Staffelberg - heiliger Berg der Franken und keltisches MenosgadaEURASISCHE SPIRITUALITÄT

Der Staffelberg: Seine Steine raunen von Menosgada

Staffelberg - heiliger Berg der Franken und keltisches Menosgada

Auf dem heiligen Berg der Franken stand einst das keltische Oppidum Menosgada, das der griechische Mathematiker und Geograph Ptolemäus vor Jahrtausenden in seiner Weltkarte verewigt hat. Noch heute wird von dieser Keltenburg und ihrer eindrucksvollen Vergangenheit gesungen.

Von Hans Wagner | 13.07.2016

Segodunum“, sang der Reiter neben mir. „Wie traurig bist du heute. Berg, der du so freundlich warst, als ich weggeritten. Winter ist’s. Mager sind die Hirsche…“

Das ist eine der ersten Szenen des historischen Romans „Geh von Deinem Acker, Kelte“, den Hermann Nölle verfasst hat. Es ist Abend. Ein kurzer Dialog entspinnt sich zwischen dem Reiter, der in die befestigte Keltensiedlung Segodunum gekommen war und dem Ich-Erzähler. Der Reiter fragt: „Kennst du das Lied, das der Berg heimlich singt, bevor es Tag wird?“ Und gibt auch gleich die Antwort: „Ich bin eine unbezwingbare Veste! Ich bin ein unverrückbarer Fels. Ich bin die Veste Segodunum!“    

„Seg“ ist keltisch und heißt „Stärke“, „Dunum“ ist die Festung. Segodunum bedeutet starke Festung auf dem Berg. Die Burg, die Hermann Nölle beschreibt, ist die heutige „Steinsburg“. Sie liegt bei Römhild im Thüringischen und gehört zu einem ehemaligen keltischen  Oppidum, einer befestigten Siedlung auf dem „Kleinen Gleichberg“.

„Vernehmt des Barden klagenden Gesang“

Nölle hätte auch den benachbarten, nur gut fünfzig Kilometer südlich davon gelegenen Staffelberg als Schauplatz wählen können. Auch hier stand einst ein keltisches Oppidum. Und auch von seiner Burg gibt es ein Lied.

„Vernehmt des Barden klagenden Gesang, von Menosgadas Untergang. Von der hohen Burg, die unser war, bevor der Krieg das Leid gebar.
Oh, ihr Götter, was habt ihr uns angetan? Der Fluch des Nordens ist unser Untergang! Mein Volk nun gegen Westen zieht, dort wo die Sonne untergeht.“

Menosgada, die Mainstadt, so hieß die Keltensiedlung auf dem Staffelberg über dem Obermaintal. Der „Fluch des Nordens“, von dem der Barde singt, waren die in der Völkerwanderung aus Gotland und von der Ostseeküste vorrückenden Germanen. Die Bewohner der hoch gelegenen Staffelbergsiedlung und ihr ganzes Volk flohen vor ihnen bis nach Gallien im heutigen Frankreich.

Das bittere Schicksal des Keltenvolkes

Der „klagende Gesang des Barden“ ist jedoch erst seit kurzem zu vernehmen: Rund zweitausend Jahre nach dem Abzug der Kelten brachte die Pagan-Metal-Band „Odroerir“ den Titel „Menosgada“ heraus, in dem vom bitteren Schicksal des Keltenvolkes berichtet wird. Die Musiker kommen aus Thüringen. Seit Herbst 1998 sind sie aktiv, schreiben „Götterlieder“ und vertonen Sagen nach dem Stil der Edda.

Eine andere Gruppe um den Gitarristen und Liederschreiber Michael Koch, der am Fuße des Staffelberges geboren wurde, wählte gar den Namen der einst dort oben stehenden Keltenburg für ihre Viking-Metal-Band und nannte sich selbst „Menosgada“. In ihrem Repertoire hatte auch sie vor allem nordische Folklore, Geschichte und Mythologie, obwohl sie sich den Namen der Keltensiedlung  gegeben hat. Der „Fluch des Nordens“ hat sie nicht ereilt. Aber im März 2010 ließ die Gruppe wissen, „dass Menosgada nicht ganz den Sprung zu einer „richtigen‘ Band geschafft hat. Obwohl das Schreiben und Aufnehmen der Songs viel Spaß macht, endet hier unser Weg.“

Die „Staffeln“ der Urzeit

Der Mythos aber lebt. Und nicht nur der ewige Wind auf dem Felsenplateau des Staffelbergs, auf dem einst Menosgada stand, erzählt von alten Zeiten. Auch  Steine und Wälle, die hier seit Jahrtausenden aufgeschichtet wurden, sind Zeugen der uralten Siedlungsgeschichte und raunen noch immer davon.

Im Tal, aus dem der eindrucksvolle „Zeugenberg“ südöstlich der Stadt Bad Staffelstein 539 Meter hoch aufragt, sind Kies- und Sandablagerungen des nahen Mains angeschwemmt. Daraus steigt der Sockel des Berges hervor, der vor allem aus Ton und Mergel besteht. In weiteren Stufen, die im alemannisch-fränkischen Sprachgebrauch „Staffeln“ heißen und dem Berg seinen heutigen Namen gaben, stapeln sich treppenartig die Gesteinsschichten aus Eisensandstein, Malm, Werkkalk und Dolomit. Letzterer bildet die harte zerklüftete Felsoberfläche, die aus einer riffähnlichen Lebensgemeinschaft von Meerestieren und Pflanzen eines Urmeeres entstanden ist.

Der Staffelberg ist weithin sichtbar und von eindrucksvoller Statur. Diese verdankt er seiner Einzellage, die durch die Erosion in Jahrmillionen der Erdgeschichte entstanden ist. Das weichere Material der Umgebung ist längst abgetragen und fortgespült, vom Wind verweht und eingeebnet. Nur der Staffelberg ragt noch hervor und bietet seinen Riffkranz trutzig dem Wind, von dem er jahrein, jahraus umspielt und manchmal auch umtost wird.

Kelten liebten Bergsporne und Zeugenberge

Einst gehörte auch der Staffelberg zur südlich gelegenen Hochfläche der Frankenalb. Heute bildet er als „Einzelkämpfer“ ihren äußersten, isolierten Vorposten. Seine Gesteine sind verwitterungsresistenter als die benachbarten Flächen, und so überragt er seine Umgebung in dieser markanten Weise. Er war schon vor Jahrtausenden für die Menschen etwas ganz Besonderes.

Vor allem die Kelten besaßen eine starke Affinität zu solchen Berggebilden. Unwiderstehlich wurden sie davon angezogen, errichteten Fliehburgen  und befestigte Oppidien auf ihren Höhen. Sie waren begnadete Festungsbauer und bezogen landschaftliche Gegebenheiten mit sicherem Auge in ihre Anlagen mit ein. Der Bergsporn am heute so genannten Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen, wo die große Europäische Wasserscheide verläuft, ist ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür. Auch hier, auf der wie ein Schiffsbug ins Land hinaus ragenden Erhebung von fast 1.000 Metern Höhe, stand einst eine keltische Burg. Heute bezeichnenderweise eine Wallfahrtskirche. (Siehe EM 11-2009 „Von Vulkanschloten und heiligen Bergen“).Oder die beiden einander gegenüberliegenden thüringischen Gleichberge bei Römhild in der fränkisch geprägten Region Grabfeld. Auf dem „Kleinen Gleichberg“ steht wie beschrieben die Segodunum genannte Steinsburg..

In der vulkanischen Vogelsbergregion in Hessen ist es der 270 Meter hohe Glauberg, auf dem einst keltische Fürsten lebten. Eine imponierende Erscheinung und beispielhaft für die Siedlungsweise des Keltenvolkes. Auch der 668 Meter hohe Ipf bei Bopfingen am Westrand des Nördlinger Ries ist ein Zeugenberg und stellt mit seinen eindrucksvollen Befestigungsanlagen ein bedeutendes Kulturdenkmal der Keltenzeit dar. Und eben der Staffelberg in Franken.

Staffelberg – heiliger Berg der Franken

Heute weht auf dem höchsten Punkt seiner Jahrmillionen alten Riffkuppe die fränkische Fahne mit dem rotweißen „Rechen“. Seine drei silberne Spitzen prangen auf rotem Tuch. Schon während der ostfränkischen Expansion zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends war hier ein karolingischer Reichsgutbezirk entstanden. Doch erst ab 1835, als Bayern sich das Frankenland einverleibte, wurde der Rechen zum Symbol der fränkischen Gebiete. Der Staffelberg ist heute so etwas wie der heilige Berg der Franken.

Daran hat der Dichter Victor von Scheffel hohen Anteil. Ihn hat der Blick vom Staffelberg hinunter ins Maintal zu poetischen Versen angeregt, die inzwischen als „Frankenlied“ gesungen werden: „Wohlauf, die Luft geht frisch und rein, wer lange sitzt muss rosten.“ Scheffel reimte dazu im Jahr 1859:

„Zum heil‘gen Veit von Staffelstein komm ich emporgestiegen und seh‘ die Lande um den Main zu meinen Füßen liegen: Von Bamberg bis zum Grabfeldgau umrahmen Berg und Hügel die breite, stromdurchglänzte Au, ich wollt‘, mir wüchsen Flügel!“

Der „heilige Veit“ war einer von vielen Eremiten (Einsiedlern), die von 1696 bis 1929 auf dem Staffelberg hausten. Sie hatten ihre Wohnungen neben einer Wallfahrtskapelle, die auf dem Berg errichtet wurde – wie vielerorts nach der Christianisierung, als die Kirche jene Orte in Besitz nahm, die einst Siedlungs- und Kultplätze der Kelten waren.

„Verzeih mir Durst und Sünde“

Victor von Scheffel, dessen Name heute auch für ein Edelrestaurant im Kurhaus Obermaintherme zu Staffelstein herhält, war offenbar kein Kostverächter. Er fand in seinem Lied den Einsiedler nicht zu Hause und reimte – so richtig nach dem Geschmack der weinliebenden Franken:

„Einsiedel, das war missgetan, dass du dich hubst von hinnen! Es liegt, ich seh’s dem Keller an, ein guter Jahrgang drinnen. Hoiho,  die Pforte brech‘ ich ein und trinke was ich finde. Du heil‘ger Veit von Staffelstein, verzeih mir Durst und Sünde!“

Der Einsiedler vom Staffelberg wurde damit unsterblich. Und von seiner einstigen Eremitenbehausung aus, in der sich heute eine Gaststätte befindet, hat man als Besucher einen schönen Blick auf zwei architektonische Kleinode Frankens: die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen im Rokoko-Stil und das barocke Kloster Banz. Beide stammen in der heutigen Form aus dem beginnenden 18. Jahrhundert.

Die Kleinstadt Staffelstein nennt sich heute Bad Staffelstein, denn sie ist Kurort und besitzt mit dem Thermalbad Obermain Bayerns wärmste und stärkste Thermalsole. In ihren Mauern wurde 1492 – im Jahr als Columbus in Amerika landete - der Rechenmeister Adam Riese geboren. Er war Zeitgenosse von Hans Sachs, Albrecht Dürer, Martin Behaim, Martin Luther, und Nikolaus Kopernikus. Ausgerechnet vor der HypoVereinsbank von Staffelstein steht sein übermannshohes Denkmal. Das hat die Banker jedoch nicht davon abgehalten sich zur „Hypo Verrinnsbank“ zu entwickeln, der das Geld nur so durch die Finger lief und die tief in die roten Zahlen rauschte, wie man während der Finanzkrise lesen konnte. Auf den Rechenmeister hat vor lauter Gier seinerzeit keiner mehr gehört.

Tierknochen und Gerätschaften in den Kellergruben von Menosgada

Beim Blick vom Berg auf die Stadt ist das Kurgelände mit der Obermain Therme unübersehbar. Von Menosgada auf dem Hochplateau des Berges hingegen ist, 2.000 Jahre nachdem die Kelten es verlassen haben, kaum noch etwas zu erkennen. Die einst als „Akropolis“ bezeichnete Bergfestung ist abgetragen. Der Zugang im Norden des Berges war der einzige, und er ist auch heute noch der Eingang zum Hochplateau, das rund 350 Meter lang und 125 Meter breit ist. Wälle und Mauern sind verschwunden. Grabungsfunde aus allen Epochen der Geschichte zeugen jedoch von der Vergangenheit: Feuersteingeräte, Steinbeile, Keramik, bronzene Gebrauchsgegenstände, Waffen, Schmuck und eiserne Werkzeuge. Die ältesten Fundstücke sind über 7.000 Jahre alt. Auch zahlreiche Tierknochen konnten in den Kellergruben des Oppidums geborgen werden. Die Schätze der Vorzeit liegen heute zum Großteil in der Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung der Universität Erlangen und im Museum der Stadt Bad Staffelstein.

Der Name des im Tal vorbeiziehenden Flusses Main ist keltischen Ursprungs. Die frühen Besiedler nannten ihn Moin oder Mogin. Als Menosgada – die Mainstadt – bezeichnete der griechische Mathematiker und Geograph Claudius Ptolemäus das keltische Oppidum auf dem Staffelberg im heutigen Oberfranken und verzeichnete es in seiner Weltkarte. Als er Menosgada um etwa 150 n. Ztr. in dieses Kartenwerk aufnahm, existierte Menosgada jedoch bereits nicht mehr. Die Nachrichtenverbindungen waren in jener Zeit eben noch äußerst dürftig und langsam.

Weitläufige Beziehungen im eurasischen Raum

Dass Ptolemäus von Menosgada berichten konnte, hat damit zu tun, dass die Kelten weitläufige Beziehungen im eurasischen Raum unterhielten. Das Verbreitungsgebiet des Volkes reichte bis tief ins kleinasiatische Anatolien hinein und berührte ebenso griechische Handelsplätze. Auch auf dem gesamten Balkan findet man keltische Spuren. Desgleichen in Westungarn, Oberitalien, dem heutigen Österreich, in Nordspanien, Frankreich bis nach Südostengland. Die Herkunft des Volkes der Kelten liegt weitgehend im Dunkeln. Aber man vermutet, dass es letztlich im zweiten Jahrtausend v. Ztr. aus Asien eingedrungen ist und an der Donau entlang nach Europa gelangte. Die frühe keltische Kultur bezeichnet man nach bedeutenden Fundorten als Hallstatt- oder La Tène-Zeit.

Südlich des keltisch geprägten Gebietes in Mitteleuropa grenzte anfangs noch der etruskische Siedlungsraum an und im Osten und Südosten der griechische, thrakische und skythische Kulturbereich. In all diese Gebiete unterhielten die Kelten intensive wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Im keltischen Oppidum auf dem Staffelberg fand man z. B. die im Jahre 170 v. Ztr. geprägte Münze eines kappadokischen Königs aus Kleinasien. Sie belegt die Verbindungen der Keltenstadt Menosgada bis weit in den Südosten.

Totengedenken auf Menosgadas Berg

Seit der Zeit der Kelten, einem der spirituellsten Völker Eurasiens, hat der Staffelberg nichts von seiner Faszination verloren. Lichte Wälder begleiten den Aufstieg. An einem großen Felsen ist die bronzene Gedenktafel für den toten Dichter Victor von Scheffel angebracht. Ein Stück unterhalb steht ein Ehrenmal für die Gefallenen der Stadt Staffelstein im ersten Weltkrieg.

Aus satten grünen Ebenen erhebt sich der heilige Berg, der auf eine Jahrtausende alte wechselvolle Geschichte zurückblickt. „Er hat es kaum nötig, der Staffelberg, der jahraus, jahrein eine starke Besucherzahl aufweist, dass man hier ihm ein Lob singe. Er singt sich selbst ein solch hohes Lied. Schon wer ihn von ferne erblickt, wird von ihm angelockt“, schreibt Georg Stark in seinem „Kleinen Staffelberg-Führer“.

Er zählt eingangs bereits die Zutaten zum spirituellen Habitus des Berges auf: „Wer zu ihm aufsteigt, durch die Zonen der Hangwälder und –wiesen und deren Blütenzauber, der vernimmt den Gruß einer artenreichen Flora. Und wer bei Sonne und Himmelsblau vom Steilrand des Gipfelplateaus einmal in die lieblichen Lande am Main geschaut, der trägt, wie einst Scheffel, der Dichter des Staffelberg-Liedes, in seinem Herzen und Sinn Sonne und Licht mit nach Hause, ein kostbares Bild von einem der schönsten Rundblicke unserer fränkischen Heimat.“

Für Georg Stark ist es „kein Wunder, dass wir am Staffelberg mehrere Jahrtausende in die Vorgeschichte zurückreichende Ansiedlungen nachweisen können. Die beherrschende Lage hat die vorzeitlichen Menschen genauso angezogen wie uns heutzutage.“

*

Siehe auch Eurasische Bibliothek: DIE KELTEN.

Weitere Quellen und Veröffentlichungen zur Eurasischen Spiritualität

EM 10-2010 „Eurasische Spiritualität – vom Heidenpfad zum Heidenschwanz“.
EM 04-2009 „Geomantikart von der Wasserscheide“.
EM-05-2009 „Strahlen der Seele für ein starkes Leben“.
EM 07-2009 „Geomantik-Art aus der Eizeithöhle“,
EM 07-2009 „Schamanismus auf der Schwäbischen Alb“.
In Medizin-Welt: „Suche die Nacht auf“ und „Medizin-Welt SPEZIAL, Heilende Blicke“.
EM 08-2009 „Im Einklang mit der Erde wandeln“.
EM 10-2009 „Auf dem Heidenpfad der Europäischen Wasserscheide über die Frankenhöhe“.
EM 11-2009 „Von Vulkanschloten und heiligen Bergen“
EM 05-2010 „Maibaumtanz und Walpurgisnacht“
Bei www.starkesleben.de und über http://www.geomantikart.de.

Eurasische Spiritualität Reise Eurasien

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