09.08.2023 13:11:56
AIRBUS
Von Hans Wagner
Prof. Dr. Henning Klodt |
urasisches Magazin: Weshalb wird in der Erdöl- und Flugzeugindustrie eigentlich fast nur in Dollar abgerechnet – und wem nutzt das?
Henning Klodt: Das hat historische Gründe. Der US-Dollar war ja über Jahrzehnte und noch länger die wichtigste Währung der Welt. Und ebenso wie man sich bei der Zeitmessung auf den Nullmeridian von Greenwich geeinigt hat, so hat sich die Weltwirtschaft auf den Dollar ausgerichtet. Inzwischen ist da eine Schieflage entstanden und das Gebäude ist ins Rutschen gekommen, weil der Euro in der Weltwirtschaft immer mehr an Gewicht gewinnt. Es könnte durchaus sein, dass der Euro in absehbarer Zeit den US-Dollar als dominierende Währung der Welt ablöst. Zurzeit ist es aber noch so, dass die zentrale Recheneinheit in der Weltwirtschaft der Dollar ist.
EM: Und wem nützt diese Situation, dass der Dollar noch immer zentrale Recheneinheit der Weltwirtschaft ist?
Klodt: Das hängt natürlich immer davon ab, wie die Wechselkurse sich verhalten und wo der Dollar steht. Im Augenblick ist er sehr schwach. Das erhöht die Exportfähigkeit der Vereinigten Staaten und reduziert die Exportfähigkeit des Euroraumes. Andererseits ist der starke Euro auch ein guter Schutzschild gegen einen noch stärkeren Ölpreisanstieg. Der Preis, der sich in Richtung der 100-Dollarmarke pro Barrel Rohöl bewegt, hat zu tun mit dem schwachen Dollar. Wir haben also gegenwärtig Nachteile beim Exportieren und Vorteile beim Importieren.
EM: Der Vorsitzende des Airbus-Betriebsrats, Rüdiger Lütjen, hat angeregt, zur Vermeidung von Stellenabbau und Produktionsverlagerung in den Dollar-Raum den Verkauf der Flugzeuge statt wie bisher in Dollar, künftig in Euro abzuwickeln, um höhere Preise zu erzielen. Ist das realistisch? Boeing würde ja wohl weiterhin seine Rechnungen in Dollar stellen.
Klodt: Das würde natürlich gar nichts bringen und ist auch nicht realistisch. Wenn man heute ein Flugzeug zu einem bestimmten Preis bestellt, das in zwei Jahren vielleicht ausgeliefert wird, dann ist ja zu erwarten, dass sich inzwischen die Wechselkurse geändert haben. So gesehen würde es schon einen Unterschied machen, ob die Rechnung in Dollar oder in Euro ausgestellt wurde. Gegen solche Wechselkursschwankungen sichern sich aber die Unternehmen ab, indem sie Termingeschäfte abschließen. Airbus hat sich durch Wechselkursgeschäfte abgesichert. Das heißt, bei älteren Verträgen treten keine wechselkursbedingten Verluste auf. Etwas anderes sind die Verluste durch Lieferverzögerungen.
EM: Und wie ist es auf längere Sicht, wenn der Dollar noch mehr fällt und der Euro noch stärker wird?
Klodt: Dann entsteht ein ziemliches Kostenproblem für Airbus. Denn die Arbeitsstunde im Euroraum ist eben teurer als im Dollarraum, und diese Schere würde sich weiter öffnen.
EM: Könnten denn die Kostenprobleme gelöst werden, wenn es sich durchsetzen ließe, was der Herr Betriebsratsvorsitzende Lütjen zumindest angeregt hat: Dass die Welt künftig die im Euroraum produzierten Airbus-Flugzeuge in Euro bezahlt und nicht mehr in Dollar?
Klodt: Natürlich nicht. Wenn der Hauptkonkurrent Boeing dauerhaft niedrigere Kosten hat als Airbus, dann ist es egal, ob die Flugzeugrechnungen in Dollar abgerechnet werden oder in Euro. Ich vermute auch, dass es bei den Warnrufen der Konzernspitze um etwas ganz anderes geht, das ist jedenfalls mein Eindruck. Das Airbus-Management hat von Anbeginn an das Problem einer räumlichen Zersplitterung der Produktion über ganz Europa hinweg. Dieses Problem hat Boeing nicht. Das US-Unternehmen arbeitet zwar auch mit Zulieferern in der ganzen Welt, die Produktion aber ist vorwiegend in Seattle konzentriert. Bei Airbus dagegen werden vorgefertigte Teile durch ganz Europa geflogen. Dadurch wird die Optimierung der Produktionsabläufe immens erschwert. Das Management versucht seit langem, die Produktion zu konzentrieren.
EM: Aber Airbus-Chef Thomas Enders und der Vorsitzende des Mutterkonzerns EADS, Louis Gallois, haben aber doch gerade gedroht, Teile der Airbusproduktion noch weiter aufzusplittern und in den Dollarraum zu verlagern, um Kosten einzusparen. Was soll man davon halten?
Klodt: Ich vermute, dass das Airbus-Management die Krise als Chance begreift. Es hat sich zwar sicher weder den Kabelsalat beim A380 herbeigewünscht noch den starken Euro. Aber nachdem die Krise nun mal da ist, wird das Management ein Interesse daran haben, diese zu nutzen. Und zwar in dem Sinne, dass man das Grundanliegen der geographischen Konsolidierung in Angriff nimmt. Die Androhung von Produktionsverlagerungen in den Dollarraum muss man meines Erachtens eher als eine Drohung oder eine Warnung verstehen, was geschehen könnte, wenn man die Produktion nicht endlich konzentriert. Dass Produktionsverlagerungen in den Dollarraum eine wirklich ernst gemeinte Absicht sind, glaube ich nicht.
EM: Haben Sie herzlichen Dank für diese Einschätzung.
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