Freiheit statt Putinismus?DER NEUE IM KREML

Freiheit statt Putinismus?

Freiheit statt Putinismus?

Kronprinz Medwedjew feilt an seinem liberalen Image. Auf einem Wirtschaftsforum im sibirischen Krasnojarsk setzte Thron-Anwärter und Vizepremier Dmitri Medwedjew kurz vor der Wahl neue Akzente.

Von Ulrich Heyden

Verspricht Medwedjew etwas Neues?  
Verspricht Medwedjew etwas Neues?  

I In den letzten Wochen vor den russischen Präsidentschaftswahlen fand Wahlkampf in Russland praktisch nicht mehr statt. Am Hotel Moskwa gegenüber dem Kreml prangte ein Riesen-Plakat, welches den Kreml-Chef und seinen Kronprinzen Seite an Seite zeigte: Putin in derber Fliegerjacke, Medwedjew aristokratisch im blauen Mantel. Von den anderen Kandidaten, dem Kommunisten Sjuganow, dem Nationalisten Schirinowski und dem Zählkandidaten Bogdanow waren fast keine Plakate zu sehen. Wahldebatten wurden im Fernsehen nur morgens von sieben bis acht gezeigt, zu einer Zeit also, wo sich ein normaler Mensch für Politik nicht interessiert.

Wenn Vizepremier und Kronprinz Dmitri Medwedjew in den letzten Wochen nicht liberale Akzente gesetzt hätte, wären die Präsidentschaftswahlen wohl vollständig in Langeweile untergegangen.

Bürgerrechte gegen Beamtenwillkür

Einen besonderen Markstein setzte Medwedjew auf einem Wirtschaftsforum im sibirischen Krasnojarsk. Die Unternehmer und hohen Beamten im Konferenzsaal guckten ungläubig, denn was sie da hörten, war nicht der gewohnte O-Ton Putin. Manches klang fremd, wie etwa als Medwedjew erklärte, „Freiheit“ sei ein Schlüsselbegriff in einer modernen Gesellschaft. Manches mag in den Ohren der Beamten auch herabsetzend geklungen haben, wie etwa als der Kronprinz forderte, der Beamtenapparat müsse verkleinert werden und Bürger, die durch Bürokraten zu Schaden kommen, müssten einen Anspruch auf Entschädigung erhalten. Richter dürften nicht mehr „auf Telefonanrufe“ hin oder „für Geld“ Urteile fällen. Die Beamten müssten „erkennen, dass die Gesellschaft ihr Arbeitgeber ist“. Vorbei also mit Schlangestehen, Schmiergeldern und dem unwürdigen Abkanzeln der Bürger durch selbstherrliche Beamte?

Konkurrenz soll Qualität fördern

Medwedjew will die Konkurrenz an Schulen und in Krankenhäusern fördern. Der Bürger soll seinen Arzt in Zukunft frei wählen können und nicht zwangsweise einer Poliklinik zugeordnet werden. Das derzeitige Gesundheitssystem vereine „die schlechtesten sowjetischen Grundzüge“ mit „den problematischsten Elementen der Marktwirtschaft“. Wenn die Menschen Perspektiven für ihre persönliche Entwicklung sähen, würden die hohe Selbstmordrate und die Trunksucht sinken, meinte der Thron-Anwärter. Angesichts der russischen Realität wirken Medwedjews Ziele wie schöne aber nicht realisierbare Versprechungen eines Akademikers, der sich nie in der Provinz bewähren musste. Das Bekenntnis, man müssen die „Unabhängigkeit der Medien verteidigen“ weckt nicht gerade Vertrauen.

Medwedjews Lebenserfahrung beschränkt sich auf die Uni von St. Petersburg und das Gasprom-Direktoren-Zimmer in Moskau. Putin hat da als Spion und Stadtverwalter von St. Petersburg schon mehr erlebt. Daher seine Hemdsärmligkeit. Medwedjews mangelnde Praxis-Erfahrung könnte sich Putin als Ministerpräsident zu Nutze machen. Im Rahmen einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Kreml-Chef und Premier könnte sich Putin die Verantwortungsbereiche sichern, wo es darum geht, Stärke und Härte zu zeigen, also die Bereiche Sicherheitsstrukturen und Außenpolitik.

Der Reform-Kandidat

Einen praktischen Effekt hat die Reform-Rede von Medwedjew auf jeden Fall. Viele Russen werden jetzt endlich einen Grund sehen, wählen zu gehen. Medwedjew verspricht immerhin etwas Neues. Eine niedrige Wahlbeteiligung will der Kreml auf jeden Fall verhindern.

Russland

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