Alle lieben JuliaUKRAINE & EUROPA

Alle lieben Julia

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Die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko erfreut sich seit der so genannten „Orangen Revolution“ besonders in Westeuropa einer ungebrochen hohen Beliebtheit. Vielfach wird sie bereits als erfolgversprechende Gegenkandidatin gegen den ungeliebten Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch bei den Präsidentschaftswahlen 2009 gehandelt. Dabei wird nur allzu leicht vergessen, dass Timoschenko tief in die wirtschaftlichen Eskapaden der Ukraine verstrickt ist und mit ihrer Partei „Block Julia Timoschenko“ inhaltlich ausgesprochen wenig zu bieten hat.

Von Katharina Spielmann

Julia Timoschenko bei ihrem Auftritt im Adlon  
Julia Timoschenko bei ihrem Auftritt im Adlon  

S pricht man mit westlichen Politikern über die Ukraine und die Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko, so kann man in der Regel ein faszinierendes Phänomen beobachten. Mit leuchtenden Augen und geradezu verzücktem Gesichtsausdruck berichten sie über ihre Begegnungen „mit der Julia.“ Zuletzt war dies wieder einmal beim Besuch der Chefin und Namensgeberin der derzeit größten Oppositionspartei der Ukraine in Berlin und Brüssel im November zu sehen. Politiker und Journalisten, die gar bei einem Besuch vor Ort die Kiewer Parteizentrale des „Blocks Julia Timoschenko“ und die dortigen Marmortreppen persönlich in Augenschein nehmen durften, berichten geradezu Wundersames.

Zweifellos ist Julia Timoschenko eine ungemein attraktive Person. Ihr zierlicher, mädchenhaft schüchterner Auftritt steht in denkbar krassem Kontrast zum Erscheinungsbild des übrigen, fast ausschließlich männlichen, postsowjetischen politischen Personals der Ukraine. Und auch bei westlichen Politikerinnen ist ein derartiger Einsatz von Weiblichkeit wohl eher unüblich.

Julia Timoschenko ist so etwas wie ein Popstar

Uralte weibliche Rezepte scheinen durchaus auch in der Spitzenpolitik gut zu funktionieren. Alle lieben Julia. Beim Europa-Besuch von Timoschenko im November bemühten sich Spitzenpolitiker quer durch alle Fraktionen um ein persönliches Gespräch. Und im voll besetzten Ballsaal des Berliner Adlon warteten die Gäste geduldig geschlagene 25 Minuten auf den Auftritt der Dame. Dass sie dabei nur den tags zuvor in der FAZ veröffentlichten Artikel noch einmal zum Besten gab und auch auf Fragen kaum antworten konnte, war nicht so wichtig. In der deutschen und europäischen Öffentlichkeit ist Timoschenko so etwas wie ein Popstar: Jeder weiß: „Timoschenko, das ist doch die mit dem Zopf.“

Schaut man jedoch inhaltlich etwas genauer hin, gibt es im dünnen Parteiprogramm und in der Politik von Julia Timoschenko kaum etwas Konkretes. Gebetsmühlenartig verlangt sie immer wieder ein Bekenntnis Europas zur Ukraine und nutzte die Reise für eine Suche nach Partnern. Politische Programmatik spielt dabei offensichtlich nur eine sehr untergeordnete Rolle – für Timoschenko ist es kein Problem, gleichzeitig mit der Sozialistischen Internationale und der konservativen Europäischen Volkspartei über enge Kooperation und einen möglichen Beitritt ihres Blocks zu verhandeln.

Golden lackierte Privatflugzeuge und noch immer verschwundene Milliarden

Was die Innenpolitik ihres eigenen Landes anbetrifft, lebt Frau Timoschenko offenbar in der Vorstellung von einer permanenten Revolution. Ihre aktuellen Hauptziele sind die Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die letzte Verfassungsänderung – natürlich verbunden mit einer erneuten Änderung der Verfassung – sowie die Herbeiführung kurzfristiger Neuwahlen. Außerdem wird im ukrainischen Parlament gerade die Vorlage für ein Oppositionsgesetz behandelt, das der Opposition Mitbestimmungsrechte und den Vorsitz zahlreicher Ausschüsse zusichern soll – die „Lex Timoschenko“. Das Rollenverständnis der Politikerin mutet für den westlichen Betrachter etwas merkwürdig an: Frau Timoschenko will gleichzeitig die Opposition führen und mitregieren. Die ukrainischen Wähler können einem angesichts dieser Eskapaden nur leid tun.

Wenn darüber hinaus Timoschenko, wie beim erwähnten Auftritt im Adlon in Berlin, die Offenlegung von Parteifinanzen in der Ukraine fordert und die Steuerung politischer Parteien durch Oligarchen anprangert, trägt das schon fast unfreiwillig komische Züge. Bis zur „Orangen Revolution“ machte Timoschenko selbst Schlagzeilen vor allem durch ihr unfassbar großes Vermögen, das sie sich in den Wirren der Wendezeit im Energiegeschäft angeeignet hat, golden lackierte Privatflugzeuge, einen Aufenthalt im Gefängnis wegen „illegalem Handel mit russischem Gas“ und die Zerschlagung ihres Konzerns – nebst noch immer verschwundenen Milliarden. Nun will sie mit linkspopulistischen Argumenten punkten und sich für die Präsidentschaftswahlen 2009 positionieren.

Die im Westen auf die „kleine Julia“ setzen, könnten sich leicht verspekulieren

Im Westen scheint man sich mit diesem Szenario anzufreunden und will den Kontakt zu Timoschenko daher halten. Derzeit hören sich die gängigen Argumentationen in etwa so an: Der ukrainische Präsident Juschtschenko war zwar der Held der „Orangen Revolution“, hat sich in seiner Amtszeit aber als extrem schwach erwiesen und außerdem die Basis in seiner in Auflösung begriffenen Partei „Unsere Ukraine“ verloren. Bei den Wahlen 2009 wird er demnach keine Rolle mehr spielen können. Folglich läuft es nach diesen Überlegungen auf ein Duell des Premierministers Janukowitsch mit Julia Timoschenko hinaus, bei dem die europafreundliche Timoschenko unterstützt werden soll.

Diese Spekulationen stehen jedoch auf ausgesprochen wackeligen Beinen. Zum einen fällt es schwer, Mutmaßungen über die politische Entwicklung der Ukraine glauben zu schenken, wenn man berücksichtigt, was für tiefgreifende und überraschende Veränderungen das Land in den letzten Jahren durchgemacht hat. Schon das kommende Jahr 2007 ist schwer vorauszusehen. Zum anderen hat der von vielen bereits abgeschriebene Präsident Juschtschenko noch mehr als zwei Jahre Zeit, die eigenen Mannen zu formieren und nicht zuletzt gestützt durch den Amtsbonus die eigene Lage zu verbessern.

Dazu kommt, dass es auch im Block von Julia Timoschenko erhebliche Zentrifugalkräfte gibt. Liest man die Zahl der Fraktionswechsel im ukrainischen Parlament in der letzten und der aktuellen Legislaturperiode, kann einem schwindlig werden. Abwanderungen zur Partei der Regionen des Ministerpräsidenten Janukowitsch sind gang und gäbe. Die polarisierende Position von Julia Timoschenko und die Forderung von durch das Oppositionsgesetz garantierten Posten sind nicht zuletzt auch ein Versuch, die eigene Klientel bei der Stange zu halten.

Um ehrlich zu sein: es gibt natürlich auch im Westen Politiker, die dem anfänglich erwähnten Phänomen widerstehen und wiederholt vor Julia Timoschenko warnten. Man kann sich allerdings des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass sie lediglich die Kollegen fern halten wollen, um die „kleine Julia“ exklusiv für sich zu haben.

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