09.08.2023 13:11:56
ÖL UND GAS
Von Gunter Deuber & Manuel Paffrath-Dorn
as offizielle Kasachstan setzte 2007 seine multipolare Außenpolitik in wirtschaftlichen Fragen fort, ganz besonders in den energiepolitischen. Einerseits wird die Kooperation mit der EU gesucht, und andererseits will man den strategischen Partner Russland nicht vergrämen, um weiter Öl und Gas für Westeuropa liefern zu können. Zugleich knüpft Astana enge Bande mit dem energiehungrigen Nachbarn China. Gemeinsam wird an neuen Exportrouten und einem zentralasiatischen Pipelinenetz gestrickt, womit man in direkte Konkurrenz zum Kreml tritt. Russland betrachtet sich bis dato als die Ordnungsmacht auf dem Energiemarkt Eurasiens.
Immense Energievorräte, ein relativ dazu geringer Eigenverbrauch und großskalige Explorationsprojekte erklären, warum Kasachstan jetzt und vor allem in Zukunft viel Öl und Gas exportieren kann und will. Im Vorjahr wurden 54 Millionen Tonnen Erdöl in Kasachstan gefördert, im Jahre 2010 sollen es 80 Millionen Tonnen per annum sein, 2015 bis zu 130 Millionen Tonnen.
Im Energiesektor entwickelte sich Kasachstan im vergangenen Jahr durch das Streben nach mehr Transport und Vermarktung unter eigener Federführung zunehmend zum Gegenspieler Russlands. Kasachstan steht etwa dem von der EU, Österreichs OMV und weiteren westlichen Energiekonzernen forcierten Nabucco-Projekt aufgeschlossen gegenüber. Die Nabucco-Pipeline soll vom Kaspischen Meer durch die Türkei, Bulgarien und Rumänien einen Energietransportkorridor – unter bewusster Umgehung Russlands – nach Zentraleuropa schaffen. Der Kreml versucht das Vorhaben kontinuierlich zu torpedieren, um sein durch die aktuelle Pipelineinfrastruktur bedingtes lukratives Energietransportmonopol aus Zentralasien zu sichern.
Auch an der Tankstelle sind Russland und Kasachstan Konkurrenten. In Rumänien zum Beispiel. Her stehen sich der russische Konzern Lukoil und die rumänische Rompetrol gegenüber. An letzterer hat das kasachische Unternehmen KazMunaiGas unlängst 75 Prozent erworben. Beide beliefern Tankstellen im Land.
Ein Blick in die österreichische Außenhandelsstatistik zeigt, dass Kasachstan Russland dort als wichtigsten Erdöllieferant bereits abgelöst hat. Die Anzeichen häufen sich, dass Kasachstan in der internationalen politischen Ökonomie von Öl und Gas immer stärker zu einem Konkurrenten für Russland wird – zumindest aber kein höriger Vasall mehr sein will. Und damit ist das Verhältnis zu Russland nicht ungetrübt. Im Oktober verkündete Kasachstan eine schlagkräftige Marine im Kaspischen Meer aufbauen zu wollen, um seine Energieressourcen dort sichern zu können. Hinter dem Drang nach Auftritt als eigenständige Energienation steckt auch ein wenig Misstrauen gegenüber dem großen Nachbarn. Und der russische Bär hat inzwischen in Form einer Aktion zurück gebissen, die Züge eines Wirtschaftskrimis trägt.
Seit Mai 2006 landet die Lufthansa Cargo bei ihren Frachtflügen von und nach Asien in Astana zwischen. Der Flughafen in der kasachischen Hauptstadt entwickelte sich zum bedeutenden Drehkreuz für Lufthansa Cargo. Plötzlich wurden dem deutschen Großkonzern dann im November 2007 die für diese Route notwendigen Überflugrechte über Russland Seitens des Kremls gestrichen. Dann wurde eine Verlegung des Lufthansa-Standortes von Astana ins westsibirische Krasnojarsk, wo einflussreiche Persönlichkeiten der russischen Wirtschaftselite einen Großflughafen entstehen lassen wollen, vom Kreml gefordert. Heftig wurde gestritten zwischen Kreml, Astana und Berlin. Auf jeden Fall hat Russland mit dem Flughafenstreit ein Prestigeobjekt Kasachstans zur wirtschaftlichen Entwicklung der Hauptstadt Astana direkt torpediert.
Staatlicher Interventionismus, wie im Falle der Lufthansa Affäre, sind auch in Kasachstan nicht unbekannt. Das von Italiens ENI geführte Konsortium zur Ausbeutung des kasachischen Gigaölfeldes Kaschagan im kaspischen Meer entkam 2007 einer de facto Enteignung wegen „Umweltbedenken“ nur knapp. Hauptprofiteur wäre der staatliche Energiekonzern KazMunaiGas (Kasachstans Pendant zu den russischen Energiemonopolisten) gewesen. Obwohl Kasachstan in den 1990er Jahren bestrebt war Auslandsinvestoren für Joint-Ventures im Energiesektor zu gewinnen, erinnert heute einiges an den Rohstoffnationalismus russischer Prägung. Nun werden Staatsholdings als Instrument zur Entwicklung des Landes propagiert, wobei es in Kasachstan noch keine so spektakulären Fälle revidierter Verträge wie in Russland gab.
Durch ihren sehr ähnlichen Entwicklungsstand als kapitalhungrige aufstrebende Volkswirtschaften, wurden Kasachstan und Russland in der zweiten Jahreshälfte 2007 von den Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten getroffen – Stichwort US- Subprime-Krise. Bei gestiegener globaler Risikoaversion kam der Kapitalstrom nach Russland und Kasachstan fast zum Erliegen. Vor allem russische und kasachische Banken gerieten unter Druck. Für einige Emittenten war der internationale Kapitalmarkt plötzlich geschlossen und einige Banken werden noch länger mit Refinanzierungsproblemen kämpfen. Wobei kasachische Banken noch viel mehr als ihre russischen Pendants zur Refinanzierung auf den internationalen Kapitalmarkt angewiesen sind.
Neben strukturellen Gemeinsamkeiten gibt es auch Wirtschaftsbereiche, in denen Kasachstan und Russland zur Kooperation verdammt sein werden, etwa im Gasbereich. Denn der Gasexport ist weniger einfach zu diversifizieren als der Ölexport und die Gastransportstruktur aus Zentralasien ist als Erbe der Sowjetunion noch in besonderer Weise auf Russland ausgerichtet. Derzeit können die beiden großen zentralasiatischen Förderer Kasachstan und Turkmenistan Erdgas nur über ein Pipelinenetzwerk international verkaufen, das größtenteils der Gazprom gehört. Um diese engen energiepolitischen Bande zu unterstreichen lehnte Kasachstan Präsident Nursultan Nasarbajew etwa im Frühjahr Einladungen zu Energieforen in Polen oder der Ukraine ab. Zeitgleich weilte er lieber im Kreml, um die enge politische Anlehnung an den strategischen Partner Russland zu unterstreichen. Denn zu deutlich kann und will sich Kasachstan in der von Machtbeziehungen geprägten internationalen politischen Ökonomie von Öl und Gas nicht gegen Moskau stellen.
Die Etablierung der gemeinsamen russisch-kasachischen Entwicklungsbank (Eurasian Development Bank, EDB) ist 2007 auch vorangekommen. 2008 werden wohl die ersten großvolumigen internationalen Anleihen der EDB platziert, um Infrastrukturprojekte mit Schwerpunkt in Russland und Kasachstan zu finanzieren. Gerne präsentierte sich Nasarbajew auch neben Wladimir Putin auf dem Gipfel der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in Teheran. Zudem scheinen die Wirtschaftseliten Kasachstans und Russlands durchaus besser miteinander und mit China zu können, als mit westlichen Konzernen. Zumindest die letzten Konsortien in Kasachstan wurden eher mit russischen oder auch chinesischen Partnern als mit westlichen Konzernen gegründet. Und Russland verhilft Kasachstan auch auf die internationale Bühne, wie etwa beim G8-Gipfel im russischen St. Petersburg. Oder auch beim Start des ersten kasachischen Satelliten. Hier war Putin zugegen und sagte Unterstützung beim Aufbau einer Raumfahrtindustrie zu.
Ob die Mixtur zwischen Kooperation und Konkurrenz in der kasachisch-russischen Wirtschaftswelt auch 2008 für einen Wirtschaftskrimi a la Flughafenaffäre Astana mit Lufthansa Cargo gut sein wird, das bleibt abzuwarten. Nicht ganz fern liegt der Gedanke, dass der Bankensektor Schauplatz für einen Wirtschaftskrimi russisch-kasachischer Prägung sein könnte. Kasachstan scheint stärker angeschlagen zu sein von den aktuellen Verwerfungen am internationalen Kapitalmarkt. Die großen staatsnahen und liquiden Banken Russlands könnten versuchen in Zeiten der Schwäche mehr Einfluss im bis dato abgeschotteten Finanzsektor Kasachstans zu erlangen. Aber auch auf den Radarschirmen westlicher Kreditinstitute sind Kasachstans Banken nach der letzten Marktkorrektur, die den Erwerb von Banken billiger gemacht hat, wieder als Übernahmekandidaten aufgetaucht. Somit wären genügend Interessengegensätze für einen weiteren Wirtschaftskrimi in Kasachstan vorhanden – bei noch unklarer Interessenlage Astanas bezüglich substantieller ausländischer Beteiligungen im strategisch wichtigen Bankensektor.
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