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Russische Helden-Babys

Russische Helden-Babys

Sie sind erst einige Tage alt, sind aber bereits mit Russlands bei der Europameisterschaft erworbenen neuen Fußball-Ruhm geweiht.

Von Ulrich Heyden

Fußballfieber in Moskau während der Europameisterschaft  
Fußballfieber in Moskau während der Europameisterschaft
(Foto: Ulrich Heyden)
 

D ie Rede ist von zwei Neugeborenen in der russischen Provinz, die von ihren Eltern den Namen Guus bekamen. Die Verehrung für Guus Hiddink, der die Nationalmannschaften von Südkorea und Australien auf Vordermann brachte und jetzt die russische Nationalmannschaft zu großem Ruhm führte, kennt in Russland keine Grenzen. Die Russen betrachten den Holländer längst als einen der ihren. Ein Wunder, was der Fußball vermag. Sonst wird in Russland immer sehr genau zwischen „naschi“ („Unseren“, d.h. die Bürger der Russischen Föderation) und den „Anderen“ unterschieden. Das sind die, die nicht zum russischen Einflussbereich gehören wollen, wie einige Tschetschenen, Georgier, Esten und natürlich die NATO und die USA.

Die Angst vor dem ausländischen Einfluss hat sich im Fußballfieber in Nichts aufgelöst. Kreml-Chef Dmitri Medwedjew bot Star-Trainer Hiddink, der erst dabei ist, Russisch zu lernen, sogar schon die Staatsbürgerschaft an. „Wir können ihm ja die russische Staatsbürgerschaft verleihen“, meinte Medwedjew auf die besorgte Frage eines Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, ob Hiddink in seiner Heimat nun noch sicher sei.

„Die Einfluss-Agenten aus dem westlichen Business, den Medien und dem Sport bauen unser Land in die Welt ein.“

Immer mehr ausländische Experten, Manager und Sportler verdienen in Russland gutes Geld und fühlen sich wohl. „Je reicher Russland ist, desto mehr Ausländer arbeiten bei uns“, schrieb das liberale Wochenmagazin Ogonjok. Und mit einem Augenzwinkern, „die Einfluss-Agenten aus dem westlichen Business, den Medien und dem Sport bauen unser Land in die Welt ein, ohne politische Direktiven.“

Was die Namensgebung ihrer Kinder betrifft, zog es die sonst traditionell gestimmten Russen immer wieder zum Außergewöhnlichen. In der älteren Generation gibt es außer den bekannten Aleksej, Juri, Olga und Lena nicht wenige Exoten wie „Gamlet“ (Hamlet), „Thälmann“, „Wladlen“ (Wladimir Lenin) und „Ninel“ (Lenin rückwärts buchstabiert). Viele, die als Thälmann geboren wurden, haben ihren Namen jedoch später in Iwan oder Sergej geändert.

Wehen nach dem Schlusspfiff

Nach dem großen Sieg über die holländische Mannschaft stand für Jewgeni Gorodnikow aus der westsibirischen Stadt Bolotnoje fest, dass sein Sohn Guus heißen soll. „Als unsere Mannschaft im Viertel-Finale siegte, rief mich mein Mann an“, erzählt Jelena Gorodnikowa, die 30jährige Mutter, der Zeitung „Nowye Iswestija“. „Ich war so aufgeregt, dass die Wehen einsetzten.“ Der Junge ist gesund und hat ein Gewicht von 3,1 Kilogramm.

Der Vater, Jewgeni, wollte seinen Sohn gleich im Krankenhaus unter dem holländischen Vornamen registrieren lassen. Aber die zuständigen Beamten schienen von dem Wunsch nicht begeistert. Sie gaben dem Ehepaar einen Monat Bedenkzeit.

Das zweite Baby mit dem Namen Guus kam am Sonnabend im Geburtshaus der Stadt Artjomowski im Ural zur Welt. Die Geburtsurkunde für ihren Neugeborenen sollen die Eltern bereits in zwei Wochen bekommen. Doch die Hebamme, Walentina Sdarina, ist sich nicht sicher, ob die Behörden den Eltern-Wunsch akzeptieren. Denn der Name ist sehr exotisch und durchaus nicht unproblematisch. „Gus“ heißt auf Russisch „Gans“. Exotische Namen können im jugendlichen Alter zu Problemen führen, warnen russische Kinderpsychologen.

Unproblematisch sind dagegen die Namen der russischen Spitzen-Fußballer, Roman Pawljutschenko und Andrej Arschawin. In St. Petersburg, wo Arschawin auch für den Club Senit spielt, ist der Name Andrej zur Zeit der Renner unter den Neugeborenen. Seit der letzten Woche wurden im Newski-Bezirk der Stadt zwölf Kinder mit dem Namen Andrej geboren. Ein Beamter des Einwohnermeldeamtes meinte gegenüber dem russischen Blatt: „Ich glaube die Zahl wird noch steigen. Die Väter machen Druck. Sie wollen, dass ihr Sohn Andrej heißt.“

Völlig unproblematisch ist es mit den Tieren, schreibt die Zeitung und verweist auf den Zoo im nordkaukasischen Naltschik, wo ein neugeborenes Kamel mit außergewöhnlich weißem Fell nach dem Fußballspieler Andrej Arschawin benannt wurde und nun „Arscha“ heißt, was im Russischen unverfänglich klingt.

Flaggenschwingen eigentlich illegal

Die russische Duma arbeitet unterdessen fieberhaft an einem Gesetz, mit dem die Regeln für den Gebrauch der russischen Flagge gelockert werden sollen. Dass sich russische Fußball-Fans ihre Gesichter in den Nationalfarben bemalen oder riesige Flaggen aus ihren Autos schwenken, ist nach russischem Gesetz eigentlich strafbar. Doch weil die Polizisten wissen, dass die Duma an einem neuen Gesetz arbeitet, drücken sie bereits beide Augen zu.

In der Vergangenheit gab es zahlreiche Fälle von Datschen-Besitzern, die auf ihren Holzhäusern in durchaus guter Absicht die Trikolore hissten, dann aber zu einer Ordnungsstrafe von bis zu 500 Rubel (13 Euro) herangezogen wurden.

Experten rechnen jedoch nicht vor dem Herbst mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes, denn der Parlamentsausschuss muss noch so manche knifflige Frage lösen, so etwa, was genau eine Flaggenschändung ist. Bisher steht auf diese Straftat eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr. „Die Verwendung der Flagge auf einer Unterhose ist in manchen Ländern Norm, in anderen nicht“, umreißt das Massenblatt „Moskowski Komsomolez“ in dürren Worten die Not der Parlamentarier.

Kultur Russland

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