Ein Bürgermeister macht von sich redenARCHANGELSK

Ein Bürgermeister macht von sich reden

Seit der Bürgermeister der nordrussischen Stadt Archangelsk erklärte, er wolle zu den Präsidentschaftswahlen kandidieren, hat er nur noch Ärger. Drei Strafverfahren wurden gegen ihn eröffnet.

Von Ulrich Heyden

D ie letzte Runde in der Auseinandersetzung mit den russischen Justizorganen ging für Aleksandr Donskoi, den Bürgermeister der nordrussischen Stadt Archangelsk, überraschend gut aus. „Vielen Dank für die Unterstützung“, erklärte der 37 Jahre alte Politiker am Donnerstagabend nach einer fünfstündigen Gerichtsverhandlung, auf der die Untersuchungshaft für den Bürgermeister aufgehoben wurde. Die Unterstützer des jungen Politikers, der im Oktober letzten Jahres seine Kandidatur zu den russischen Präsidentschaftswahlen angekündigt hat, waren sichtlich erleichtert. Gegen Donskoi läuft ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch. Dem Bürgermeister drohen sieben Jahre Gefängnis.

Sturm auf die Wohnung des Bürgermeisters

Am Mittwoch hatten maskierte Männer der OMON-Polizei-Spezialeinheit die Wohnung des Bürgermeisters aufgebrochen und den an Bluthochdruck leidenden Politiker in Unterhose auf der Straße vorbei an Schaulustigen abgeführt. Die Staatsanwaltschaft von Archangelsk begründete die Verhaftung mit angeblicher Fluchtgefahr.

Die Staatsanwaltschaft wirft Donskoi den Missbrauch von öffentlichen Geldern vor. Der Bürgermeister soll sich für umgerechnet 115.000 Euro auf Kosten der Stadtkasse zwei Jahre lang eine Leibwache gehalten haben.

Donskoi bezeichnet die Anschuldigungen gegen ihn als „Einschüchterungsversuch“. Hinter seiner Verhaftung stehe Ilja Klebanow, Putins Beauftragter für die Nordwest-Region und der Gouverneur von Archangelsk, Nikolaj Kiseljow. Dieser ist Mitglied der Kremlnahen Partei „Einiges Russland“.

Wahlkampf auf Russisch

Gouverneur Kiseljow hat allen Grund auf Donskoi sauer zu sein. Vor einer Woche hatte der Bürgermeister auf seiner Website ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie ein unbekannter Mann einer Person, die dem Gouverneur ähnlich sieht, einen Packen Banknoten über den Schreibtisch schiebt. Nun wolle sich der Gouverneur für die Aufdeckung der Schmiergeldzahlungen rächen, meint Donskoi.

Seit der junge Bürgermeister im Oktober letzten Jahres erklärt hat, er wolle für die Präsidentschaftswahlen kandidieren, ist man im Kreml offenbar nicht gut auf den parteilosen Politiker zu sprechen. Zumindest wurden unmittelbar nach der Ankündigung des Bürgermeisters zu den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren, drei Strafverfahren gegen ihn veröffentlicht, u.a. wegen einem angeblich gefälschten Hochschulzeugnis und unerlaubter unternehmerischer Tätigkeit.

Für ungewöhnliche PR-Aktionen bekannt

Die Bürger von Archangelsk sind es gewohnt, dass der 2005 gewählte Bürgermeister mit ungewöhnlichen Maßnahmen von sich Reden macht. Um die nordrussische Stadt weltweit bekannt zu machen, ließ Donskoi im Stadtzentrum rund um das Lenin-Denkmal 300 Schneemänner aufstellen. Das erhoffte internationale Echo blieb allerdings aus. Auch eine weitere Maßnahme brachte nicht den gewünschten Erfolg. Um Geld für die Stadtreinigung frei zu machen, stellte Donskoi die Finanzierung des bekannten Hockeyteams „Wodnik“ ein. Die Straßen von Archangelsk wurden nicht sauberer, dafür wanderte die Hockeymannschaft, die sich auch an Europa-Meisterschaften beteiligt, nach Moskau ab und spielt jetzt unter der Flagge von „Dynamo Moskau“.

Am Donnerstag hatte Donskoi nun endlich Erfolg. Das Gericht hob die Untersuchungshaft auf, die Verteidiger sprachen von einem „Sieg“. Den Erfolg kann Donskoi nun erst mal auskosten. Die Position des Bürgermeisters sieht nicht schlecht aus, insbesondere nachdem Ilja Klebanow, der Vertreter Putins für die Nordwestregion, erklärt hat, für den „Fall Donskoi“ seien nur die Staatsanwaltschaft und das Gericht zuständig. Zu einer öffentlichen Missbilligung des eigenwilligen Bürgermeisters hat sich der Kreml bisher nicht hinreißen lassen.

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