten der Menschen in der EU und den USA in der Frage, wem in der internationalen Politik eine Führungsrolle zukommen und wie eng die transatlantische Bindung sein sollte. 58 Prozent der Europäer (neun Prozentpunkte mehr als 2003) halten eine starke Führungsrolle der USA in der Weltpolitik für nicht wünschenswert. Hingegen befürworteten 79 Prozent der Nordamerikaner eine starke internationale Führungsrolle der EU. 41 Prozent der US-Bürger sind der Meinung, daß es eine EU-Supermacht geben sollte, 80 Prozent wünschen dies selbst dann, wenn die EU die US-Politik nicht immer gutheißen würde.
Die Europäer wollen die Emanzipation von den USA, umgekehrt streben die US-Bürger nach noch engerer transatlantischer Zusammenarbeit. Dies zeigen folgende Umfrageresultate: Exakt 50 Prozent der Menschen in den neun europäischen Ländern vertreten die Auffassung, EU und USA sollten in der Außen- und Sicherheitspolitik unabhängiger voneinander werden. In krassem Gegensatz hierzu möchten 60 Prozent der Amerikaner die Beziehungen zur EU intensivieren, 17 Prozent wollen den derzeitigen Zustand der Kooperation beibehalten.
Streitpunkt Nummer eins zwischen Alter und Neuer Welt ist nach wie vor das Thema Gewaltanwendung in der Außenpolitik (Vgl.: „Macht und Ohnmacht – Amerika und Europa in der neuen Weltordnung“ von Robert Kagan). Weit über drei Viertel der US-Amerikaner (82%) sind überzeugt, daß unter bestimmten Bedingungen ein Krieg notwendig ist, um Gerechtigkeit herzustellen. In Europa glauben nur 41 Prozent an einen gerechten Krieg. Die größte Zustimmung für Krieg als ultima ratio herrscht in Großbritannien (69%), die geringste in Spanien (25%). In Deutschland (31%) und Frankreich (33%) hält rund ein Drittel der Bevölkerung einen gerechten Krieg für möglich. 54 Prozent der Amerikaner, aber nur 28% der Europäer stimmen der Aussage zu, Frieden lasse sich am besten mittels militärischer Stärke sichern.
Nicht ganz so gespalten sind die Ansichten hinsichtlich eines militärischen Vorgehens im Kampf gegen den Terror. In den USA sieht eine absolute Mehrheit von 63 Prozent in Militärschlägen das angemessenste Mittel zur Terrorismusbekämpfung, in der EU sind es knapp die Hälfte (49%) der Menschen.
Wenn es die vitalen nationalen Interessen gebieten, dürfen die Vereinten Nationen von der eigenen Regierung ignoriert werden. So sehen es mehrheitlich die USA (59%), die Niederlande (58%), Slowakei (55%) und Großbritannien (51%). Dennoch werden insgesamt in den neun von der Umfrage berücksichtigten EU-Ländern solche unilateralen Alleingänge lediglich von 44 Prozent der Menschen gebilligt
Nach wie vor verschieden wird der Irak-Krieg der USA diesseits und jenseits des Atlantiks bewertet. Die große Mehrheit der Europäer (80%) glauben nicht, daß der Irak-Krieg den Verlust von Menschenleben und die dadurch entstandenen Kosten rechtfertigt. Der selben Meinung sind 50 Prozent der US-Bürger. In Europa meinen nahezu drei Viertel (73%) der Menschen, nach dem Krieg gegen den Irak habe die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus zugenommen. Von den Einwohnern der USA sehen dies knapp die Hälfte (49%) so.
Überraschend ist die Einstellung der Spanier, Franzosen und Deutschen zu einer von den Vereinten Nationen mandatierten Friedenstruppe im Irak. Für einen Militäreinsatz unter UN- nicht unter US-Kommando besteht in allen drei Ländern eine Mehrheit: Spanien (66%), Frankreich (63%), Deutschland (57%). Überraschend ist dieses Meinungsbild insbesondere deshalb, weil alle drei Nationen zu den führenden Gegnern der Irak-Politik der US-Regierung von George W. Bush gehören. Überdies wird in diesen Staaten wie erwähnt Krieg als letztes Mittel der Politik mehrheitlich abgelehnt. Ohne Zweifel ist aber die Möglichkeit, Friedenstruppen in den Irak zu entsenden, erst infolge des Irak-Krieges der USA entstanden.
Angesichts der genannten Resultate der Umfrage spricht der German Marshall Fund von einem Riß, der sich durch die transatlantische Gemeinschaft zieht. „Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, könnte es notwendig sein, die Grundlagen des transatlantischen Verhältnisses neu zu definieren, und zwar nicht mehr wie bisher als Partnerschaft erster Wahl, sondern als optionale Allianz bei beiderseitigem Bedarf“, kommentierte der Präsident der US-Stiftung, Craig Kennedy, die „Transatlantischen Trends 2004“.
Die Umfrage im Netz.
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