Shamil Basajew bricht sein SchweigenBESLAN

Shamil Basajew bricht sein Schweigen

Zynische Aussagen über Beslan als zweite Wahl, die Schuld der Nordosseten und die Notwendigkeit weiterer ähnlicher Terrorangriffe

Von Andrea Jeska

Mangel an Geld war angeblich der Grund, warum die nordossetische Stadt Beslan Ziel eines schockierend brutalen Terrorangriffs wurde. Das jedenfalls behauptet der von Rußland als Terrorist gesuchte Tschetschene Shamil Basajew, und das berichtet die englische Times. Basajew gilt als Drahtzieher des blutigen Anschlags auf die Schule Nummer 1, bei dem mindestens 170 Kinder und noch mal so viele Erwachsene ihr Leben verloren. In seinem ersten Interview seit dem Anschlag lieferte Basajew dem englischen Sender Channel 4 eine zutiefst zynische und verachtende Erklärung dafür, soviel Leid über die Stadt Beslan gebracht zu haben.

Rechtfertigungsversuche

Er habe ursprünglich geplant, sagte Basajew, eine, vielleicht sogar zwei Schulen in Moskau und St. Petersburg besetzen zu lassen. Finanzknappheit habe ihn und seine Männer auf eine Schule in Nordossetien ausweichen lassen, jener „russischen Garnison im Kaukasus“. Basajew macht Rußland für das Elend des Nordkaukaus, vor allem in Tschetschenien verantwortlich, und sagte, dies alles geschähe mit der stillen Zustimmung des nordossetischen Volkes. Den Terroranschlag auf Zivilisten, auf Kinder rechtfertigte er mit der Feststellung, man befände sich im Krieg, da sei es egal, ob jemand bewaffnet oder unbewaffnet sei. „Menschen, die Putins Politik unterstützen, die ihre Steuern für diesen Krieg zahlen, ihre Soldaten dort hinein schicken und von ihren Priester weihen lassen, können diese Menschen unschuldig sein, nur weil sie unbewaffnet sind?“

Basajew bestätigt damit, was vermutet wurde: Die Nordosseten, die als einzige der nordkaukasischen Republiken stets loyal zu Rußland standen, sollten für diese Loyalität bestraft werden. Nordossetiens Hauptstadt Wladikawkas ist das Kind einer zweijährigen Leidenschaft zwischen dem Fürsten Grigorji Alexandrowitsch Potomkjin und der Zarin Katharina der Großen. Potomkjin baute seiner Zarin die heutige Stadt 1748 als Festung, als ein Bollwerk gegen die kriegerischen Bergstämme. Die „Herrscherin des Kaukasus“ sollte Rußlands Expansion nach Süden sichern. Anders als ihre aufständischen Nachbarn haben die Osseten sich seither stets nach Rußland gerichtet – und damit Mißgunst erweckt. Seit einem kurzen, blutigen Krieg in den 1990er Jahren, den die Osseten gegen das Nachbarland Inguschetien führten, sind die Beziehungen zu Tschetschenien und Inguschetien feindlich.

Mitarbeiter von Channel 4 hatten laut Times lange verhandelt, bevor Basajew zu dem Interview bereit war. Seine eigenen Männer filmten ihn an seinem unbekannten Aufenthaltsort und übergaben das Video im Nahen Osten einem Reporter des englischen Senders.

„Ich war über das Geschehen nicht erfreut.“

Das Drama von Beslan, so Basajew, hätte ihn zutiefst schockiert. Seine Intention sei es gewesen, die Russen zu einem Ende des tschetschenischen Völkermordes zu zwingen, dazu habe es eines Anschlags bedurft, aus dem es keinen anderen unblutigen Ausweg geben konnte, als den Forderungen nachzugeben. Er sah sich jedoch grausam getäuscht. Er habe nicht geglaubt, daß die Russen den Tod so vieler Kinder in Kauf nehmen würden, schob Basajew die Verantwortung für den schrecklichen Ausgang auf Moskau. „Ich war über das Geschehen nicht erfreut.“

Laut Basajew waren es russische Flammenwerfer, nicht die Bomben der Terroristen, die das Dach der Schule zum Einsturz brachten. Infolge dieses Einsturzes war der ohnehin chaotische Schulsturm völlig eskaliert.

Der 40jährige Shamil Basajew ist Rußlands meistgesuchter Terrorist, auf seinen Kopf ist eine Prämie von zehn Millionen Dollar ausgesetzt. Er wird auch für die Ermordung des tschetschenischen, von Rußland eingesetzten Präsidenten Kadyrow verantwortlich gemacht. Vermutlich versteckt er sich in den Bergen von Tschetschenien und organisiert von dort den Partisanenkampf seiner Männer und zunehmend auch Frauen. Diese sogenannten Schwarzen Witwen werden fast ausschließlich als Selbstmordattentäterinnen mißbraucht. (Vgl.: „Verheizt und manipuliert“)

„Wir planen weitere Operationen.“

Wie die Times berichtet, sitzt Basajew während des Interviews vor einer Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Anti-Terror“, die Fragen liest er von einem Laptop ab. Rußland, nicht er, sei terroristisch, verkündet er, und beklagt das blutige Gemetzel in Tschetschenien. Und er kündigt an, seinen „Krieg“ gegen den Kreml nicht beenden zu wollen. Es werde weitere Angriffe auf Zivilisten geben. Wörtlich soll Basajew gesagt haben. „Wir planen weitere Operationen von der Art, wie sie in Beslan stattfand, weil man uns dazu zwingt“. Der Terrorist behauptet außerdem, im vergangenen Jahr hätten 200 bis 300 seiner Männer 15 Großattacken auf militärische Ziele verübt.

Im Verlauf des Interviews gibt Basajew an, den früheren tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow getroffen zu haben, der ihm vorwarf, in Beslan „zu weit“ gegangen zu sein, und verlangte, er solle sich für diese Tat einem Gericht stellen. Maschadow gilt offiziell als Führer der tschetschenischen Rebellenbewegung, die sich aus mehreren Gruppen zusammensetzt. Bisher hat Basajew stets behauptet, Maschadow sei an der Planung des Beslan-Anschlags, in den auch nordossetische und russische Beamte verwickelt sind, beteiligt gewesen.

Kaukasus Russland

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