„Amazonen – Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen“ von Jochen FornasierGELESEN

„Amazonen – Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen“ von Jochen Fornasier

„Töchter des griechischen Kriegsgottes Ares“ werden sie genannt: die Amazonen. Es sind legendäre Gestalten wie Penthesilea und Tomyris, heldenhafte Kämpferinnen, die sich auch gegen männliche Krieger behaupten konnten. Von der Archäologie wurde ihre Existenz bislang nicht bestätigt. Aber der Mythos lebt, wie Fornasier in dem prachtvoll aufgemachten Bildband aufzeigen kann.

Von Johann von Arnsberg

„Amazonen – Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen“ von Jochen Fornasier  
„Amazonen – Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen“ von Jochen Fornasier  

S ie haben die Phantasie vor allem der Männer beflügelt wie keine anderen der bekannten Frauengestalten seit Jahrtausenden: die Amazonen. Zur Zeit der griechischen Antike waren sie in aller Munde: „Die Amazonen waren […] in der antiken griechischen Kultur nahezu omnipräsent: von den Küsten des Schwarzen Meeres über Kleinasien und Griechenland bis hin nach Afrika, sei es durch die mündliche Tradition oder die darstellende Kunst. Jedes Kind und jeder Erwachsene des griechischen Kulturkreises wird daher unweigerlich gewusst haben, wer diese sagenhaften Frauen gewesen sind und welche Taten man ihnen zuschrieb – doch keiner wird Amazonen je zu Gesicht bekommen haben, zumindest nicht so, wie sie in den Legenden beschrieben wurden.“

Die sagenhaften Amazonen bevölkern die griechischen Mythen, aber sie sind nicht zu fassen. Sie reiten durch die antike Männerwelt, die nicht zuletzt geprägt war von Knabenliebe und männlichen Olympischen Spielen, als hätte man ihre legendären Gestalten zur Kompensation schmerzhaft nötig gehabt.

„Die Amazonen stellten durch ihre Lebensweise die geschlechterspezifische Ordnung der Antike auf den Kopf.“

Sie sind „als Kriegerinnen geachtet – als Frauen gefürchtet“, schreibt Jochen Fornasier in seinem kürzlich im Zabern Verlag erschienenen „Bildband zur Archäologie“. Der Autor schildert die ungeheure Bedeutung dieses Themas für die Zeit der alten Griechen: „Kaum ein anderer Sagenstoff der antiken Mythologie war und ist wohl so weit verbreitet wie die Berichte und Erzählungen über das kriegerische Frauenvolk. Die Amazonen sind der Inbegriff des erbarmungslosen Gegners und gleichzeitig auch des geachteten Feindes, den es nur mit äußerster Mühe zu bezwingen gelang. Sie verbreiteten weithin Angst und Schrecken und drangen der Überlieferung nach mit ihrem Heer bis ins Zentrum Athens vor. Sie kämpften auch vor Troja ruhmreich an der Seite des Priamos und wagten den berühmtesten Helden Griechenlands wie Herakles oder Theseus die Stirn zu bieten. Doch vor allem stellten sie durch ihre Lebensweise die geschlechterspezifische Ordnung der Antike auf den Kopf.“

Dem Autor zufolge „zählt der Amazonenmythos tatsächlich zu den ältesten Sagen, die uns aus der griechischen Mythologie überliefert sind.“ Fornasier weist darauf hin, dass schon in der Ilias, dem frühen Eops Homers aus dem späten 8. Jh. v. Chr., die Zuhörer in der Schilderung  der Geschehnisse vor Troja von diesem kämpferischen Frauenvolk erfuhren.

Das ist umso erstaunlicher, als die Amazonen sich inzwischen dem Forschungsstand zufolge als Mythos und Legende herausgestellt haben. „Die Töchter (des griechischen Kriegsgottes) Ares waren allgegenwärtig in der antiken Vorstellungswelt und dennoch in der Realität nirgends greifbar.“

Die Königinnen und Heldinnen der Amazonen sind ein legendärer Mythos

Zwar beschreibt sie der große griechische Arzt Hippokrates in einer Schilderung der benachbarten Steppenbewohner am Asowschen Meer. Dort gäbe es einen Skythenstamm, der sich von den übrigen Stämmen unterscheide. Ihre Frauen würden reiten, mit dem Bogen schießen, den Wurfspeer vom Pferd herab schleudern und, solange sie Jungfrauen seien, gegen die Feinde kämpfen. Hippokrates behauptet, sie gäben ihre Jungfrauschaft nicht auf, bevor sie drei Gegner getötet hätten. Ihnen fehle die rechte Brust. Wenn sie noch ganz klein seien, drückten ihnen die Mütter ein spezielles heißes Bronzegerät auf die Brust, durch diese Verbrennung werde das Wachstum der Brust verhindert. Kraft und Fülle gingen ganz in die rechte Schulter und den rechten Arm.
 
Aber  es hat diese wilden Bogenschützinnen eben niemals jemand zu Gesicht bekommen, bzw. es ist nichts Fassbares überliefert. Dennoch sind Amazonen überhöht und verehrt worden. Auch wenn es Hippolyte, die Königin der Amazonen, wenn es Königin Tomyris bei den skythischen Amazonen und die von Achilles getötete von Penthesilea nicht gegeben hat, ihre Legenden sind lebendig seit Jahrtausenden.

Fornasier weiß davon zu berichten, wie weit die Wertschätzung dieser legendären Frauenkriegerinnen ging, von denen nicht einmal bekannt ist, was hinter ihrem Namen steckt, ob er sich wirklich ableitet vom griechischen „a-mazos“, was brustlos bedeuten könnte.  „Ihr Name“, schreibt der Autor, „bleibt ein Geheimnis.“

„Gleichzeitig schrieb man ihnen aber auch einen immens wichtigen positiven Wesenszug zu: Als Gründerinnen von Heiligtümern und ganzen Städten in Kleinasien erfuhren sie eine Verehrung, die kaum einem anderen mythischen Volk in dieser Form zuteil geworden ist. Welch ein Gegensatz: Die Amazonen, die im klassischen Athen als Gegner schlechthin galten, zierten in späteren Zeiten das städtische Münzbild von Kyne, Smyrna oder auch Ephesos.“

„Hat es die Amazonen nicht doch wirklich gegeben?“

Die Koryphäen der archäologischen Wissenschaft sind heute davon überzeugt, dass es Amazonen in der legendären Erscheinungsform nicht gegeben hat. Hermann Parzinger erklärte im EM-Interview: „Es gibt zwar den Amazonenmythos, aber den darf man nicht so ernst nehmen. Sicher ist es vorgekommen, dass Frauen das Lager der Jurten verteidigt haben, wenn die Männer alle zum Kampf unterwegs waren, oder neue Weidegründe gesucht haben. Es wurden auch Frauen mit männlicher Bewaffnung in den Eiskurganen des Altais gefunden. In anderen Regionen der skythischen Welt, in der Steppe, sind solche Funde ebenfalls gemacht worden. Aber es gab keine archäologischen Belege für Amazonenheere – das ist eine Ausschmückung der Geschichtsschreibung.“

Eigentlich schade. Fornasier schildert Schauplätze und gesellschaftliche Vorstellungen auf eine sehr interessante Weise. Die prachtvolle Aufmachung des Buches dazu ergibt einen hohen Genuss für den Leser und Betrachter. Und doch ist alles nur Legende.

Das vorliegende Buch ist das Sachbuch zu all den Hollywood-Legenden, den historischen Romanen, den Fantasien von Comic-Autoren und - Zeichnern.  Es rückt zurecht, was Mythos ist und was sich in der Realität niedergeschlagen hat.

In den beiden Schlusskapiteln „Die Amazonen zwischen Mythos und Realität – der Versuch einer Annäherung“ und „Die Amazonen in der nachantiken Zeit“ kommt man dann unvermittelt wieder ins Grübeln. Denn mit der Jungfrau von Orleans, der legendären Jeanne D’Arc, ist die Legende auch im Westen unsterblich geworden. So dass man den Seufzer im thematischen Anriss auf der Buchrückseite durchaus nachempfinden kann: „Am Ende stellt sich für den Leser die Frage: Hat es die Amazonen nicht doch wirklich gegeben?“

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Rezension zu: „Amazonen – Frauen, Kämpferinnen und Städtegründerinnen“ von Jochen Fornasier, Zabern Verlag Mainz, 2007, 119 Seiten, Großformat, m. 60 farbigen Abb. 19,90 Euro ISBN 978-3-8053-3784-7.

Siehe dazu auch EM 01-04 „Die Skythen“ und EM 01-07 „Die frühen Bewohner Asiens waren Europäer“.

Geschichte Rezension

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