Das „schlafende Land“ öffnet sich für Touristen und schickt seine wertvollen Naturschätze in den WestenSIBIRIEN

Das „schlafende Land“ öffnet sich für Touristen und schickt seine wertvollen Naturschätze in den Westen

Das „schlafende Land“ öffnet sich für Touristen und schickt seine wertvollen Naturschätze in den Westen

Schneeleoparden, Zirbelkiefern und Zedernüsse, wilde Pferde, malerische Seen und viereinhalbtausend Meter hohe Gipfel – das Altaigebirge lockt mit seinem Zauber und seltenen Abenteuern. Es ist eine der neu entdeckten Tourismusregionen in Sibirien.

Von Johann von Arnsberg

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Sibirien - das schlafende Land  

EM – Die unendlichen Weiten zwischen Uralgebirge und Pazifischem Ozean tragen den Namen Sibirien. Aus dem Tatarischen übersetzt bedeutet dieser Name „schlafendes Land“. Baumlose Tundren, Grassteppen, die endlosen Wälder der Taiga und der berühmte Baikalsee faszinieren nicht nur die Menschen in Rußland. Zunehmend wird das schlafende Land nun auch von Touristen aus dem Westen entdeckt, die mit der Transsibirischen Eisenbahn oder dem Flugzeug das Land und seine Schönheiten besuchen.

Besondere Anziehungskraft hat der in Westsibirien gelegene Altai. Diese Gebirgsregion, deren Name sich vom Mongolischen „Altan“ herleitet, was „golden“ bedeutet, ist das nördliche Randgebirge Innerasiens. Es erstreckt sich zwischen Mongolei und Dsungarischem Becken von Nordwesten nach Südosten in einer Länge von 1.000 Kilometern. Hauptort ist die 600.000 Einwohner zählende Stadt Barnaul. Sie war einst die zweitwichtigste Bergbaustadt Rußlands. Den im Zweiten Weltkrieg unter Stalin vertriebenen Wolgadeutschen wurde das Gebiet von Barnaul zum neuen Siedlungsraum in Sibirien zugewiesen. Heute kann man die Metropole mit Linienflügen von Deutschland aus erreichen.

Wer großes Glück hat, sichtet die Spuren des seltenen Schneeleoparden

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 Der Schneeleopard ist außerordentlich selten

Der Altai, auf der Karte südlich von Novosibirsk zu finden, ist „das Land der tausend Abenteuer“, wie Andreas Lieder von der Agentur für Ost-West-Beziehungen es nennt. Er ist in den zurückliegenden Monaten mehr als einmal mit dem Auto bis nach Sibirien gefahren, und muß es eigentlich wissen.

In den Bergen des Altais nisten Raubvögel wie Falken, Bussarde und Adler. In den Wäldern streifen die scheuen Maralhirsche, Elche, Bären, Wölfe, Füchse und Luchse umher. Wer großes Glück hat, stößt auf die Spuren des außerordentlich seltenen Schneeleoparden, der hier heimisch ist. Seine Beutetiere sind Steinböcke, Mufflons und Murmeltiere.

Am Fuß steiler Bergwände, auf Pässen und am Eingang zu tiefen Schluchten markiert er durch Kratzspuren oder Besprühen mit Urin sein Terrain, wie eine internationale Forschergruppe im vergangenen Jahr herausgefunden hat. Das Fell des Tieres ist gelbweiß bis beige, die Tigerung schwarz. Er ist ausgestattet mit dem längsten Schwanz aller Säugetiere und schleicht auf breiten Pfoten um die Felsen des Gebirges.

Für viele Europäer ist die Region Altai fast unbekannt. Sie lockt mit zahlreichen Gletschern, über tausend sollen es sein, geheimnisvollen Höhlen, wunderschönen bunten Tälern und mit tausenden malerischen Seen. Der größte von ihnen ist der Telezkoje-See. Er liegt unter hohen Bergrücken, ist 80 Kilometer lang und bis zu fünf Kilometer breit. Die tiefste Stelle im See beträgt 325 Meter. Der Altai ist ein weitgehend unberührtes Gebirge, dessen Geheimnisse sich dem offenbaren, der das Abenteuer sucht.

Oft erscheint es Reisenden in dieser Region, als bliebe die Zeit in der durchsichtigen Luft der Berghöhen stehen. Wie seit hundert Jahren sieht man hier die Schäfer mit ihren Herden, die nachts am Feuer vor den Wölfen geschützt werden müssen.

In abgelegenen Tälern donnern die Hufe wilder Pferde

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Nirgendwo sonst treffen die Landschaften Sibiriens und Zentralasiens so unmittelbar aufeinander wie im Altai 

Nirgendwo sonst treffen die Landschaften Sibiriens und Zentralasiens so unmittelbar aufeinander wie im Altai. Hier fügen sich Steppen, Wiesen, Wälder und hochalpine Gipfel auf engstem Raum in perfekter Harmonie zusammen. Der höchste Gipfel des Altaigebirges ist der Belucha mit 4.506 Metern. Faszinierend sind die einsamen Hochtäler mit ihren Steppen, die sich plötzlich vor den Augen des Wanderers oder des Jägers auftun. Die Wasserfälle an den Gebirgsflüssen erreichen Höhen von 60 Metern. Überall im Altai gibt es Quellen mit kostbarem Mineralwasser.

In den abgelegenen Tälern donnern die Hufe wilder Pferde über die Grassteppe. Sie kommen selten mit Menschen in Berührung, eigentlich nur, wenn die Altaier sich am Ende der harten Winter einige Exemplare aus einer Herde einfangen, um sie zuzureiten. Normalerweise sind die scheuen Tiere sich selbst überlassen. Das Einfangen nach Bedarf erspart den Hirten die Mühe der Stallhaltung und der Fütterung im Winter. Sie holen sich nur den Nachwuchs, den sie brauchen, aus dem Reservoire der wilden Herden. Auf sumpfigen Wiesen im Tal werden sie müde geritten. Eine Woche lang, dann hat die Familie ein neues Arbeitspferd. Ohne Pferd ist ein Mann wie ohne Beine, sagen die Menschen im Altai.

Viertausender locken mit anspruchsvollen Bergtouren

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 Altai - faszinierend und vielfältig

Der Sommer im Gebirge ist kurz: Ende September kann im Altai schon wieder Schnee fallen. Hier herrscht ein strenges Kontinentalklima mit starken Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter, vergleichbar mit dem Klima in der benachbarten Mongolei. In die Altai-Region reist man am besten in der Zeit zwischen Ende Juli und Anfang September.

Die touristischen Möglichkeiten im Altai sind vielfältig. Man kann wandern, Schi laufen, vom Pferderücken oder vom Kamelsattel aus die faszinierende Natur bewundern. Auch Hubschrauberflüge zu Fototouren sind möglich, Auto- und Fahrradtouren, Paddeln auf den Flüssen oder Wildwasserfahren. Und natürlich Bergsteigen. Die Viertausender locken mit anspruchsvollen Touren. Wer die Faszination der Unterwelt liebt, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Es gibt große und kleine Höhlen zu besichtigen und ihre dunklen Geheimnisse zu ergründen. Auch für eingefleischte Jäger und Fischer ist der Altai ein ideales Gebiet.

Das Gebiet Altai ist eine Republik, die zur Russischen Föderation gehört. Man besinnt sich aber heute wieder mancher alten Tradition. Zum Beispiel leben der Gesang der mit Obertonstimme (Kehlkopfgesang) vorgetragenen Epen und der Schamanismus wieder auf. In den Schulen wird heute auch wieder in der Sprache des Altaivolkes, einer Turksprache, unterrichtet.

Der Altai ist multikulturell besiedelt

Für Urlauber stehen zahlreiche einfache Herbergen zur Verfügung, aber auch Hotels und gemütliche Landhäuser. Restaurants gibt es in ausreichender Zahl. Das Angebot reicht von der feinen europäischen Küche bis zu traditionellen Spezialitäten des Landes.

Der Altai ist multikulturell. Hier leben Altaier, Russen, Burjaten, Deutsche, Kasachen und andere Völker. Die Reisenden werden überall herzlich empfangen, ob im gastfreundlichen russischen Holzhaus, der typischen „Isba“ oder in einer kasachischen oder burjatischen „Jurte“, den landesüblichen Nomadenzelten. Man trifft auf Angehörige unterschiedlichster Religionen. Im Altai leben Christen, Buddhisten und Muslime. Manche glauben bis heute an die uralten Heidengötter: den guten Gott Ulgenj und den bösen Elrik. Man sieht christliche Kirchen, buddhistische Klöster, Lama-Tempel und den Schamanen am Feuer.

Die sibirische „Zeder“ – Perle der tiefen Gebirgswälder

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Die sibirische „Zeder“ – Perle der tiefen Gebirgswälder 

Als einer der charakteristischen Repräsentanten der Wälder dieses Gebirgslandes gilt die Lärche mit ihrer äußerst starken und dauerhaften Holzrinde. Dieses Holz aus dem Altai wurde früher beim Bau der Stadt Venedig eingesetzt.

Die sibirische „Zeder“ aber ist die „Perle“ der Gebirgswälder. Es ist eigentlich eine Zirbelkiefer, wie es sie ähnlich auch in den Alpenländern gibt. Doch für die „Pinus Sibirica“ hat sich nun einmal der Begriff „Zeder“ eingebürgert. Ihre Samen werden als „Zedernüsse“ bezeichnet. Man gewinnt daraus das bekömmliche „Zedernußöl“, ein Heilöl, das in der Naturheilkunde Sibiriens eine wichtige Rolle spielt. Die Samen und das daraus gewonnene Öl schmecken nicht nur köstlich, sondern sie dienen zusätzlich der Gesundheit. Die Heiler Sibiriens schwören darauf. Zedernußöl soll sich positiv auf das Allgemeinbefinden auswirken, das Immunsystem stärken, die Magen-Darm-Funktion unterstützen, das Hautbild verbessern.

Wertvolles Öl aus den Zedernüssen ist ein Volksheilmittel Sibiriens

Die Samen der sibirischen Zeder sind reich an natürlichen Vitaminen und Spurenelementen, eignen sich hervorragend zum rohen Verzehr und für die Gewinnung von Öl. Dieses weist nach Untersuchungen russischer Wissenschaftler wertvolle Inhaltsstoffe auf mit hochwirksamen Heileigenschaften. Die Nüsse besitzen nach den Analysen der Nahrungsmittelexperten nicht nur einen hohen Energiegehalt (Eiweiß bis 20 Prozent), sondern auch bis 60 Prozent leicht verdauliche, ungesättigte Fettsäuren. 100 Gramm Zedernüsse können demnach den täglichen Bedarf an Aminosäuren und so wichtigen Elementen wie Magnesium, Mangan, Kupfer, Kalium, Kobalt und Zink decken. Zedernüsse sind darüberhinaus auch reich an Eisen und Jod und enthalten praktisch alle Vitamine, die der Mensch braucht, haben die russischen Forscher herausgefunden. Das aus Zedernüssen gewonnene Öl soll sogar noch hochwertiger und wertvoller sein als die Nuß selbst. Es gibt zum Beispiel nach den Erkenntnissen der Experten kein anderes Lebensmittel, welches reicher an Magnesium wäre.

Daneben kennen die Sibirer eine Reihe weiterer Einsatzmöglichkeiten für die wertvollen Zapfen der Zeder und die daraus gewonnenen Produkte. Das Öl dient auch zum Kochen und Braten. Die ausgepreßten und getrockneten Samen werden gemahlen und ergeben ein wertvolles Mehl zum Backen. Feinschmecker streuen die Samen selbst zum Beispiel auf Salate. Sie schmecken noch besser als andere Pinienkerne, sagen die Kenner. Sibirische Mütter stellen eine Nußmilch für ihre Kinder her und servieren die Zedernüsse im Müsli für einen gesunden Start in den Tag.

Kräuter, Pilze, Beeren und getrocknetes Farnkraut für den Westen

Im Altai wachsen außerdem viele Heilkräuter, von denen in erster Linie die Maral-Wurzel (Leuzea carthamoides) und die Goldenwurzel (Rhodiola Rosea L) eine große Bedeutung haben. Die Wirkung dieser heilenden Wurzeln wird mit der von Ginseng verglichen.

Auf Sibirien spezialisierte Importeure aus Westeuropa haben den reichhaltigen Naturgarten des russischen Ostens bereits entdeckt. Neben Zedernöl und Zedernüssen, Wurzeln und Kräutern werden zunehmend auch andere Delikatessen eingeführt: Pfifferlinge, Steinpilze und Morcheln, Preiselbeeren und Moosbeeren. Ja selbst getrocknetes oder in Salzlake eingelegtes Farnkraut (Pteridium aguilinum) findet seinen Weg in die Küchen Europas und zu westlichen Naturheilern. Es soll die Abwehrkräfte des Körpers stärken und die Blutzirkulation fördern.

Und das, was einem gemeinhin als klassisches sibirisches Exportgut einfällt, wird auch noch immer ausgeführt: Felle aller Art. Geschäftsleuten, die sich mit dem Einkauf von Wildfellen beschäftigen, werden heute spezielle Möglichkeiten geboten, direkt in der Altairegion einzukaufen. Vor allem preiswerte Zobelfelle aus erster Hand sind sehr begehrt.

Ein Spezialist für solche Reisen ist die Agentur für Ost-Westbeziehungen in Hamburg, Bramfelderchaussee 330. Sie bietet individuelle- und Gruppenreisen in die reizvolle Altai-Gegend an. Weitere Informationen: www.agentur-owb.de.

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