Atom-Wettlauf an der OstseeAKW KALININGRAD

Atom-Wettlauf an der Ostsee

Russland beginnt mit dem Bau eines Atomkraftwerkes im Gebiet Kaliningrad. Die Bevölkerung ist dagegen. Ökologen warnen vor ungelösten Problemen mit den radioaktiven Abfällen.

Von Ulrich Heyden

E nde Februar wurde in Kaliningrad, im Bezirk Neman (früher Ragnit), der Grundstein für das „Baltische Atomkraftwerk“ gelegt. Das Kraftwerk wird 4,5 Milliarden Euro kosten. Es soll mit zwei modifizierten Druckwasserreaktoren vom Typ WWER ausgestattet werden und eine Gesamtleistung von 2.300 Megawatt haben. Ein Kraftwerk dieses neuen Typs gibt es in Russland bisher nicht.

Der Chef der russischen Atombehörde Rosatom, Sergej Kirijenko erklärte während der Zeremonie, dass man ausländische Investoren einlade, sich an dem „Baltischen Atomkraftwerk“ zu beteiligen. Rosatom will aber 51 Prozent der AKW-Aktien selbst besitzen. Nach Medienberichten hat Siemens Interesse an dem Baltischen Atomkraftwerk bekundet. 

Moskau spekuliert auf Stromdefizit

Rosatom-Chef Kirijenko erklärte, durch die Abschaltung des litauischen Atomkraftwerkes Ignalina sei in der Region ein Energiedefizit entstanden. Dieses Defizit wolle man mit dem „Baltischen Atomkraftwerk“, welches 2016 in Betrieb gehen soll, decken.

Die Aussage von Kirijenko ist einigermaßen erstaunlich, denn Litauen plant gemeinsam mit Estland, Lettland und Polen den Bau eines eigenen AKW. Das neue litauische Kraftwerk mit dem Namen Visaginas soll direkt neben dem im Dezember 2009 abgeschalteten AKW Ignalina gebaut werden. Doch möglicherweise spekuliert Moskau darauf, dass es in Folge der Finanzkrise gar nicht zu einem neuen litauischen Atomkraftwerk kommt.

Andere Energiequellen reichen aus

Der Vorsitzende der russischen Umweltorganisation Ekosaschita kritisierte den Neubau eines russischen AKW im Gebiet Kaliningrad, als gefährlich, schlecht geplant und überflüssig. Ab 2013 gäbe es in Kaliningrad kein Energiedefizit mehr, denn bis dahin würden andere, nichtnukleare Kraftwerke fertig gestellt. Ende dieses Jahres soll der zweite Block für das Gaskraftwerk der Stadt Kaliningrad in Betrieb genommen werden. Außerdem sollen bis 2013 fünf Torfkraftwerke in der Ostsee-Exklave gebaut werden. „Der Strom wird also in die EU verkauft werden. Für die Bevölkerung in der Region bleiben die Risiken mit den atomaren Abfällen“, meint Sliwjak.

Die örtliche Verwaltung in Kaliningrad argumentiert, das „Baltische Atomkraftwerk“ werde die Steuereinnahmen in der Region erhöhen und 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Der Gouverneur von Kaliningrad, Georgi Boss, der in den letzten Wochen im Zentrum von Massen-Protesten gegen die Erhöhung der KFZ-Steuern und Wohnungsbetriebskosten stand, erhofft sich von dem AKW einen Prestige-Gewinn.

Mehrheit gegen AKW-Bau

Doch die Hoffnung ist wohl vergebens, denn nach einer Umfrage des Soziologischen Zentrums von Kaliningrad sind 67 Prozent der Menschen gegen das Atomkraftwerk. Im Herbst letzten Jahres gab es in der Stadt Sowjetsk eine Anti-AKW-Kundgebung mit 500 Teilnehmern.

Umweltschützer Sliwjak erklärte, gegen den Bau des AKW spräche nicht nur eine schlechte Auswahl des Baugeländes – es liegt unter einer Flugzeug-Schneise  – sondern auch die ungeklärte Frage der atomaren Abfälle. Wie auch bei den anderen russischen Atomkraftwerken, werde der Großteil der Abfälle in unmittelbarer Nähe des Kraftwerkes gelagert. Eine große Wiederaufbereitungsanlage für alle russischen AKWs gibt es bisher nicht. 

Russland Wirtschaft

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