Superreiche in AsienWELTFINANZEN

Asiens Superreiche

Superreiche in Asien

Globalisierung schafft eine neue Topografie von Wirtschaft und Reichtum. Die Leistungsfähigkeit der Weltwirtschaft verschiebt sich vom Transatlantik nach Asien. Auch Macht und Vermögen verlagern sich nach Osten. In Asien-Pazifik leben fast 400 Milliardäre.

Von Wilfried Arz | 21.05.2016

Südasien steht noch immer für Massenarmut. In Indien und Bangladesch allein leben über 500 Millionen Menschen in Armut. Japan, Südkorea, Taiwan und Singapur gelang hingegen der Sprung in die Liga erfolgreicher Industriestaaten. Wirtschaftlicher Erfolg wird im pazifischen  Asien allerdings durch eine extrem ungleiche Einkommensverteilung konterkariert. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen dort durchschnittlich 70 bis 75 Prozent des Vermögens (Deutschland: 10 zu 60). Nach Berechnungen des US-Wirtschaftsmagazins Forbes lebten 2015 die meisten Milliardäre in Asien (578), gefolgt von USA/Kanada (575) und Europa (514). Lateinamerika (85) und Afrika mit 29 Milliardären bilden das Schlusslicht.     

Wer sind Asiens Milliardäre?

Superreiche in Asien-Pazifik sind Chinesen oder chinesischstämmig - auch auf den christlichen Philippinen und im islamischen Indonesien. In Südostasien kontrollieren Chinesen die Wirtschaft - Banken, Immobilien, Mobilfunknetze, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, Spielcasinos. Reichtum fällt nicht vom Himmel. Biografien asiatischer Milliardäre offenbaren rationale Grundlagen für wirtschaftlichen Erfolg: regionale Beziehungsnetzwerke und politische Verbindungen. Nicht selten beschleunigen Spekulation, Insiderhandel, das Jonglieren mit Fremdkapital dubioser Herkunft und Bestechung von Politik und Justiz lukrative Geschäfte.

Statussymbole wie Limousinen und Privatjets werden von Asiens Supperreichen zur Schau gestellt.Statussymbole wie Limousinen und Privatjets werden von Asiens Supperreichen zur Schau gestellt.

Kriminell erworbene Milliarden

Milliardenvermögen werden in Asien auch von kriminellen Organisationen erwirtschaftet: der Yakuza in Japan, den Triaden in China/Hongkong/Macao und mafiösen Netzwerken in ganz Südostasien. Gleichwohl tauchen diese Namen in Asiens exklusiven Clubs von Superreichen nicht auf. Über den Handel mit Drogen, Prostitution, Menschen und Waffen kursieren nur vage Schätzungen. In China dürfte die systemische Korruption von kommunistischen Parteikadern auf allen Ebenen heute schwindelerregende Dimensionen erreicht haben.

Narzisstischer Luxuskonsum

Statussymbole zählen unter Asiens Superreichen zum ganz normalen Alltag. Reichtum in Asien-Pazifik wird in Hongkong, Singapur, Bangkok, Jakarta und Shanghai offen zur Schau gestellt: extravagante Limousinen, Mega-Yachten mit Hubschrauber-Landeplatz, Privat-Jets und Golf als elitärer Freizeitsport. Exklusiver Lebensstil wird in exklusiven Clubs gepflegt. Kunst und Antiquitäten stehen als (teures) Hobby hoch im Kurs. Soziales Engagement findet auffallend geringe Priorität. Die Ausbildung des materiell verwöhnten Nachwuchses erfolgt auf Elite-Schulen und Universitäten in den USA und England, Australien und Kanada.

Wo werden die Milliarden verdient?

Asiens milliardenschwere Eliten sind sichtbar verwestlicht: in Ideologie und Bildung, in Englisch als Weltsprache und im narzisstischen Luxuskonsum. Asiens Superreiche konzentrieren sich in Hongkong, Beijing, Singapur und Tokio. Quellen ihrer Milliardenvermögen bilden zu fast 20 Prozent Finanzen, Banken und Investments. Der rasant expandierende (spekulative und unproduktive) Immobiliensektor hat sich zu einem zweiten Standbein Superreicher entwickelt. Reichtum will erfolgreich gemanagt werden: die Vermögensverwaltung von Milliardären und Millionären in Asien-Pazifik liegt nicht selten in Händen westlicher Banken.

Generationswechsel mit Hindernissen

Reichtum schützt jedoch vor Sorgen nicht. Auch Reichtum und Alter liegen nah beieinander. So beträgt das Durchschnittsalter der 100 reichsten Asiaten (ohne Japan) fast 70 Jahre. Über Jahrzehnte von Asiens Superreichen aufgebaute Milliarden-Imperien werden teilweise noch immer als Familienunternehmen geführt (Samsung in Südkorea) und sehen sich mit Nachfolgeproblemen konfrontiert. In Macao streiten sich die Nachkommen des Casino-Königs Stanley Ho um dessen Milliardenerbe - ein Familiendrama mit realsatirischen Zügen. In Thailand verursachte der kokainverschnupfte Erbe des Red Bull-Getränkeimperiums 2012 (damals 26 Jahre alt) den Tod eines Verkehrspolizisten und entzieht sich bis heute durch seine Flucht ins Ausland der Justiz. Generationswechsel stößt in Asien auf manche Probleme.

Geld und Politik

Business und Politik - in Asien eine enge Beziehung zu beiderseitigem Vorteil. Zugleich eine Beziehung, die einen tiefgreifenden Wandel vollzogen hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Big Business politische Protektion und unternehmerfreundliche Gesetze erkaufte. Inzwischen greifen Asiens Business-Eliten selbst nach politischer Macht: Corazon Aquino (1986-1992) und Benigno Aquino (2010-2016) auf den Philippinen, Thaksin Shinawatra (2001-2006) und Yingluck Shinawatra (2011-2014) in Thailand. Politisches Engagement einer neuen Tycoon-Generation gereicht dabei nicht immer zum Vorteil ihrer Länder, dafür lassen sich eigene wirtschaftliche Interessen hinter Fassaden demokratischer Wahlprozesse sehr viel zielstrebiger durchsetzen.

Südkorea: Spitzenreiter Samsung

Südkorea glänzt mit Wirtschaftserfolg. Das Land steht an zehnter Stelle aller Industrienationen. Dennoch leben acht Millionen Südkoreaner in Armut. Die reichsten zehn Prozent besitzen fast 63 Prozent des gesamten Vermögens. Symbol des Wirtschaftserfolges ist der global operierende Elektronikkonzern Samsung (Smartphones, Flachbildschirme, Klimaanlagen, Kühlschränke) mit über 300 Milliarden US-Dollar Umsatz. Samsung gilt zudem als Musterbeispiel eines konservativen Familienbetriebes mit paternalistischen Führungsstrukturen. Samsung gehört der Lee-Familie. Mit 26,6 Milliarden US-Dollar Vermögen rangiert die Lee-Dynastie heute an der Spitze von Südkoreas Einkommenspyramide wie auch im gesamten Asien-Pazifik-Raum.

Hongkong: Immobilienkönig Lee

Wirtschaftsboom präsentiert sich in Hongkong ebenfalls mit Schattenseiten: neben 55 Milliardären (2015) leben über 20 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Chinas Sonderwirtschaftszone offenbart das höchste Einkommensgefälle in ganz Asien. Zehn Prozent der reichsten Familien besitzen 77,5 Prozent des gesamten Reichtums in der Sieben Millionen-Hafenmetropole. Hongkongs Wirtschaft konzentriert sich in Händen weniger Oligarchen-Familien, deren Vorfahren von Festland-China zugewandert sind. Als reichster Hongkong-Bürger gilt Immobilienkönig Lee Shau-Kee (88) mit rund 24 Milliarden US-Dollar.

Thailand: Reich durch Hühnchen

Kulinarische Vorlieben ihrer Landsleute haben Thailands Chearavanont-Familie reich gemacht. Der Name Chaeron Pokphand (CP) steht für Thailands legendäres Hühnchen-Imperium. Dhanin Chearavanont (77) rangiert als Chef des CP-Konzerns mit knapp 20 Milliarden US-Dollar (2015) Vermögen an der Spitze von Thailands Superreichen. Chearavanont besitzt in Thailand auch die beiden Supermarktketten Siam Makro und 7-Eleven. Reichtum und Armut sind in Thailand extrem ungleich verteilt: die reichsten zehn Prozent besitzen 75 Prozent des gesamten Vermögens im Königreich. Armut? Offiziell leben nur rund 13 Prozent unter der Armutsgrenze, doch verfügen 44 Prozent aller Thai über weniger als fünf US-Dollar/Tag.

Malaysia: Milliarden mit Zucker und Telekom

In Asiens Einkommenspyramide steht Malaysia mit rund 11.000 US-Dollar Durchschnittseinkommen auf den vorderen Plätzen. Dennoch herrschen im Land krasse Einkommensverhältnisse: die reichsten zehn Prozent besitzen rund 72 Prozent des gesamten Vermögens. Fast 18 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als vier US-Dollar/Tag auskommen. Jahrelang konkurrierten zwei Tycoons um die Position des reichsten Staatsbürgers: Ananda Krishnan (Telekom) und die Robert Kuok-Familie (Zucker, Reederei). 2015 rückte Quek Leng Chan mit fast 19 Milliarden US-Dollar zum reichsten Malaysier auf.

Indonesien: Reich durch Tabak

Mit einem Vermögen von 48 Milliarden US-Dollar leben in Indonesien 19 Milliardäre. Seit Jahren unangefochten an der Spitze: Budi Hartono (79) mit 15 Milliarden US-Dollar (2015). Sechzig Prozent der 240 Millionen-Bevölkerung Indonesiens gelten als Raucher. Für Hartono ein Riesengeschäft. Neben seinem Tabak-Imperium unterhält Hartono auch die Bank Central Asia. Jahrzehntelang pflegte Hartono enge Beziehungen mit dem korrupten Suharto-Clan auf dem Inselarchipel. In welchen Dimensionen sich zusammengeraffte Milliarden der Familie von General Suharto (Staatspräsident 1966-1998) bewegen wird bis heute verheimlicht.

Philippinen: Immobilienkönig Henry Sy

Auf dem pazifischen Inselarchipel liegen 76 Prozent des Reichtums in den Taschen der reichsten zehn Prozent. Rund 25 Prozent der 100 Millionen Filipinos und Filipinas leben dafür in Armut. 2016 wurden auf den Philippinen elf Milliardäre genannt. Reichster Staatsbürger der Philippinen ist mit 14 Milliarden US-Dollar Henry Sy (91) durch Immobilien, Einkaufszentren, Banken und seit 2014 einem Mega-Casino. Zur Liga philippinischer Milliardäre dürfte auch die Familie des Diktators Ferdinand Marcos (1965-1986) zählen. Dessen durch Korruption erworbenes Vermögen wird zwischen zehn und zwanzig Milliarden US-Dollar vermutet.

Vietnam: Rote Kapitalisten

Südostasiens wirtschaftlicher Aufsteiger Vietnam boomt. Marxismus und Kapitalismus sind für die KP-Regierung in Hanoi kein Widerspruch. Korrupte Funktionäre und deren Nachwuchs sind inzwischen zu erfolgreichen Kapitalisten mutiert. Vietnams nouveaux riches (Neureiche) konzentrieren sich in der 10 Millionen-Metropole Saigon (offiziell: Ho-Tschi-Minh-Stadt). Als Vietnams erster Milliardär ist Pham Nhat Vuong (48) mit seiner Vingroup (Bauwirtschaft, Immobilien) in die Wirtschaftsgeschichte seines Landes eingegangen. Vuongs Vermögen wird auf 1,5 Milliarden US-Dollar (2015) geschätzt.

China: Reich werden ist ehrenhaft

Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsmacht Nummer Zwei begann mit dem vielzitierten Slogan: „Reich werden ist ehrenhaft“ (Deng Xiaoping) und markierte den Abschied von einer klassenlosen Gesellschaft. Chinas rote Aristokratie (Nachkommen führender KP-Funktionäre) nutzte den Wirtschaftsboom zur Selbstbereicherung. Reichtum nimmt im sozialistischen China deutlich zu: die Zahl der Millionäre übersteigt bereits eine Million, daneben leben 213 Milliardäre (2015) in der Volksrepublik. Als reichster Staatsbürger wird 2016 Wang Jianlin (61) genannt. Wangs 30 Milliarden-Vermögen beruht auf Immobilien und dem weltgrößten Kino-Imperium. Im Westen bekannter ist Milliardär Jack Ma (51) mit seinem Alibaba-Internetportal. Dessen Vermögen wird auf rund 25 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Grenzenloser Reichtum

Alljährlich veröffentlicht das US-Wirtschaftsmagazin Forbes Ranglisten von Milliardären in aller Welt. Die Liga der Superreichen wird von Auf- und Abstiegen bestimmt. Doch bleiben alle verfügbaren Daten mit Unsicherheiten behaftet: nicht erfasst werden die in Steueroasen versteckten Milliarden. Veröffentlichungen der “Panama-Papiere” im April 2016 offenbarten Dimensionen von mehreren Billionen US-Dollar! Milliardenreichtum bleibt dabei nicht an ein bestimmtes politisches System gebunden. Ob westliche Demokratie, autoritäre Diktatur oder marxistische Herrschaft: wirtschaftliche Globalisierung diktiert Regeln, denen sich heute kein Staat entziehen kann. Reichtum kennt keine ideologischen Grenzen. 

Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler in Bangkok/Thailand.

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