Dem Wunderkind Carl Filtsch aus Mühlbach ist ein eurasisches Kulturereignis gewidmetSIEBENBÜRGEN

Dem Wunderkind Carl Filtsch aus Mühlbach ist ein eurasisches Kulturereignis gewidmet

Dem Wunderkind Carl Filtsch aus Mühlbach ist ein eurasisches Kulturereignis gewidmet

Er hätte nach Aussagen von Zeitgenossen ein zweiter Mozart werden können. Doch bereits mit 15 Jahren hat der Tod das Genie aus den Bergen Siebenbürgens dahin gerafft. Carl Filtsch, begnadeter Pianist und jugendlicher Komponist war Schüler und Protegé Chopins, begeisterte Franz Liszt und reiste im jugendlichen Alter kreuz und quer durch Europa, von einem Konzerthaus zum nächsten. Heute steht der Name des Siebenbürger Buben Pate für das nach ihm benannte Carl-Filtsch-Wettbewerb-Festival. Es wird im Juli 2007 bereits zum zwölften Mal im siebenbürgischen Hermannstadt ausgetragen.

Von Dagmar Dusil

M usik schafft in Siebenbürgen einen grenzüberschreitenden Dialog. Teilnehmer aus  über 20 Ländern haben sich in den vergangenen zwölf Jahren regelmäßig zum Carl-Filtsch-Wettbewerb in Hermannstadt eingefunden. (Seit es zum rumänischen Staat gehört, heißt es Sibiu). Sie kamen aus fast ganz Eurasien. Neben Musikern aus dem Gastgeberland Rumänien nahmen beispielsweise Künstler aus Bulgarien, der Republik Moldau, aus der Ukraine, aus Ungarn, aber auch aus Deutschland, Italien, Tschechien, Japan, Litauen, Georgien, Südkorea und Taiwan teil.

Im Frühherbst 1995  fand in Hermannstadt der erste Carl-Filtsch.Wettbewerb statt.  Seit 2005 wird er im Sommer, Anfang Juli ausgetragen. Beeindruckend groß war in all diesen Jahren die Anzahl der Teilnehmer. Bis zu 300 Kandidaten kamen, um ihr Können unter Beweis zu stellen.

Dass Hermannstadt zum Austragungsort gewählt wurde, ist nicht weiter verwunderlich. Seit eh und je war Hermannstadt eine Stadt der Musik. Und das nicht nur für Siebenbürgen, sondern es hatte im damaligen Österreich-Ungarn eine Brückenfunktion zwischen West und Ost. Namhafte Musiker wie Franz Liszt, Johann Strauss oder Johannes Brahms konzertierten in Hermannstadt. Eine Neuerung bildete damals die Einführung der türkischen Musik mit Blasinstrumenten und Schlagwerk.

Als am 28. August 1995 der erste Carl-Filtsch-Wettbewerb stattfand, lag in Hermannstadt buchstäblich Musik in der Luft. Austragungsort war das Musikvereinsgebäude, der Sitz der Philharmonie. Neun Jahre hat dieses Haus den Wettbewerb beherbergt. Seit 2005 findet er im Thalia Saal des neu aufgebauten Theaters statt, dem jetzigem Sitz der Philharmonie. Hier hatte Carl Filtsch einst triumphale Erfolge gefeiert.

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Carl Filtsch und sein kurzes Leben

Dass der Wettbewerb den Namen Carl Filtsch trägt, hat eine typische „Ostblock“-Geschichte.
Es muss wohl in jenem Herbst des Jahres 1968 gewesen sein, als sowjetische Panzer nach Prag rollten und auch im kleinen Siebenbürgen sich Hoffnung auf Freiheit einschlich. Überall saß man zusammen, um zu diskutieren. So auch der Mathematiklehrer Tobi und der  Pianist Peter Szaunig, Absolvent der Bukarester Hochschule für Musik, Solist an der Hermannstädter Staatsphilharmonie, Musikwissenschaftler und Klavierlehrer. Unter einem  alten Kastanienbaum besprachen sie die Zeitläufte. Dabei kam auch zur Sprache, dass der musikbegeisterte Mathematiker in seiner Bibliothek ein kleines Büchlein in englischer Sprache entdeckte, geschrieben von einer gewissen Irene Andrews. Es war die Biographie von Carl Filtsch. Lebendig wurde darin das kurze Leben jenes Komponisten, der später zum Namenspatron des Musikwettbewerbs werden sollte.

Er stammt aus dem zwischen Bergen versteckten und verträumt wirkenden Städtchen Mühlbach in Siebenbürgen. Wenn man heute durch die Hauptstraße fährt, kommt man an einem Haus vorbei, an dem eine Gedenktafel zu Ehren Carl Filtschs angebracht ist. In diesem kleinen Städtchen erblickte er am 28. Mai 1830 im Sternzeichen der Zwillinge das Licht der Welt.

Fünfzig Kilometer vom Geburtsort Carl Filtschs entfernt liegt Hermannstadt, die Kulturhauptstadt Siebenbürgens schlechthin. Im Jahre 1830 gab es in ihren Mauern bei 20.000 Einwohnern immerhin 4.000 Klaviere. Klavierspielen war en vogue. Prägende Eigenschaften dieses Menschenschlags sind außerdem Fleiß, Konsequenz und eine gewisse Sturheit. 

Das waren die Rahmenbedingungen, in die das kleine Genie hineingeboren wurde. Für ihn selbst begann mit drei Jahren der Klavierunterricht durch den Vater. Der sprichwörtliche siebenbürgische Fleiß paarte sich bei dem Buben bald mit Phantasie und einem träumerischen Wesen. Kirchenglocken nennt er seine ersten Lehrmeister.

Im Triumphzug quer durch Europa

Carl Filtsch, das zehnte Kind des siebenbürgischen Stadtpfarrers Joseph Filtsch und dessen Frau Caroline Felmer, wuchs in einer betont harmonischen familiären Atmosphäre auf. Das waren optimale Voraussetzunge für die Entwicklung dieser großen Begabung. Im Hause Filtsch wurde gesungen und musiziert, alle Familienmitglieder spielten ein Instrument.  Doch auch andere geistige Interessen nahmen einen hohen Stellenwert ein. Der Vater ordnete an, dass in der Familie je eine Woche deutsch, eine Woche ungarisch und in der dritten Woche französisch gesprochen wurde. Es waren dies die besten Voraussetzungen für die späteren Reisen, die Carl Filtsch unternehmen sollte. Sie führten ihn quer durch Europa, wurden zu einem Triumphzug pianistischen Könnens. Er wurde der Lieblingsschüler Chopins, und sein Spiel begeisterte das Publikum in sämtlichen Metropolen Europas. Wien, Paris und London waren ihm ebenso vertraut wie die ungarischen und siebenbürgischen Provinzen.

Seine Klavierausbildung hatte der Bub in Wien erhalten. Er war von berühmten Pianisten wie August Mittag, dem Lehrer Thalbergs, Friedrich Wieck, dem Vater von Clara Schumann, und Simon Sechter unterrichtet worden. Dieser äußerte sich folgendermaßen über ihn: „Mit diesem  werde ich dort anfangen, wo ich mit anderen aufhörte“.

Ein freundschaftliches Verhältnis voller Bewunderung und gegenseitiger Sympathie entwickelte sich auch zwischen Carl Filtsch einerseits, Thalberg und Liszt andererseits. Von Liszt stammt auch der Ausspruch: „Wenn dieser Knabe zu reisen beginnt, kann ich meine Bude zusperren“.

Meyerbeer bescheinigte ihm eine große musikalische Zukunft, und Chopin äußerte einmal nach einem Vortrag seines f-moll Konzertes durch Carl Fitsch mit Freudentränen in den Augen: „Mein Gott welch ein Kind! Kein Mensch hat mich jemals so verstanden wie dieses Kind, das außerordentlichste was ich je getroffen habe. Beinahe alle meine Kompositionen spielt er, ohne mich gehört zu haben, ohne dass ich ihm das Mindeste zeigte, nicht genau wie ich, aber gewiss nicht weniger gut als ich.“

Die Zeitungen berichteten überschwänglich. Er ist nicht nur ein Virtuose der Tasten, sondern er hat auch das Zeug ein „musikalischer Schöpfer“ zu werden, schrieben die Kritiker der diversen Blätter. 1841 besuchte der junge Mann seine alte Heimat. Seine Erfolge waren triumphal. Es wird ihm vorausgesagt, ein Liszt Siebenbürgens zu werden. Am 27. August 1841 konzertierte er im Hermannstädter Theater und erntete stürmischen Applaus.

Leider verglühen Kometen nur allzu schnell. Carl Filtsch sollte nur fünfzehn Jahr alt werden, kometenhaft aufsteigen, um dann plötzlich zu vergehen. Sein Leben endete bevor es noch richtig begonnen hatte. Aber er konnte in diese fünfzehn Jahre so viel hineinpacken, so viel leben und erleben, wie andere vielleicht in einem ganzen langen Menschenleben nicht.
Die Trauerbotschaft ist im „Siebenbürger Bote“ wie folgt vermerkt: „Carl Filtsch ist am 11. Mai d. J. für 1 Uhr in Venedig gestorben; die früh geöffnete Blüte, welche die köstlichsten Früchte versprach, hat sich allzu früh geschlossen“. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof von San Michele in Venedig. Zeitgenossen adelten ihn, indem sie über ihn sagten, er wäre ein zweiter Mozart geworden, wenn nicht eine Krankheit ihn so früh dahingerafft hätte.

Das komponistische Werk von Carl Filtsch

Für sein junges Alter hinterließ Filtsch ein beachtliches Werk. Seine frühreife Begabung ist trotz Chopinscher Einflüsse erkennbar. Die Werke, die eher romantischer Natur sind, setzen sich aus technisch-virtuosen Klangbildern zusammen, die dem Interpreten eine meisterhafte Beherrschung des Instruments abverlangen, gepaart mit einer gefühlsbetonten Intuition. Acht Kompositionen sind überliefert, vier galten bis vor kurzem als verschollen: ein Präludium, eine Etüde, ein Nocturno, sowie ein Klavierkonzert. Inzwischen sind es nur noch drei.  Das „Konzertstück“ für Klavier und Orchester wurde erst kürzlich entdeckt.

Auch in Amerika wurde man in den 80-er Jahren auf Carl Filtsch aufmerksam. Und wieder war es das Büchlein von Irene Andrews, das dazu führte, dass man auf das siebenbürgische Wunderkind stieß. Irene Andrews ist eine Nichte von Carl Filtsch. Mit dem Büchlein „About One Whom Chopin Loved“, das 1923 wahrscheinlich im Selbstverlag in New York veröffentlicht wurde, hielt sie das Andenken ihres Neffen lebendig.

Hommage an Carl Filtsch

Als Peter Szaunig im Jahre 1973 Siebenbürgen verließ, hatte er seine Träume und Ziele mit im Gepäck. Und die Musik Carl Filtschs. Sie war für ihn stets so präsent wie die Idee, eines Tages einen Wettbewerb zu Ehren dieses siebenbürgischen Wunderkindes ins Leben zu rufen. Szaunig ist inzwischen an der Lahrer Musikschule (in Baden) tätig. Und wie der Zufall es so wollte, traf er seinen ehemaligen Studienkollegen und Landsmann Walter Krafft, selbst gebürtiger Mühlbächer (wie Carl Filtsch), der im Jahre 1967 gemeinsam mit seiner Mutter das Münchner Musikseminar gegründet hatte. Die beiden beschlossen, dem musikalischen siebenbürgischen Genie Carl Fitsch ein Denkmal zu setzen. Natürlich sollte es ein „klingendes Denkmal“ sein.

Szaunig war es auch, der über Frau Ilse Kolck Noten des siebenbürgischen Wunderkindes gefunden hat: drei Kompositionen von Carl Filtsch, die in London 1842/43 unter dem Titel „Prémiere pensée musical“ (Romanze, Barcarole, Mazurka) erschienen. Hermine Zimanyi überließ dem begeisterten Pianisten zwei weitere Kompositionen, die in Wien bei C. A. Spina gedruckt worden sind: das „Impromptu“ in b-Moll und das „Adieu“ in c-Moll.

Zum pianistischen Duo Szaunig/Krafft gesellte sich zu dieser Zeit ein dritter Pianist, der Holländer G. A. Alink, Herausgeber eines fünfbändigen Klavierwettbewerb-Führers. Dieses pianistische Triumvirat wurde der eigentliche Wegbereiter des Carl-Filtsch-Wettbewerb-Festivals. Nach 1989, als auch in Rumänien die Diktatur stürzte, wurde die Verwirklichung dieser Idee in Hermannstadt möglich.  

Der Carl-Filtsch-Wettbewerb ist inzwischen fester Bestandteil der musikalischen Landschaft im siebenbürgischen Hermannstadt geworden. Der diesjährige Wettbewerb wird als Generalprobe für das Jahr 2007 angesehen, dem Jahr in dem Hermannstadt gemeinsam mit Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt wird. Die Sprache der Musik, Musik als übergeordnetes zwischenmenschliches Kommunikationsmittel verbindet Kinder und Jugendliche mehrerer Kontinente und trägt dazu bei, dass die Welt und das Menschenleben nicht in Zerrissenheit, Unsittlichkeit, Hass oder zerstörerische Gewalt zerfällt. So wollten es die Initiatoren.

Klavierwettbewerbe gibt es indes weltweit wie Sand am Meer. Was unterscheidet das Carl-Filtsch-Wettbewerb Festival von anderen Wettbewerben? Neben Werken der Weltliteratur aus mindestens drei Stilepochen muss der Kandidat als Pflichtstück eine zur Auswahl stehende Filtsch-Komposition spielen. Doch was diesen Wettbewerb so einmalig in der ganzen Welt macht, ist Peter Szaunigs Verdienst, der eine zusätzliche schöpferische Koordinate diesem Wettbewerb hinzufügte und zwar das Vortragen einer „Eigenkomposition“ von mindestens drei Minuten Dauer, ein weltweites Novum, das fakultativ in den Bewertungskatalog der Jury einbezogen wird. Diese Koordinate ist die eigentliche Hommage an Carl Filtsch. Die kleinen (und größeren Pianisten) können nicht nur ihr pianistisches Können unter Beweis stellen, sondern auch ihrer Kreativität und Phantasie freien Raum lassen.

*

Die „Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung“ hat eine Einspielung auf CD mit Werken von Carl Filtsch finanziert. Interpret ist der Münchner Pianist Leonhard Westermayr. Die Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt kam für die Druckosten der von Peter Szaunig bearbeiteten und von Leonhard Westermayr mit Fingersätzen versehenen Ausgabe der Filtsch-Kompositionen auf, die im Gehann-Musik-Verlag Kludenbach erschienen sind.

Information und Bezugsquelle für die DC:
http://www.muenchener-musikseminar.de/CD-Katalog/cd-katalog.html

Geschichte Musik Osteuropa

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