Verloren im IrakGESEHEN

Verloren im Irak

Das Donnern tieffliegender Kampfflugzeuge durchzieht den Film bis in den Abspann hinein. Immer wieder fährt der Zuschauer zusammen in der Erwartung, gleich wurde die Szene in einem vernichtenden Bombenhagel ihr Ende finden. Ganz anders die Menschen auf der Leinwand.

Von Friedrich Mannstein

 
Mira mit seinen Söhnen Barat (links) und Audeh (rechts) im Gebirge Kurdistans  

EM – Das Donnern tieffliegender Kampfflugzeuge durchzieht den Film bis in den Abspann hinein. Immer wieder fährt der Zuschauer zusammen in der Erwartung, gleich würde die Szene in einem vernichtenden Bombenhagel ihr Ende finden. Ganz anders die Menschen auf der Leinwand. Am Ende des achtjährigen iranisch-irakischen Krieges (1980-1988) ist der Kriegszustand für die Kurden zum Alltag geworden. Sie bringt nichts mehr aus der Ruhe.

Versucht man „Verloren im Irak“ einzuordnen, ist sicherlich die Sparte Anti-Kriegsfilm die richtige. Jedoch ist der Krieg im Film nur zu hören, nicht aber zu sehen. Und dennoch wird das Kriegsgeschehen durch das stetige Vorbeizischen der Jagdbomber ebenso eindringlich dargestellt wie durch aufwendige Bilder großer Schlachten. Nur einmal sieht man ein Bombardement eines Flüchtlingslagers. Hier bricht der Krieg aus den Wolken und zeigt sich in seiner ganzen Brutalität.

Trotz Krieg beschließt der greise Kurde Mirza mit seinen beiden Söhnen Barat und Audeh seine Ex-Frau Hanareh zu suchen. Sie hatte sich vor über zwei Jahrzehnten von ihm getrennt. Auf einem alten Motorrad mit Beifahrerwagen verlassen die Drei ihr iranisches Dorf in Richtung des irakischen Teils Kurdistans. Mirza spielte einst in einer bekannten Musikgruppe, deren Sängerin Hanareh war. Auch auf dem Weg in den Irak tritt Mirza mit seinen Söhnen auf. Ihren exotischen Instrumenten entspringen dabei mindestens genauso exotische Klänge. Schon bald wird den Reisenden Motorrad, Kleidung und Geld gestohlen. Weiter muß es deshalb durch die eingeschneiten Gebirgsketten Kurdistans per Anhalter und zu Fuß gehen. Audeh entschließt sich unterwegs, zwei Jungen zu adoptieren und bleibt daher in einer Gebirgssiedlung zurück. Er hat bereits sieben Frauen und dreizehn Töchter und will nicht mehr länger auf den ersehnten Stammhalter warten. Barat hat sich unsterblich verliebt und schließt sich einem Flüchtlingstreck an. Die letzten Kilometer nimmt Mirza deshalb allein auf sich. Im Dorf von Hanareh erwartet ihn das blanke Schrecken: Die Bewohner wurden von irakischen Truppen mit Chemiewaffen angegriffen. Wegen ihres entstellten Gesichts läßt sich Hanareh ihrem ehemaligen Mann verleugnen, gibt ihm jedoch ihre Tochter mit. Niedergeschlagen stapft der alte Mann mit dem Mädchen auf dem Rücken über die Grenze in den Iran zurück.

Skurrile Zwischensequenzen geben dem Film immer wieder einen Anstrich von tiefschwarzem Humor. Da taucht plötzlich ein Lehrer auf, der seinen ABC-Schützen erklärt, was ein Flugzeug ist. Über die schlammigen Gebirgspfade laufen zwei aneinandergekettete Militärs in bunter Unterwäsche. Auch Barat, der ohne Gebiß, dafür aber Tag und Nacht mit einer eigentümlichen Sonnenbrille unterwegs ist, gibt dem Stück eine eigenartige Komik. Die dichte Folge der unterschiedlichen Szenen erweckt manchmal den Eindruck einer Theateraufführung.

„Verloren im Irak“ erhielt mehrere Auszeichnungen und lief 2002 auf Filmfesten in zehn verschiedenen Ländern. Der kurdische Regisseur Bahman Ghobadi wurde 1969 in Baneh geboren, einer iranischen Kleinstadt an der Grenze zum Irak. „Verloren im Irak“ ist sein zweiter großer Film. Ghobadis Erstlingswerk „Zeit der trunkenen Pferde“ erhielt im Jahr 2000 auf den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Kamera und wurde auch für einen Oscar nominiert.

„Verloren im Irak“ (Originaltitel: Avazhayé Sarzaminé Madariyam)
Iran 2002, 97 Min., Original in kurdischer Sprache mit deutschen Untertiteln, ab 6 Jahren
Regie: Bahman Ghobadi
Darsteller: Shahab Ebrahimi, Alahmorad Rashtiani, Fa'eq Mohamadi

Weitere Informationen zum Film finden Sie hier
Die persönliche Netzseite (Engl./Pers.) von Bahman Ghobadi: www.bahmanghobadi.com

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