Schokoland Russland enttäuscht den schwäbischen EdelproduzentenRITTERS RÜCKZUG

Schokoland Russland enttäuscht den schwäbischen Edelproduzenten

Schokoland Russland enttäuscht den schwäbischen Edelproduzenten

Quadratisch ja, praktisch und gut keineswegs – so fiel das Schlusszeugnis aus, das „Ritter Sport“ am Produktionsstandort Moskau zur Beendigung seines Joint Ventures veranlasste. Schlechte Rohstoffe und hohe Importzölle zwangen das weltbekannte Unternehmen zur Einstellung der Produktion am Rande der russischen Hauptstadt.

Von Simone Schlindwein

Irina und Katja präsentieren in Moskau die neuen Schokosorten von Ritter Sport: Erdbeere Joghurt und Bio.   
Irina und Katja präsentieren in Moskau die neuen Schokosorten von Ritter Sport: Erdbeere Joghurt und Bio.   

R ussland ist ein Schokoland. Das haben die Strategen von Ritter Sports quadratischer Schokolade schon früh erkannt. Im Jahr 2002 eroberte das Traditionsunternehmen aus dem schwäbischen Waldenbuch bei Stuttgart den russischen Riesenmarkt. Dort kämpften die lokalen Schokoladenhersteller nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft 1998 mit knappen Rohstoffen. Das deutsche Familienunternehmen hatte also eine lukrative Marktlücke entdeckt: Zwei Jahre später startete Ritter Sport ein praktisches Joint Venture mit dem russischen Pralinenhersteller Korkunow. Seitdem ratterten in der 1999 fertig gestellten Schokofabrik in einem westlichen Vorort von Moskau abwechselnd halbrunde Korkunow-Pralinen und quadratische Tafeln vom Band. (Siehe EM-02-04 Eurasien Ticker).

Im russischen Fernsehen warb ein offensichtlich von dem Genuss begeisterter Russe mit dem Slogan von Ritter Sport: „kvadratiiish, praktiiish“. Schon vorher wurde Ritter-Schokolade nach Rußland importiert. Nun ließ das schwäbische Traditionsunternehmen seine süßen Quadrate in Odinzowo bei Moskau vom Band laufen.

Der Ritter kehrt heim

Doch mit der süßen Partnerschaft ist es jetzt vorbei. Ritter Sport verlegt seine Produktion für den russischen Markt wieder in die schwäbische Heimat. Der Hauptgrund:  Die Qualität der russischen Zusatzprodukte sei nicht zufrieden stellend. „Wir wollen, dass die Schokolade weltweit absolut gleich schmeckt und dieselben Qualitätsstandards erreicht“, erklärte Alfred Ritter, Inhaber und Enkel des Firmengründers in Moskau. Doch damit die Schokolade auch in Russland so schmecke wie das deutsche Quadrat, habe man alle Zutaten importieren müssen. Und da der Zolltarif für Milch, Zucker und Kakaomasse fast so hoch ist wie für die fertigen Tafeln, lohne sich die Produktion vor Ort nicht. „Das macht den Kohl nicht fett“, erklärt Thomas Seeger, Ritter Sport-Pressesprecher, den Kostenfaktor mit dem schwäbischen Sprichwort. Wirklich günstiger wäre die Herstellung in der Fabrikanlage bei Moskau nur dann, wenn Ritter Sport russische Rohstoffe verwenden würde. Doch: „Die russische Milch schmeckt nicht wie die aus dem Schwarzwald und der Zucker nicht wie Südzucker“, klagt er. Zudem steigen die Rohstoffpreise in Russland drastisch, erklärt Generaldirektor von Ritter Sport Russland, Alexej Jarowoj.

In Russland erfreuen sich die quadratischen Tafeln dennoch immer größerer Beliebtheit 

Alfred T. Ritter, Eigentümer und Enkel des Unternehmensgründers, präsentiert das Bio-Sortiment, das zeitgleich auch den russischen Markt erobern soll.   
Alfred T. Ritter, Eigentümer und Enkel des Unternehmensgründers, präsentiert das Bio-Sortiment, das zeitgleich auch den russischen Markt erobern soll.   

Dabei ist Russland für die Ritter Sport GmbH & Co. KG der größte ausländische Absatzmarkt. Fast fünf Prozent des Gesamtabsatzes vernaschen heute russische Schokoladenfans. Der Absatz in Russland stieg von 280 auf 290 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Acht der 22 in Deutschland bekannten Sorten vertreibt der Süßwarenhersteller in Russland, zwei Sorten werden sogar exklusiv für den russischen Geschmack hergestellt: Karamellnuss und Sonnenblumenkern. Zum russischen Frühlingsbeginn soll auch die Sorte Joghurt-Erdbeere in den russischen Kiosken angeboten werden und fast zeitgleich wie in Deutschland will Ritter Sport Russland die neue „Bio“-Schokolade in Russland vertreiben.

Doch ausgerechnet die russischen Spezialsorten sind bislang nie in der Fertigungsanlage bei Moskau vom Band gelaufen. Dort produzierte Ritter Sport ausschließlich die ungefüllten Quadrate. Nüsse oder Sonnenblumenkerne einzutafeln, ohne dass sie mit der Kakao- oder Karamellmasse verschmelzen, sei ein hochkomplizierter Prozess, erklärt der Ritter Sport-Sprecher. „Dazu sind die Anlagen unseres russischen Partners ohnehin nicht ausgelegt.“ Außerdem habe man eben erst im Mutterwerk in Waldenbuch massiv investiert, um die Kapazitäten zu erhöhen.

Der russische Partner gehört jetzt dem US-Kaugummihersteller Wrigley

Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Der russische Partner Korkunow verkaufte im vergangenen Jahr 80 Prozent seines Unternehmens an den amerikanischen Kaugummihersteller Wrigley. Und mit Kaugummi, sagt Seeger, „haben wir nichts am Hut.“ So war auf beiden Seiten das Interesse nicht groß, den Vertrag über die Schokoladenherstellung in der Odintsowo-Fabrik mit dem neuen Haupteigentümer zu erneuern.

Vom Produktionsstopp der deutschen Schokolade in Russland ist in Moskaus jedenfalls nichts zu sehen. Nach wie vor prangen zahlreiche Werbeplakate von den Anzeigetafeln in der russischen Hauptstadt. „Quadratisch. Praktisch. Gut“ lautet auch hier der berühmte Slogan - doch nicht auf Russisch, sondern auf Deutsch. Und die Losung hat sich mittlerweile auch im russischen Sprachgebrauch festgesetzt: Selbst Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow beendete einst eine Rede mit den drei Schlagwörtern.

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Die Autorin ist Korrespondentin von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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