Achtungserfolg für russischen Liberalen in SotschiRUSSLAND

Achtungserfolg für russischen Liberalen in Sotschi

Bei den Bürgermeister-Wahlen in der Olympia-Stadt erreichte der Oppositionspolitiker Boris Nemzow 13,6 Prozent der Stimmen

Von Ulrich Heyden

W ar das der Testlauf für das von Kreml-Chef Dmitri Medwedew versprochene Mehr an Demokratie? Oder hatte diese Wahl mit einem bekannten Kandidaten der liberalen Opposition Feigenblattfunktion?

Am 26. April wählten die Bürger von Sotschi, wo 2014 die Winter-Olympiade stattfinden soll, den Bürgermeister. Wie erwartet, siegte der vom Kreml unterstützte Amtsinhaber, Anatoli Pachomow. Für den 48jährigen stimmten 77 Prozent der Wähler. Pachomow kommt bei der Verteilung von zehn Milliarden Euro, welche für die Vorbereitung der Olympiade ausgegeben werden sollen, eine Schlüsselrolle zu. Die örtlichen Medien priesen den Amtsinhaber als „guten Wirtschafter“, Boris Nemzow, den Oppositionskandidaten dagegen als windigen Reformer, der schon unter Jelzin gescheitert sei.

Pachomow hielt seine Wahlkampfauftritte vor Journalisten geheim, Nemzow nutzte dagegen jede Möglichkeiten, mit Wählern und Medien in Kontakt zu kommen. Braungebrannt, gut aussehend und mit offenem Hemdkragen eroberte er so manches Frauenherz. Ein Sieg für den Liberalen Ex-Premier war jedoch von Anfang an unwahrscheinlich. Immerhin, Nemzow, der zusammen mit dem ehemaligen Schachweltmeister Garri Kasparow das kleine liberale Oppositionsbündnis Solidarnost leitet, erreichte mit 13, 6 Prozent der Stimmen einen Achtungserfolg. Auf Platz drei landete der Kommunist Juri Dsagania. Für ihn stimmten 6,75 Prozent der Wähler.

Vorwürfe der lokalen Medien

Im Wahlkampf forderte Nemzow zur Entlastung des Kurortes Sotschi eine Dezentralisierung der Olympiade auf verschiedene russische Städte mit schon fertigen Wintersportanlagen. Nemzow machte sich außerdem zum Sprecher der Bewohner der Imeritinskaja-Ebene. Die Bewohner des direkt am Meer gelegenen Sumpfgebietes sollen wegen der geplanten Olympia-Eissporthallen umgesiedelt werden, wogegen es heftigen Widerstand gab.

Die örtlichen Fernsehkanäle warfen Nemzow vor, er wolle die Olympiade an Südkorea verkaufen. Als Beleg diente ein offenbar gefälschtes Video über ein Treffen des Oppositionspolitikers mit angeblichen koreanischen Geschäftsleuten. Auch gegen den Kandidaten der Kommunisten wurde die russische Karte gespielt, allerdings auf eine etwas feinere Art. KP-Kandidat Dsagania ist von der Nationalität her Georgier. Vor diesem Hintergrund war es wohl kein Zufall, dass der russische Inlandsgeheimdienst pünktlich zur Wahl einen angeblichen Spion aus Georgien in Sotschi aufspürte.

Verdacht auf Wahlmanipulationen

Nemzow und Dsagania bezweifeln, dass bei den Wahlen alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Dass zehn Prozent der Wahlberechtigten bereits vor dem Wahltag abgestimmt hatten, sei eine überdurchschnittliche hohe Zahl. Diese Stimmen konnten – so die Oppositionskandidaten - leicht manipuliert werden. Auch die Tatsache, dass die Wahlkommission an der Grenze zu Abchasien einen weißen Bus abstellte, in dem die Bürger der abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien, die einen russischen Pass haben und in Sotschi registriert sind, ihre Stimme abgeben konnten, war nach Meinung von Beobachtern der klare Versuch, die Stimmenanteile der Opposition zu drücken.

Nichtsdestotrotz ist das Stimmenergebnis für Nemzow ein Achtungserfolg, denn die liberalen Parteien scheiterten 2003 an der Fünf-Prozent-Hürde für die Duma. Seitdem schafften die Liberalen den Einzug in das Abgeordnetenhaus nicht mehr und verschwanden praktisch aus dem öffentlichen Leben. Möglicherweise wird es für die kleinen liberalen Parteien nun wieder möglich, in der Öffentlichkeit Politik zu machen, denn Kreml-Chef Medwedew hat angekündigt, kleinen Parteien, welche mindestens fünf Prozent der Stimmen bei den Duma-Wahlen erhalten, mindestens einen Abgeordneten-Platz zuzubilligen.

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