Energiekooperation oder Konkurrenz?RUSSLAND-KASACHSTAN

Energiekooperation oder Konkurrenz?

Wenn über Russland und Energie debattiert wird, dann dürfen die Schlagwörter „Einsatz der Energiewaffe“ und „Rohstoffnationalismus“ nicht fehlen. Entgegen diesem Trend etabliert sich eine besondere Energiepartnerschaft zwischen Russland und Kasachstan - wobei die Zweckgemeinschaft hinter den Kulissen nicht ganz ungetrübt ist.

Von Gunter Deuber & Manuel Paffrath-Dorn

I m Vorfeld des letzten EU-Russland-Gipfels machte der Royal Dutch Shell Vorsitzende auf einer Wirtschaftskonferenz in Helsinki deutlich: „Wir wollen klare Signale hören, dass internationale Ölfirmen weiterhin willkommen sind in Russland“. Prägnanter ist die Besorgnis von westlicher Seite wegen des Trends der Renationalisierung im Rahmen der Putinschen „neuen Industriepolitik“ in der gelenkten Marktwirtschaft Russlands nicht auf den Punkt zu bringen. Die aktuelle Auseinandersetzung um die vom Kreml erzwungene Neuverhandlung der Produktionsteilungsabkommen für das Sachalin-II-Projekt – das derzeit weltgrößte Gasförderprojekt - spricht eine deutliche Sprache: Russland wird in Rohstofffragen immer selbstbewusster, der Kreml verstärkt seine Kontrolle in diesem lukrativen Sektor und möchte die Energieströme des voraussichtlich in zehn Jahren weltweit führenden Lieferlandes, nämlich Russlands, kontrollieren. Die Westeuropäer versuchen ihrerseits, dem kremlnahen Gasmonopolisten Gazprom beim direkten Einstieg in das Geschäft mit den Endkunden in der EU Steine in den Weg zu legen.

Will der Westen die russischen Petrodollars nicht?

Im europäisch-russischen Energiedialog sind Ergebnisse bislang ausgeblieben. Wobei die Wirtschaftsbeziehungen nicht nur durch Unstimmigkeiten im Energiebereich und Spitzen der polnischen Regierung vor dem EU-Russland-Gipfel im Dezember angespannt sind wie selten. Auch die mehr und mehr nach West- und Mittelosteuropa strömenden Petrodollars aus Russland sind dort wenig willkommen. Wer jedoch wie Russland Kapital akkumuliert, möchte nicht nur als Energielieferant abgestempelt werden. Vor allem im Bereich eines renditeträchtigen privaten Kapitaleinsatzes – der  Private-Equity-Investitionen - werden West- und vor allem Mittelosteuropa in absehbarer Zukunft auf russisches Kapital angewiesen sein. Das ergibt eine aktuelle Studie der renommierten Unternehmensberatung Roland Berger mit dem Titel „Mitteleuropa 2016“.

Hinter den Kulissen der russisch-europäischen Kontroversen schwingt sich Kasachstan zum verlässlichsten Energiepartner Russlands auf – ohne allerdings andere Interessenten an seinen Ressourcen zu verprellen. Kasachstan ist für Russland der verlässlichste Partner in Eurasien, und der Kreml verhandelt mit der Regierung in Astana mehr oder weniger auf Augenhöhe.

Russland und Kasachstan kooperieren in der Raumfahrt und im Bereich Energie besonders eng.  In den letzten zwölf Monaten wurden hier beachtliche Fortschritte erzielt. Dazu gehört die nach dem G8-Weltwirtschaftsgipfel in Sankt Petersburg unterzeichnete Übereinkunft über drei Joint Ventures zur zivilen Atomenergienutzung. Sie gelten der Uranförderung, Urananreicherung und dem Bau neuer Reaktoren. Russland sichert sich damit einen günstigen Zugang zu den kasachischen Uranvorkommen, den derzeit drittgrößten der Welt, und Kasachstan erhält Zugang zur russischen Technologie. Anfang Dezember förderte das Joint Venture seine erste Tonne Uran. Neben der Atomkooperation wurde im Windschatten des G8-Gipfels außerdem eine weit reichende Kooperation in der Gaswirtschaft vereinbart.

Erfolgreiche Energiesymbiose Russland-Kasachstan

Bereits am 20. Mai 2006 verzeichnete Putin auf dem Sotschi-Gipfel einen „Fortschritt in der Energiekooperation zwischen Russland und Kasachstan“. Hintergrund dieser Aussage ist die lange vorbereitete gemeinsame Förderung, Aufbereitung und Vermarktung kasachischer Gasvorkommen. Am 3. Oktober unterzeichneten in Anwesenheit der Präsidenten Nursultan Nasarbajew und Wladimir Putin die Energieminister Russlands und Kasachstans dann die Gründungsdokumente des Gemeinschaftsvorhabens. Die Übereinkunft sieht vor, dass Kasachstan zu 50 Prozent an der russischen Gasaufbereitungsanlage in Orenburg an der Grenze zu Kasachstan beteiligt wird. Pro Jahr sollen hier etwa 15 Milliarden Kubikmeter kasachischen Erdgases aus dem Gigafeld Karachaganak aufbereitet werden. Nach kasachischen Angaben werden sechs Milliarden Kubikmeter zu einem Preis von 54 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter zur Versorgung des Heimatmarktes genutzt. Die restlichen neun Milliarden sollen von Russland aus direkt in Pipelines nach Europa eingespeist werden. Damit die Kapazitäten für Russland verfügbar sind, wurde ein Energie-Tauschhandel mit Usbekistan unterfertigt. Danach wird Usbekistan 2007 bis 2009 jährlich 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas nach Südkasachstan exportieren. Kasachstan kann so eigene frei gewordene Kapazitäten an Russland verkaufen. Denn Kasachstan ist auf Russland angewiesen, um sein Erdgas auf dem Weltmarkt und vor allem nach Europa zu verkaufen.

Begrenzte Exportrouten

„Kasachstans Exportrouten nach Europa sind durch die geographische Lage beschränkt und somit besteht die Notwendigkeit, Zugang zu den Gasexportrouten Russlands zu haben“, so der KazTransGas-Chef Serik Sultangalijew. „Wir verstehen sehr gut, dass in dieser Situation die Entwicklung der kasachischen Erdgasindustrie ohne Kooperation mit Russland unmöglich ist“, so Sultangalijew weiter. „Allerdings schauen wir gleichzeitig auch nach neuen Wegen, Energie auf den Weltmarkt zu exportieren“ unterstreicht der KazTransGas-Chef. Eine Option wäre ihm zufolge eine Gaspipeline am Boden des Kaspischen Meeres von Aktau nach Baku.

Die EU unterstützt solch ein Vorhaben und betrachtet Kasachstan als potenziell eigenständigen Energielieferanten, wie der aus Lettland stammende EU-Energiekommissar Andris Piebalgs nicht müde wird zu betonen. Russland ist gegen solch eine Gasexportroute, da es weiterhin sein durch das Pipelinesystem der Sowjetzeit begründetes Exportmonopol versilbern will. Das gleiche Spiel im Atomenergiebereich. Anfang Dezember unterzeichneten Kasachstan und die EU ein Kooperationsabkommen im Uranbereich – obgleich Kasachstan hier schon eng mit Russland kooperiert. Der Standpunkt Sultangalijews einerseits, die Positionierung der EU und der Zankapfel kasachische Pipeline durch das Kaspische Meer andererseits verdeutlichen, dass die russisch-kasachische Energiekooperation nicht ungetrübt ist.

Profilschärfung als eigenständige Energienation

Die russische Energiewirtschaft hat es nicht leicht, ihre Fühler nach Kasachstan auszustrecken. Der größte Staat Zentralasiens profiliert sich mehr und mehr als eigenständige Energienation und       als Exporteur von Weltrang und schielt naturgemäß auf die Erschließung eigenständiger Exportwege. Dies nach dem Motto des kasachischen Außenministers Kassymschormart Tokajew, der den Ausspruch prägte: „ Je mehr Pipelines es gibt, desto besser.“ Im Sommer 2006 sondierte der kasachische Premierminister Daniel Achmetow Investitionsmöglichkeiten im Energiesektor Bulgariens. „Unbezweifelbar ist Bulgarien von großem Interesse für uns und das nicht nur als Markt, sondern als Tor zur EU“, so der kasachische Premier. In dieser Region Europas könnten Kasachstan und Russland in naher Zukunft zu direkten Konkurrenten werden. Auch Russlands Lukoil und Gazprom versuchen in Südosteuropa zu expandieren. Jüngst suchten russische Energiediplomaten den Kontakt zum EU-Beitrittskandidaten Kroatien, um hier Investitionsmöglichkeiten zu sondieren.

Von der nicht immer ganz harmonischen russisch-kasachischen Zusammenarbeit in Energiefragen könnte Europa profitieren – wenn man energiepolitisch an einem Strang ziehen würde. Die EU drängt geradezu auf die Unterzeichnung der Energiecharta durch den Kreml, um sein quasi natürliches Monopol auf den Gasexport aus Zentralasien zu brechen. Hier zeichnet sich derzeit eine Verhärtung der Positionen ab. Moskau signalisierte jüngst öffentlich und äußerst deutlich, dass man – zu den Konditionen der Energie-Charta - kein Interesse an einer Energiepartnerschaft mit der EU habe. „Wir werden die Energiecharta nicht ratifizieren“, so der EU-Sonderbeauftragte des Kreml Sergej Yastrzhembsky jüngst zur „Herald Tribune“. Kasachstan hat in dieser Frage noch keine Position bezogen.

Nicht nur Russland schielt auf Kasachstans Rohstoffe

Nicht nur der Kreml und die Europäer schielen auf die kasachischen Rohstoffe. Deshalb geben sich Kommissionen und Staatsgäste aus aller Herren Länder mit Interesse am kasachischen Öl, Gas und Uran in Astana die Klinke in die Hand. Kasachstan wird vor allem auch von den USA, China, Indien und Japan als Energielieferant umworben. Zum Jahresanfang besiegelte das staatliche chinesische CITIC-Konglomerat (China International Trust and Investment Corp) den Kauf von Anteilen an der kasachischen Erdölfirma JSC Karazhanbasmunai mit Förderrechten im Mangistau Oblast für 1,9 Milliarden US-Dollar. Die Energieabnehmer sollen nach kasachischen Plänen breiter diversifiziert werden, daher verwundert es nicht, dass das zentralasiatische Land im Oktober einer Tochter der indischen Mittal Stahl Anteile an einer Öllagerstätte offerierte. Zuvor hatte die Mittal-Stahl Tochter Neftegaztruba Temirtau für fast 33 Milliarden US-Dollar ein Werk zur Produktion von Ölpipelines vor Ort in Aktau in Betrieb genommen.

Die energiepolitische Rückschau auf das Jahr 2006 zeigt deutlich, dass einerseits die kasachisch-russische Energiepartnerschaft vertieft wurde, andererseits jedoch die Konkurrenzsituation in der energiereichen Region Zentralasien – auch zwischen Russland und Kasachstan - zunimmt. Gerade die aufstrebenden Mächte Asiens mit ihrem riesigen Energiehunger, sowie die geographisch günstig liegende EU zeigen reges Interesse an den kasachischen Ressourcen und wollen Russlands Strategie des Transportmonopols durchkreuzen. Die deutsche Außenpolitik betonte schon im Vorfeld ihrer EU-Ratspräsidentschaft klar, dass Zentralasien als Ressourcenlieferregion strategisches Interesse zuteil werden soll.

Diese Position schärfte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner vor ihrem Chinabesuch Mitte Januar. „Ich denke auch, dass es sehr wichtig ist, eine Strategie im Umgang mit Zentralasien zu entwickeln“ so Ferrero-Waldner. Die EU-Kommission arbeite eng mit der deutschen Präsidentschaft und den EU-Mitgliedsstaaten zusammen, um die erste EU Strategie für Zentralasien zu formulieren.

Menschenrechtsaktivisten – aber auch einige traditionell den Menschenrechten besonders verpflichtete Regierungen, wie etwa die Skandinavier – sehen darin bereits eine Gefahr. Sie befürchten eine von Deutschland getriebene „Realpolitik“ könnte Menschenrechtsfragen in Zentralasien der Energiesicherheit unterordnen.

Kasachstan ist indes in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch von den durch Moskau kontrollierten Energieexportrouten abhängig. Allerdings wird diese Dependenz langsam und Schicht für Schicht abgetragen. Daher sollten Verfechter des Rohstoffnationalismus in Russland sich nicht in zuviel Sicherheit mit der „guten alten Energiefreundschaft“ Kasachstans wiegen. Auch hier herrscht dank sprudelnder Rohstoffeinnahmen ein neues Selbstbewusstsein. Hohe Energiepreise locken Investoren ins Land und machen Exportrouten, die Russland umgehen, immer attraktiver.

Russland Wirtschaft Zentralasien

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