„Visafrei – das wäre jetzt das richtige Signal“DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN

„Visafrei – das wäre jetzt das richtige Signal“

Der außenpolitische Sprecher der Partei Die Linke, Wolfgang Gehrcke, wirbt in Moskau für die Visafreiheit zwischen Deutschland und Russland. Beide Länder müssen sich bewegen, meint der Abgeordnete.

Von Ulrich Heyden

G erade angesichts der Protestbewegung für ehrliche Wahlen wäre es ein gutes Signal, wenn Deutschland gegenüber den Russen sagen könnte, ihr seid willkommen,“  meinte der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion Wolfgang Gehrcke bei einem Presse-Gespräch in Moskau.

„Alle außer Schirinowski“

Der Abgeordnete führte Gespräche mit den Duma-Parteien – „außer der Partei von Wladimir Schirinowski“, wie er sagte -, Vertretern des Außenministeriums und von russischen Bürgerbewegungen. Auch das Deutschlandjahr in Russland sei ein guter Anlass für die Aufhebung der Visa-Pflicht, meinte er. (Von Juni 2012 bis Juni 2013 wird sich Deutschland mit diversen Kultur- und Politik-Veranstaltungen in ganz Russland vorstellen).
 
Bei seinen Gesprächen in Moskau wollte Gehrcke, der 1981 in Moskau studiert hat, ausloten, wie man die Initiative zum visafreien Reisen voranbringen kann.  Deutschland könne, wenn es wolle, die Visafreiheit mit Russland „ohne weiteres“ im Schengen-Raum durchsetzen. Am „Kleinkrieg der Parteien“ dürfe das Thema auf jeden Fall nicht scheitern.

Auch Russland muss sich bewegen

Woran es eigentlich liegt, dass die zahlreichen Verhandlungen über Visa-Freiheit, die auf den Tagungen des EU-Russland-Rates geführt werden, nicht weiterkommen, ist für Außenstehende kaum zu verstehen. Gehrcke sieht vor allem Widerstände der Unions-Innenpolitiker, die meinen, die Visa-Freiheit sei nicht mit den Anti-Terror-Maßnahmen zu vereinbaren.

Aber auch Russland müsse sich von seinen restriktiven Meldegesetzen verabschieden, wenn es denn wirklich eine Visa-Freiheit wolle, so der Abgeordnete. Heute muss sich jeder Tourist aus dem Schengen-Raum in Russland drei Tage nach Ankunft bei der Meldestelle registrieren und diese Registrierung bei einem Ortswechsel wiederholen.

In Deutschland kaum bekannt sei, dass sich andere Länder gegenüber Russland wesentlich offener zeigen. Wenn Länder wie Israel oder die Türkei, wo die Terror-Gefahr viel größer ist als in Deutschland, mit Russland in den letzten Jahren einen visafreien Reiseverkehr vereinbart haben, sollte das schon zu denken geben.

Deutsche Wirtschaft für Visa-Freiheit

Immerhin: Die Visa-Freiheit hat mächtige Fürsprecher. Da sind nicht nur die Außenpolitiker aller Bundestagsparteien, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Einen starken Anstoß bekam die Debatte um die Visa-Freiheit im Juli letzten Jahres durch ein vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft vorgelegtes Positionspapier. Darin wird gefordert, die Visa-Freiheit müsse bis zur Fußballweltmeisterschaft 2018 realisiert werden.

Putin hatte bereits 2010 ein positives Signal gegeben. Der Premier versprach, dass die Teilnehmer und Gäste der Fußballweltmeisterschaft 2018 visafrei einreisen könnten. Das Versprechen wurde letzte Woche noch einmal bekräftigt.

„Konjunkturprogramm zum Null-Tarif“

 „Die Abschaffung der Visa-Pflicht wäre ein europäisches Konjunkturprogramm zum Nulltarif“, heißt es in dem Papier des Ostausschusses. 56 Prozent der vom Ostausschuss befragten Unternehmen würden im Falle der vollkommenen Visa-Freiheit mehr in Russland oder der EU investieren. Der Auswärtige Ausschuss des Bundestages griff das Thema auf und führte im September letzten Jahres eine öffentliche Anhörung zum Thema durch. 

Russland verschärft seine Visa-Regelungen

Zurzeit bewegen sich Russland und Deutschland in der Visa-Frage nicht aufeinander zu. Russland hat im November 2010, in Reaktion auf die deutsche Praxis, seine Visa-Bestimmungen verschärft und verlangt nun von Antragstellern Dokumente zur Bestätigung der „Rückkehrwilligkeit“. Diese soll mit Kontoauszügen und Gehaltsnachweisen belegt werden. Bei Selbstständigen fordert Russland den Nachweis der Registrierung der eigenen Firma.

Lichtblick für das ehemalige Königsberg

Doch es gibt auch Lichtblicke im Verhältnis zwischen Russland und Europa. Die Bewohner des Kaliningrader Gebietes, dem ehemaligen Königsberg, und der polnischen Grenzregion von Masuren bis Danzig (Gdansk) brauchen ab Juni dieses Jahres kein Visum mehr, wenn sie die Grenze überschreiten. Damit wird Kaliningrad, das wie eine russische Insel im EU-Gebiet liegt, endlich aus seiner Isolation befreit.

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