Anschlag auf Oppositions-Politiker in SotschiRUSSLAND

Anschlag auf Oppositions-Politiker in Sotschi

Aktivisten der kremlnahen Jugendorganisation Naschi überschütten den Oppositions-Politiker Boris Nemzow mit einer Ammoniak-Lösung

Von Ulrich Heyden

M it ängstlicher Stimme meldete sich der russische Oppositions-Politiker am 22. März im Telefon-Interview mit „Radio Echo Moskwy“ zu Wort. Das sei „kein schönes Gefühl“ Ammoniak in den  Augen zu haben, erklärte der Politiker, der am Montag Morgen vor seinem Wahlkampfbüro in Sotschi von drei jungen Leuten mit einer Ammoniak-Lösung übergossen worden war.

Nemzow, der zu den Bürgermeisterwahlen am 26. April in Sotschi kandidieren will, meinte, Moskauer Mitglieder der kremlnahen Jugendorganisation Naschi ständen hinter dem Anschlag. „Wir haben sie erkannt“, erklärte Nemzow, der in den 1990er Jahren unter Boris Jelzin Vizepremier war. Die Ammoniak-Lösung gelangte nicht nur auf die Hände von Nemzow, eine geringe Menge gelangte auch in seine Augen. In dem Radio-Interview erklärte Nemzow, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, weil er sich die Augen schnell habe waschen können. Ammoniak wirkt auf feuchte Körperoberflächen ätzend. Wie Ilja Jaschin, der Wahlkampfhelfer von Nemzow in seinem Blog berichtete, sei der Oppositionspolitiker zunächst von einem „Provokations-Transvestiten“ abgelenkt worden, der ihm einen Strauß Rosen überreichen wollte. Unmittelbar darauf habe man Nemzow dann mit der ätzenden Flüssigkeit übergossen.

Offener Brief an Präsident Dmitri Medwedjew

Nemzow, der für das neue Oppositionsbündnis Solidarnost kandidiert, hatte am Montag in einem in der Novaya Gazeta publizierten Offenen Brief an Kreml-Chef Dmitri Medwedew, dringend darum gebeten, dass die Winterolympiade 2014 an verschiedenen Orten Russlands und nicht nur in Sotschi stattfindet, denn die Urlaubs-Region Sotschi am Schwarzen Meer werde durch die massiven Bau-Maßnahmen unweigerlich zerstört. Außerdem seien durch die aufwendigen Verkehrsverbindungen zwischen dem Schwarzen Meer und den Bergen die Kosten für die Olympiade in Sotschi fünf bis sechs Mal höher als bei den olympischen Winterspielen in Salt Lake City, Turin und Lillehammer.

Der Anschlag auf Nemzow zeigt: Die Bürgermeisterwahlen in der Olympia-Stadt werden hart und spannend. Bereits 14 Personen haben ihre Kandidatur angekündigt, darunter weitere bekannte Politiker, wie der berüchtigte Ex-Geheimdienst-Major Andrej Lugowoi, der seit Januar 2008 für Schirinowskis Liberaldemokraten in der Duma sitzt. Der 42jährige machte 2006 international Schlagzeilen. Scotland Yard forderte die Auslieferung von Lugowoi. Der Duma-Abgeordnete steht im Verdacht, den Kreml-Kritiker Aleksander Litwinenko in London mit radioaktivem Polonium vergiftet zu haben.

Auch Aleksandr Lebedew, der russische Milliardär und Miteigentümer der kremlkritischen  „Nowaja Gaseta“, hat seine Kandidatur für die Wahlen in Sotschi angekündigt. Lebedew, der zu den gemäßigten Kreml-Kritikern gehört, erklärte in seinem Blog, es hätten sich viele Bürger aus Sotschi an ihn gewandt, und gebeten, er solle das „große Knäuel brennender Probleme“ in der Olympia-Stadt lösen helfen.

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