„Der Trojanische Krieg – Mythos und Wahrheit“ von Barry StraussGELESEN

„Der Trojanische Krieg – Mythos und Wahrheit“ von Barry Strauss

Ein Stoff zum Schwärmen, handelnd von Liebe, Treue, List, Macht und Reichtum, von blutigem Tod und gleißendem Gold. Die Leidenschaft im Kampf um Troja und die Verklärung dieser Geschichte hat ganze Generationen von Historikern, Geschichtslehrern und Schülern verzückt. Hunderte von Büchern sind darüber geschrieben worden. Schliemann hat das antike Troja mit seinen sagenhaften Goldschätzen ausgegraben. Aber gab es den Trojanischen Krieg um die schöne Helena wirklich und hat das berühmte hölzerne Pferd den Ausschlag gegeben? Es ist lohnend, sich von Barry Strauss durch die bronzezeitlichen Ereignisse führen zu lassen, die dem griechischen Dichter Homer zufolge vor über 3.000 Jahren an den berühmt-berüchtigten Dardanellen stattgefunden haben, an der innereurasischen Grenze zwischen dem Marmarameer und der Ägäis.

Von Johann von Arnsberg

„Der trojanische Krieg – Mythos und Wahrheit“ von Barry Strauss  
„Der trojanische Krieg – Mythos und Wahrheit“ von Barry Strauss  

Z u Hunderten folgten Wissenschaftler aus aller Welt den Spuren des genialen Amateurarchäologen Heinrich Schliemann aus Mecklenburg, seit dieser 1871 die Stadt Troja an der heutigen türkischen Westküste ausgegraben hat. Und laut Barry Strauss verdichten sich durch neue spektakuläre Funde die Erkenntnisse, dass Schliemann nicht nur Troja gefunden, sondern auch dass Homer, auf den er sich berief, Recht hatte mit dem, was er 500 Jahre nach der Zerstörung Trojas in seiner Dichtung Ilias aufgeschrieben hat.

Troja, die sagenumwobene  Stadt stand um 1.200 v. Chr. in voller Blüte. Dies geht aus neu entdeckten hethitischen Texten hervor, die Homers Schilderung stützen. Bei Homer hieß die Stadt Troja oder Ilion, daher der Name seiner Dichtung „Ilias“. Die Hethiter nannten die Stadt Taruisa oder Wilusa. Die Sprache, die von den Trojanern gesprochen wurde, war Indogermanisch wie die der Griechen und damit diesen neuen Belegen zufolge, die Strauss anführt, mit dem Hethitischen eng verwandt. Außerdem seien die Trojaner sehr wahrscheinlich Verbündete der Hethiter gewesen.

Frühe Griechen – die Wikinger der Bronzezeit

„Der natürliche Feind der Hethiter – und damit auch der Trojaner – waren die Griechen“, schreibt der Autor, der eine Professur für Alte Geschichte und Klassische Archäologie an der amerikanischen Cornell Universität innehat. Für ihn sind die frühen Griechen „die Wikinger der Bronzezeit“.

Dieser Vergleich dient dem Verständnis des Lesers. Denn die Geschichte der Wikinger ist, mit Troja verglichen, fast noch Gegenwart. Bis über das Jahr 1.000 n. Chr. haben sie die Welt in Unruhe versetzt und Reiche gegründet. Insgesamt schrieben sie 400 Jahre Geschichte in Europa und Asien. Man kennt sie. Und es wird schnell klar, was Barry Strauss meint, wenn er sie mit den Griechen der Bronzezeit vergleicht und schreibt: „In den Bewohnern der Mittelmeerinseln oder Anatoliens stiegen, wenn sie den Vogelschnabel auf dem Vordersteven einer griechischen Galeere sichteten, wohl ähnliche Gefühle auf, wie in den Angelsachsen, wenn der Drachenkopf am Vordersteven eines Wikingerschiffes vor der Hafeneinfahrt auftauchte.“ (Vgl. dazu EM 08-02 „Eurasien historisch: DIE WIKINGER“).

Es war der größte Krieg der Geschichte

Wenigstens 100.000 Mann kämpften im Trojanischen Krieg zwischen dem Hethitischen Troja und den auf 1.000 Booten herangeeilten Griechen auf jeder Seite. Strauss: „Kriegsgrund war die Entführung der schönen Helena, Königin von Sparta, durch den trojanischen Prinzen Paris, sowie der Verlust des Staatsschatzes, den die beiden auf der Flucht mitnahmen. Die Griechen landeten vor Troja und forderten die Rückgabe des Staatsschatzes und der Königin Helena an ihren Ehemann, Spartas König Menelaos. Doch die Trojaner verweigerten sich dieser Forderung. In den nächsten neun Kriegsjahren verwüsteten und plünderten die Griechen das Umland von Troja und die Inseln vor der Küste, aber an die Stadt selbst kamen sie nicht heran. Ironischerweise konzentriert sich die Ilias auf Nahkämpfe auf der trojanischen Ebene, obwohl doch der Großteil des Krieges anderswo ausgefochten wurde und vor allem aus Raubzügen bestand. Zudem beschränkt sich die Ilias auf nur zwei Monate im neunten Jahr des langen Konfliktes.“

Tausend einzelne Wrestling-Kämpfe

Was das bedeutet, erläutert der Autor so: „Es gab keine Belagerung Trojas. Die Griechen waren unterlegen und konnten Troja nur durch einen Trick einnehmen: Dieser Trick könnte durchaus das Trojanische Pferd gewesen sein.“ Und weiter: „Die Ilias ist ein Boxkampf um die Meisterschaft, ausgetragen bei bester Sicht zur Mittagszeit und mit einem K. o. Schlag als krönendem Abschluss. Der trojanische Krieg bestand aus tausend einzelnen Wrestling-Kämpfen, die im Dunkeln ausgetragen wurden und nur dadurch zu gewinnen waren, dass man dem Gegner ein Bein stellte.“ - Herodot indes beschreibt nur die während zweier  Monate ausgetragenen Schaukämpfe zwischen verschiedenen Helden beider Seiten auf der Ebene vor Troja.

Strauss formuliert anschaulich. Neben dem Vergleich mit den Wikingern bezeichnet er zum Beispiel die Trojaner dank ihres geschützten Hafens als die größten Zwischenhändler der Welt, die mit vielen Gütern jede Menge Reibach machten und entsprechend unbeliebt gewesen seien. An eigenen Erzeugnissen hätten sie praktisch nur Stoffe und Pferde anzubieten gehabt. Und auch damit wäre ihr Ansehen nicht gerade gewachsen. Strauss: „Pferdehändler waren die Gebrauchtwagenverkäufer der alten Welt.“ Als solche hätten sie es faustdick hinter den Ohren gehabt. „Hier fanden die schnellzüngigen Trojaner wahrscheinlich Wege, andere zu täuschen und zu betrügen, die weit über das hinausgingen, was man sich in Theben oder Mykene so vorstellen konnte.“

„Westanatolien nahm während der späten Bronzezeit eine ähnliche Stellung ein wie Polen im 20. Jahrhundert“

Und noch so einen historisch-bildgewaltigen Vergleich stellt der Autor an, wenn er schreibt: „Troja lag auf der blutgetränkten Verwerfungslinie zwischen zwei Großreichen. Es gab (damals) kein gefährlicheres Stück Land auf der ganzen alten Welt. Im Osten lebten die Hethiter, großartige Streitwagenkämpfer, die aus dem zentralen Hochland herabstießen und Anatolien wie auch große Teile des Vorderen Orients beherrschten. Im Westen lauerte eine aufstrebende Macht, deren Flotte von der anderen Seite der Ägäis Druck ausübte: die Griechen [...] Westanatolien nahm während der späten Bronzezeit eine ähnliche Stellung ein wie Polen im 20. Jahrhundert.“

Strauss legt dem Leser damit nahe, dass es irgendwann zum Krieg kommen musste. Dass er so begann, wie er begann, macht den Mythos aus: Achilles und Hektor, Odysseus, Priamos, Paris und Agamemnon, Menelaos und viele andere klangvolle Namen waren daran beteiligt. Und sie kämpften um eine Frau.

„Sie war der Funke, der den Krieg entbrennen ließ. Helena trägt ein fließendes Gewand aus Wolle, gewoben und von den flinken Händen der Sklavinnen, in schwarzen, graubraunen und purpurroten Streifen, weich und schimmernd von dem Öl, mit dem es behandelt wurde. Die Ärmel bedecken ihre Oberarme, lassen jedoch die perlweiße Haut der Unterarme frei. Zwei gewundene Goldbänder schlängeln sich um ihre nackten Handgelenke. Zwei passende Goldbroschen hängen vom Ausschnitt ihres Gewandes. Ein eng anliegendes Oberteil und ein goldener Gürtel betonten ihre vollen Brüste.“

So fand sie Paris vor, der Prinz von Troja, der ihr nachstellte. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Der Autor beginnt mit szenischen Beschreibungen, als stünde er mit der Kamera hinter der Gardine oder auf dem Schlachtfeld inmitten des Getümmels. Dann wieder folgen Berichte in einer nüchternen Erzählweise, durchsetzt mit Thesen und angereichert mit Zitaten, mit  archäologischen und geschichtswissenschaftlichen Belegen, wenn es um die Handlungen auf dem Kriegsschauplatz in der Ebene vor Troja geht.

Ein durch und durch angenehm zu lesendes Buch, ergänzt durch Zeittafel und Glossar, Anmerkungen, Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register.

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Rezension zu: „Der trojanische Krieg – Mythos und Wahrheit“ von Barry Strauss, Theiss Verlag, Stuttgart 2008, 208 Seiten, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-806-22154-1.

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